Direkt zum Inhalt

Sex matters: Mit Eifersucht umgehen

Jeder kennt das Gefühl, keiner mag es: Eifersucht. Doch sie zu verschweigen, ist auch keine Lösung, sagt der Sexual- und Paartherapeut Carsten Müller. Eine Kolumne.
Ein junger Mann und eine junge Frau sitzen im Grünen, vermutlich auf einer Bank im Park. Die Frau greift nach einem Smartphone in der Hand des Mannes, aber er scheint es ihr nicht geben zu wollen. Die Stimmung zwischen den beiden wirkt angespannt.
Ein Blick auf die Handynachrichten des Partners mag verlockend sein, verletzt allerdings die Privatsphäre. (Symbolbild)

»Mein Mann und ich sind seit zehn Jahren verheiratet. Seit einigen Monaten hat er eine neue persönliche Assistentin. Er erzählt oft von ihr und hat sie neulich sogar zum Abendessen zu uns nach Hause eingeladen. Sie ist jung und hübsch. Ich bin kurz davor, in sein Handy zu gucken, weil ich wissen will, ob er etwas mit ihr hat. Ich schäme mich für meine Gefühle, aber ich kann gerade nichts gegen die Eifersucht tun.« (Antonia*, 42, zwei Kinder)

Zur Beruhigung für alle, die das Gefühl kennen, aber nicht haben wollen: Eifersucht gehört zum menschlichen Gefühlsspektrum dazu – ob man will oder nicht. Ich behaupte, dass jeder von uns schon eifersüchtig war. Dafür muss man nicht einmal einen Partner haben und an seiner Treue zweifeln. Es reicht manchmal schon, wenn ein Mensch, dessen Aufmerksamkeit wir uns wünschen, seine Zeit jemand anderem schenkt. Das beschränkt sich nicht auf Partnerschaften, sondern kann auch in Freundschaften vorkommen. Und es ist normal, dass uns das beschäftigt.

Antonias Gedanken kreisten ständig um ihren Mann und seine Assistentin. Trotzdem erzählte sie niemandem von ihren Sorgen, nicht einmal ihren engsten Freundinnen, denn ihr Mann galt bei allen als zuverlässiger Mensch. Einer, dem man wirklich vertrauen kann. Genau das fiel ihr gerade schwer. Deshalb kam sie zu mir in die Praxis.

Sie erzählte, dass sie gegenüber der Assistentin häufig »zurückstecken« musste. Fünf Tage die Woche war ihr Mann mit der jungen Frau zusammen – neun, zehn Stunden am Tag. Auch auf Dienstreisen, sogar abends im Restaurant. Die Assistentin und er verstanden sich super. Sie erzählte ihm persönliche Dinge, auch, dass sie sich vor Kurzem getrennt hatte. Das alles hatte Antonias Mann seiner Frau berichtet. Dass dieser Umstand die Eifersucht noch befeuerte, ist nachvollziehbar. Ebenso, dass sie sich fragte, ob er sie wohl betrog.

Dabei hielt Antonia ihren Mann eigentlich nicht für den Typ, der mal eben eine Affäre anfängt. Aber die Tatsache, dass er oft länger im Büro war, nagte an ihr. Und das Klischee, dass jeder Mann in so einer Situation irgendwann schwach wird, ließ sie zweifeln.

Was also konnte sie tun? Ihren Mann zu kontrollieren, ihm hinterherzuspionieren, war keine Lösung. Letztlich konnte nur er selbst entscheiden, ob er treu sein wollte. Eigentlich waren sie sich beide einig, dass sie eine monogame Beziehung wollten. So weit, so gut. Doch Antonia brauchte mehr Sicherheit. Sie wünschte sich, er würde ihr in Worten und Taten zeigen, dass sie keinen Grund zur Eifersucht hatte.

Zeit für offene Gespräche

Das Problem war bloß: Ihr Mann hatte keine Ahnung von ihrer Eifersucht. Er wusste schlicht nichts davon, weil sie nicht darüber redete. Zwar reagierte sie nach eigener Aussage manchmal unverhältnismäßig scharf auf Kleinigkeiten, aber wie sollte ihr Mann wissen, dass das an ihrer Eifersucht lag?

Wir entschieden gemeinsam, ihn einzubeziehen. Schluss mit dem Kopfkino, Zeit für offene Gespräche. Antonia fiel das nicht leicht. Und das verstehe ich. Für niemanden ist es einfach, dem Partner Eifersucht einzugestehen. Es ist eine Selbstoffenbarung, die verletzlich macht. Eifersucht kann auch als Misstrauen ausgelegt werden. »Was, du vertraust mir nicht?« Und trotzdem: Reden hilft.

Eifersucht einzugestehen, ist eine Selbstoffenbarung, die verletzlich macht

Zur dritten Sitzung kam Antonia also mit ihrem Mann. Einerseits war er sichtlich getroffen von dem Gesprächsanlass. Nur was sollte er nun tun? Das sei ja richtig schwierig! Sollte er die Assistentin wechseln? Andererseits fand er ihre Eifersucht auch irgendwie gut, denn sie vermittelte ihm, wie wichtig Antonia die Beziehung zu ihm ist und wie toll sie ihn findet. So toll, dass sie sich sogar vorstellen konnte, die junge Assistentin würde etwas mit ihm anfangen.

Eifersucht kann durchaus solche schönen Nebeneffekte haben – sie kann allerdings auch Grenzen verletzen. Eine hatte Antonia selbst erkannt: das Handy ihres Mannes auszuspionieren. Eine andere Grenze betraf das Berufliche. Von ihrem Mann zu verlangen, den Job zu wechseln, die Assistentin zu entlassen oder zu versetzen: Das wäre zu weit gegangen. Die privaten Gespräche ihres Mannes mit der Assistentin verletzten aber auch Antonias persönliche Schwelle: Sie wollte nicht, dass die Frau tiefere Einsichten in ihr Eheleben bekam. Verständlicherweise, denn Diskretion ist ein wichtiger Aspekt von Beziehungen.

Eifersucht darf sein

Zu ihrer Erleichterung konnte ihr Mann das nachvollziehen. Ihr war wichtig, von ihm die Absolution zu bekommen. Und er verstand auch, dass sie sich mehr Aufmerksamkeit von ihm wünschte. Die beiden verabredeten, dass Antonia sich jederzeit bei ihm melden konnte, per Textnachricht, da Telefonieren für ihren Mann im Berufsalltag oft schwierig war. Er versicherte, dass es ihm wichtig war, sich zurückzumelden. Nicht unbedingt sofort, aber im passenden Moment.

Antonia schrieb mir ein paar Wochen nach unserem letzten Gespräch. Eifersucht war in ihrer Ehe ein normales Gesprächsthema geworden. Sie war weiterhin manchmal eifersüchtig, wenn ihr Mann der Kollegin Zeit und Aufmerksamkeit schenkte – doch wie sich herausstellte, war auch er manchmal eifersüchtig: darauf, dass Antonia viel mehr Zeit mit den Kindern verbrachte. Sie konnten das beide akzeptieren: Eifersucht darf sein. Und es hilft, sich gemeinsam damit zu beschäftigen.

* Name geändert

Jetzt sind Sie dran:

Notieren Sie drei Situationen, in denen Sie zuletzt eifersüchtig waren. Es dürfen Situationen außerhalb Ihrer Partnerschaft sein, zum Beispiel mit Freunden, Kindern, Kolleginnen und Kollegen. Sprechen Sie mit Ihrem Partner oder einer vertrauten Person darüber – nicht um die Eifersucht loszuwerden, sondern um sie besser zu verstehen.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.