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In Bestform: Was hilft bei einer Prellung?

Ein blauer Fleck ist meist nicht schlimm, tut aber manchmal ordentlich weh. Wer sofort die »PECH-Regel« anwendet, könne die Folgen begrenzen, sagt der Unfallchirurg Yannic Bangert: »Hier zählt jede Minute.«
Frau mit blauem Fleck am Knie

Gerade im Winter, wenn es draußen glatt ist, passiert es schnell: Es zieht einem die Beine weg, und man liegt auf dem Boden. Das Knie wird dick, eine ordentliche Prellung. Was genau passiert da eigentlich, und wie heilt so etwas? Wie lange sollte man pausieren, wann besser zum Arzt gehen? Antworten auf diese Fragen hat der Heidelberger Orthopäde und Unfallchirurg Yannic Bangert.

»Spektrum.de«: Dr. Bangert, draußen ist es derzeit ja recht glatt; da rutscht man beim Joggen schnell mal aus. Was kann man tun, wenn ein Gelenk dick wird?

Yannic Bangert: Prellungen gehören unabhängig von der Jahreszeit zu den häufigsten Sportverletzungen überhaupt. Klassischerweise werden sie in Kontaktsportarten, etwa durch einen Tritt oder Schlag, hervorgerufen, aber natürlich auch bei Individualsportarten durch Stürze. Aus der praktischen Erfahrung hat sich hier die »PECH«-Regel etabliert, also: »Pause«, »Eis«, »Compression« und »Hochlagern«. Die wissenschaftliche Studienlage dazu ist jedoch extrem schlecht. Es gibt keine Untersuchungen mit hoher Evidenz, welche die Wirksamkeit der PECH-Regel systematisch untersucht haben. In der Praxis hat sie sich allerdings bewährt. Die Kombination aus Belastungsabbruch und Maßnahmen wie Kühlen, Kompression und Hochlagern sorgen dafür, dass es zu keiner Schwellung oder Einblutung in die betroffene Körperpartie kommt.

Yannic Bangert | Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie für Physikalische und Rehabilitative Medizin leitet den Bereich Sportorthopädie und Sporttraumatologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Außerdem ist er Leitender Orthopäde am Olympiastützpunkt Metropolregion Rhein-Neckar und Teamarzt der TSG 1899 Hoffenheim.

Was genau ist eigentlich eine Prellung, und wo liegt der Unterschied zu einem Bluterguss?

Eine Prellung entsteht häufig durch eine direkte Krafteinwirkung auf das Gewebe, beispielsweise bei einem Sturz oder einem Zusammenprall mit einem Gegenspieler. Dabei wird weiches Gewebe, wie die Muskulatur im Fall einer Muskelprellung, gegen härteres Gewebe wie den Knochen gedrückt. Je nachdem, wie stark die Prellung ist, kann es dazu kommen, dass Flüssigkeit aus Lymph- und Blutgefäßen in das Gewebe austritt und eine Schwellung oder einen Bluterguss hervorruft.

Und dann gibt's einen blauen Fleck.

Genau. Wenn die Einblutung oberflächlich ist, wird ein blauer Fleck sichtbar. In der Tiefe, in der Muskulatur oder in einem Gelenk, sieht man das natürlich nicht.

Man kann sich sogar Organe prellen, richtig?

Ja, zum Beispiel die Leber. Wenn ein Boxschlag die Leber trifft, spricht man auch von einem Leberhaken. Prinzipiell kann man sich jeden Körperteil prellen, sogar den Augapfel, etwa durch den Aufprall eines Squashballs. Klassischerweise zieht man sich bei einem Sturz allerdings eine Prellung von Gelenken oder Knochen zu.

Wie lässt sich Muskelkater vermeiden? Wie viel sollten Sportler trinken? Diesen und weiteren Fragen widmet sich die Biochemikerin Annika Röcker in ihrer Kolumne »In Bestform«. Mit Expertinnen und Experten aus der Sportmedizin diskutiert sie, was beim Sport im Körper vorgeht und wie ein gesundes Training aussieht.

Was genau passiert denn nun im Gewebe, wenn ich eine Prellung habe?

Durch die entstehenden Druck- und Scherkräfte werden Bindegewebsstrukturen zerrissen. Dadurch tritt Flüssigkeit aus Lymph- und Blutgefäßen in das umliegende Gewebe aus, und das kann eine Entzündungsreaktion auslösen.

Wann klingt diese wieder ab?

Die sofortige Anwendung des PECH-Schemas kann eine Einblutung verhindern oder zumindest begrenzen. Aus dem Leistungssport wissen wir: Je schneller diese Regel nach einer Verletzung anwendet wird, desto schneller ist der Athlet wieder fit. Hier zählt also jede Minute. Bei starken Prellungen können Schmerzmittel sinnvoll sein, zum Beispiel Ibuprofen oder Diclofenac. Sie wirken nicht nur schmerzlindernd, sondern auch entzündungshemmend. Hausmittel wie Quark- oder Retterspitzauflagen funktionieren ebenfalls sehr gut, sie haben vor allem kühlende Wirkung. Alternativ können Sportsalben aufgetragen werden. Bei den angebotenen Produkten muss man allerdings aufpassen, denn manche fördern die Durchblutung. Das wäre im Akutstadium kontraproduktiv.

Das PECH-Schema

Die folgenden Maßnahmen helfen, den Schaden nach einer Prellung zu begrenzen.

  • P – Pause: Bloß nicht weitertrainieren, sondern sofort mit dem Sport aufhören. Stellen Sie den schmerzenden Körperteil ruhig.
  • E – Eis: Kühlen mit Eis, kaltem Wasser oder einem kalten Umschlag verhindert, dass das betroffene Gewebe stark anschwillt. Außerdem lindert die Kälte den akuten Schmerz. Legen Sie Eis oder Kühlakkus jedoch nie direkt auf die Haut, sonst drohen Erfrierungen.
  • C – Compression: Legen Sie einen Druckverband an, um Blutergüsse und Schwellungen zu vermeiden. Damit werden die Gefäße komprimiert. Wickeln Sie eine elastische Binde um den kühlenden Umschlag, aber nicht zu fest. Verbinden, nicht abbinden!
  • H – Hochlagern: Dadurch wird der Blutfluss in das Gewebe verringert. Am besten bringen Sie den betroffenen Körperteil über Herzhöhe, das verbessert den Rückfluss des Blutes.

Gibt es Studien dazu, was am besten wirkt?

Dazu gibt es leider kaum etwas, das sind eher Erfahrungswerte.

Wird das verletzte Gewebe anschließend ersetzt, oder wie heilt eine Prellung?

Bei einer Prellung geht man eigentlich davon aus, dass das Gewebe selbst nicht zu Grunde geht. Die eingetretene Flüssigkeit muss vom Körper resorbiert, also wiederaufgenommen werden. Aber es liegt keine strukturelle Verletzung vor, wie zum Beispiel bei einem Muskelriss. Da muss tatsächlich neues Gewebe gebildet werden. Deshalb dauert die Heilung da auch viel länger als bei einer Prellung.

»Eine normale Prellung sollte nach ein bis zwei Wochen weg sein«

Wie lange sollte man einen geprellten Körperteil ruhigstellen?

Das hängt davon ab, wie schwer die Prellung ist. Sobald Schmerzen und Schwellung zurückgehen, kann man wieder mehr machen. Das muss man von Tag zu Tag beobachten. Als grobe Orientierung kann man sagen: Eine normale Prellung sollte nach ein bis zwei Wochen weg sein. Schulterprellungen können auch mal länger dauern.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Auf jeden Fall braucht man nicht mit jeder Prellung zum Arzt zu gehen. Wenn es nach ein, zwei Wochen nicht deutlich besser wird, ist das allerdings schon sinnvoll. Und natürlich im Akutfall, wenn man den Verdacht hat, dass etwas gebrochen sein könnte. Etwa, wenn die Beweglichkeit eines Gelenks deutlich eingeschränkt ist. Der Arzt macht dann ein Röntgenbild, um auszuschließen, dass etwas Schlimmeres dahintersteckt.

Doch allein vom Schmerz lässt sich das nicht beurteilen, richtig? Angeblich tut eine Prellung manchmal mehr weh, als wenn etwas gebrochen ist. Können Sie das bestätigen?

Tatsächlich ja. Gerade wenn man sich einen Knochen prellt, der nicht von vielen Weichteilen umgeben ist – etwa die Schienbeinvorderkante –, kann das schon ordentlich weh tun. Vor allem, wenn es zu einer Einblutung unter die Knochenhaut kommt. Sie ist sehr sensibel. Aber jeder Mensch hat natürlich ein anderes Schmerzempfinden.

Von Sportler zu Sportler

Yannic Bangert regt an, sich trotz des Lockdowns viel zu bewegen – aber mit Bedacht. Wer wochenlang nichts gemacht hat, solle nicht plötzlich in vollem Tempo losjoggen, womöglich noch auf gefrorenem Boden. Stattdessen empfiehlt der Sportmediziner, in gemütlichem Tempo zu beginnen und sich langsam zu steigern. Er selbst geht zweimal pro Woche laufen: einmal abends nach der Arbeit und sonntags vor dem Frühstück. Im Winter bevorzugt er gut geräumte und asphaltierte Wege – auch wenn eine solche Strecke landschaftlich nicht so schön ist.

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