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Klimakonferenz in Lima: Weltgruppentherapie

Der Klimagipfel in Lima zeigt, wie schwer die Weltgemeinschaft an der Last ihrer Geschichte zu tragen hat, kommentiert Lars Fischer.
Seeschlacht im ersten Opiumkrieg

Vordergründig diskutierte auf dem Klimagipfel von Lima eine Weltgemeinschaft, die sich einig ist – groß ist der Wille, dem Klimawandel entgegenzutreten, und viele Staaten haben bereits aus eigenem Antrieb Klimaschutzmaßnahmen ergriffen. Doch der Verlauf der Verhandlungen zeigt auch, wie schwer die Last der Geschichte auf den Teilnehmern liegt.

Lars Fischer | Lars Fischer ist Wissenschaftsjournalist und Redakteur bei "Spektrum.de".

Denn die letzten Jahrhunderte waren nicht dazu angetan, das Vertrauen der Völker untereinander zu stärken. Vertrauen, das auf dem nächsten Gipfel in Paris so dringend gebraucht wird, wenn es um einen gemeinsamen Vertrag geht, der allen Beteiligten Opfer und Verzicht abverlangt. Denn auch wenn nachhaltiges Wachstum mit regenerativen Energiequellen möglich ist, zuerst einmal geht es darum, den einfachsten Weg zu Wachstum und Wohlstand nicht mehr zu begehen: billige fossile Energiequellen wie Öl, Gas und Kohle.

Zu Recht verlangen die Industriestaaten, dass die Emissionen der teilweise gar nicht mehr so viel ärmeren Länder ebenfalls beschnitten werden. Anders als noch vor 20 Jahren tragen sie erheblich zum Klimawandel bei. Zu Recht verlangen aber auch die Schwellenländer, ihren Weg der Entwicklung fortsetzen zu dürfen – und fordern Ausgleich dafür, dass der Klimawandel ihnen womöglich verwehrt, was im Westen 200 Jahre lang selbstverständlich war: natürliche Ressourcen nach Belieben in materiellen Wohlstand umzuwandeln.

Die Sorge ist groß, dass der entwickelte Westen wieder einmal seine Hegemonie durchsetzt, diesmal nicht mit Kanonenbooten, sondern mit einem Klimavertrag, der den Rest der Welt ökonomisch ausbremst. Und wer kann es den Schwellenländern verdenken, nach Kolonialismus, Bevormundung und den vielen uneingelösten Versprechen der letzten Jahrzehnte? Wohin der Westen auch kam, er kam selten in Frieden – und große Teile der Welt leiden bis heute unter den Folgen.

Deswegen gehen die Verhandlungen in so kleinen und mühseligen Schritten voran. Deswegen ist es aber auch schon eine große Leistung, dass diese Gespräche überhaupt stattfinden und dass sich die Staaten der Welt darin einig sind, einen gemeinsamen Weg zu gehen. Schließlich geht es um nicht weniger als eine neue Weltordnung, in der von allen Ländern erwartet wird, dass sie zentrale Teile ihrer Politik auf ein gemeinsames globales Ziel ausrichten – und das über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte. Vor diesem Hintergrund sind die Klimagipfel auch eine Art Weltgruppentherapie, in der alte Feindschaften, Nationalismus, Traumata und Verletzungen mit an den Tischen sitzen, auch wenn sie nicht auf der Agenda stehen.

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