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Hirschhausens Hirnschmalz: Postumer Ruhm

Warum das Ableben oft Mythen über die Verstorbenen entstehen lässt.
Dr. Eckart von Hirschhausen

Wer 1963 erlebt hat, weiß sicher, was er an dem Tag tat, als John F. Kennedy erschossen wurde. Ich wurde 1967 geboren und bin damit entschuldigt. Rolf van Dick ist ebenfalls mein Jahrgang und beschäftigt sich als Sozialpsychologe an der Goethe-Universität Frankfurt mit der etwas makabren Frage: Warum tut einigen Politikern das frühe Ableben so gut? Rein vom Image her. Denn wenn man sich den historischen Dokumenten und politischen Entscheidungen widmet, war Kennedy zu Lebzeiten gar keine so strahlende Gestalt: Er war Lebemann, kein Held.

Was man so gern als Charisma bezeichnet, entspringt laut Psychologen mehr dem Wunsch des Publikums als einer objektiven Eigenschaft der Persönlichkeit. Der Ruhm wächst, sobald der Mensch unter der Erde ist: Aus der Distanz – etwa der postum erzwungenen – erkennen wir eher, was derjenige für die kollektive Iden­tität getan hat. Außerdem kann man sich nach dem Ableben schlecht gegen Vereinnahmung schützen, und plötzlich gilt man vielen als »einer von uns«. Weil man nicht schlecht über Tote sprechen soll und früher sowieso alles besser war, erschaffen Medien und die Gruppendynamik postume Denkmäler. Das Team um van Dick wies dies nicht nur für verstorbene Politiker wie Kennedy oder Kohl nach. Auch nach dem »Amtstod« von Obama stieg dessen Ansehen gewaltig. Es gibt also noch Chancen für Trump, sich beliebt zu machen – aber lasst es möglichst wie einen Unfall aussehen …

Je unsicherer die Zeiten, desto lauter rufen Menschen nach »Führern« mit einfachen Botschaften. Das macht mir Sorgen, denn Charismatiker punkten gerade aus Mangel an Selbstzweifeln. Wer von sich überzeugt ist, überzeugt andere leichter. Dabei ist Zweifel die Fähigkeit, mehr als einen Gedanken gleichzeitig für richtig zu halten. Oder wie Erich Fried schrieb: »Zweifle nicht an dem, der dir sagt, er hat Angst, aber hab Angst vor dem, der dir sagt, er kennt keinen Zweifel.«

Das Dumme an der postumen Unsterblichkeit ist: Man selbst hat so gar nichts davon. Die Nachwelt dafür umso mehr. Jesus blieb der Altersstarrsinn erspart, durch den viele ihr eigenes Werk demolieren. Er bleibt als Rebell der Liebe in Erinnerung, nicht als religiöser Rentner. Für viele Sportler, Filmstars und Musiker gilt das Gleiche. James Dean war so ein Draufgänger, dass er beim Autorennen draufging. Marlon Brando lebt und ist statt drauf- in die Breite gegangen. Aber von James Dean gibt es kein Foto in Badehose mit Bierbauch, und so lebt sein Image von der Realität ungetrübt fort. Marilyn Monroe oder Pamela Anderson? Die eine wurde zu Asche, die andere zu Silikon. Und wer ist berühmter? Oder der »Club der 27« – jener Musiker von Janis Joplin bis Amy Winehouse, die alle mit 27 starben. Sie mussten nie erleben, wie ein spätes Album floppte.

Und Komiker? Ich kann nur für mich sprechen: Mir ist lieber, ich werde zu Lebzeiten überschätzt, als dass man nach meinem Tod verborgene Qualitäten an mir entdeckt. Wer wissen will, was noch an dem Thema Endlichkeit komisch ist, sobald man drüber nachdenkt, darf gerne in mein Liveprogramm »Endlich« kommen. Solange es mich gibt: willkommen!

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