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Freistetters Formelwelt: Mit Mathematik zum verständlichen Text

Mathematik ist nicht für alle verständlich. Doch sie kann dabei helfen, einen Text möglichst gut lesbar zu gestalten.
Hohe Stapel von weißen Papierblättern ragen in den Himmel, der mit weißen Wolken und fliegenden Vögeln bedeckt ist. Die Szene vermittelt ein Gefühl von Überfluss und Büroarbeit. Es gibt keine Menschen oder Text im Bild.
Wie schreibt man einen guten Text?
Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.

Die offizielle Beschreibung meiner Kolumne wurde auf diese Weise formuliert: »Mathematik hat die Welt fassbar gemacht: Erst mit dem Werkzeug der Formeln gelang es der Physik, den Kosmos berechenbar zu machen. Wieso? Das zeigt unser Kolumnist, der Astronom und Wissenschaftsblogger Florian Freistetter, in seiner immer sonntags erscheinenden Kolumne. Mit dabei: die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert.«

Ist es Ihnen schwergefallen, diese Sätze zu lesen? Vermutlich nicht – aber wenn es nach dieser Formel geht, dann war das eben ein »schwerer« Text:

Dabei handelt es sich um den »Flesch-Reading-Ease«, einen Lesbarkeitsindex, den der österreichisch-amerikanische Autor Rudolf Flesch veröffentlicht hat. Flesch hat sich nach seiner Emigration in die USA in den 1930er-Jahren intensiv mit der Vermittlung von Sprache beschäftigt. Er kritisierte die damals vorherrschende Ganzwortmethode, mit der Kindern das Lesen beigebracht werden sollte. Anstatt Wörter visuell in die einzelnen Lautgruppen zu unterteilen, sollten sie als Ganzes erkannt werden. Flesch hat Bücher verfasst, die sich mit Sprache, leichter Sprache und ähnlichen Themen beschäftigen, und außerdem eine Methode entwickelt, mit der sich Texte gemäß ihrer Lesbarkeit klassifizieren lassen. Seine ursprüngliche Formel hat natürlich nur mit englischer Sprache funktioniert; sie wurde später jedoch auch auf deutsche Texte angepasst.

Mit ASL wird die durchschnittliche Länge eines Satzes (average sentence length) angegeben und ASW bezeichnet die durchschnittliche Silbenanzahl pro Wort. Das Ergebnis ist eine Zahl, die angeben soll, wie gut ein Text zu lesen ist. Liegt der FRE zwischen 90 und 100, dann handelt es sich um einfach lesbare Texte; Werte zwischen 0 und 30 signalisieren dagegen einen sehr schwer zu lesenden Text.

Welcher Text für welche Jahrgangsstufe?

Die Beschreibung meiner Kolumne besteht aus vier Sätzen, mit 61 Wörtern, 125 Silben und 455 Zeichen. Ein durchschnittlicher Satz ist demnach 15,25 Worte lang und jedes Wort hat im Durchschnitt 2,05 Silben. Mit der Formel ergibt das einen FRE von 44,8 – das heißt einen schwer lesbaren Text. Neben dem FRE gibt es aber auch noch andere Lesbarkeitsindizes, die weitere Einblicke in die Struktur eines Textes liefern. Die »Wiener Sachtextformel« berücksichtigt zum Beispiel nicht nur die Länge von Sätzen und Wörtern, sondern auch, wie viele Wörter mehr als drei Silben (oder nur eine Silbe) haben. Sie wurde explizit entwickelt, um die Schulstufe zu bestimmen, für die ein Text geeignet ist. Die Beschreibung meiner Kolumne erreicht hier einen Wert von zehn, ist also ein mittelschwerer Text, der für die zehnte Schulstufe geeignet ist.

Sehr einfach zu berechnen ist der Lesbarkeitsindex LIX des schwedischen Forschers Carl-Hugo Björnsson. Dafür addiert man einfach die durchschnittliche Satzlänge und den prozentualen Anteil der Worte mit mehr als sechs Buchstaben. In meinem Beispieltext trifft das auf 40,98 Prozent der Wörter zu und mit der Durchschnittslänge eines Satzes (15,25 Worte) ergibt das einen LIX von 56,23. Das macht ihn laut Björnsson zu einem mittelschweren Text, wie man ihn in der Sachliteratur zu erwarten hat. Kinder- und Jugendbücher sollten einen LIX haben, der kleiner als 40 ist – und ein Text mit mehr als 60 sollte nur in wissenschaftlicher Fachliteratur vorkommen.

Die Wissenschaft kennt mehrere Hundert Verfahren, um die Lesbarkeit mathematisch einzuschätzen. Die meisten davon basieren auf Wort- und Satzlängen, und es wird durchaus diskutiert, ob das die besten Kriterien sind. Diese Kolumne hier hat auf jeden Fall einen FRE von 59, ist also schwer zu lesen. Der LIX liegt dagegen bei 46, was eher auf leicht lesbare Texte zutrifft. In jedem Fall aber war die Kolumne zumindest interessant zu schreiben.

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