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In Bestform: Wie vermeide ich Muskelkater?

»Ein gewisser Stimulus ist notwendig«, sagt die Sportwissenschaftlerin Barbara Munz. Aber Schmerz müsse nicht sein. Sie erklärt, woher Muskelkater kommt und wie er zu lindern ist.
In der Gruppe macht das Training mehr Spaß

Eben noch hat man ordentlich Sport gemacht und sich großartig gefühlt, wenig später tut alles weh. Diagnose: Muskelkater. Wo kommt er her? Wie lässt sich der Schmerz das nächste Mal vermeiden? Und was ist zu tun, wenn es einen doch mal erwischt? Die Sportwissenschaftlerin Barbara Munz vom Universitätsklinikum Tübingen weiß Bescheid.

»Spektrum.de«: Oft ist zu hören, eine Übersäuerung des Muskels durch Milchsäure sei schuld am Muskelkater. Stimmt das?

Barbara Munz: Nein, denn Milchsäure oder Laktat hat in unserem Körper nur eine sehr kurze Lebensdauer. Selbst wenn beim Sport viel Laktat entsteht, ist es nach etwa einer Stunde bereits abgebaut. Der Muskelkater kommt hingegen erst am nächsten oder übernächsten Tag. Ein weiterer Punkt, der die Hypothese unwahrscheinlich macht: Wir bekommen meist nicht nach dem Sport Muskelkater, bei dem viel Laktat entsteht – etwa Radeln oder Laufen –, sondern vor allem bei ungewohnten Aktivitäten oder solchen, die viel Kraft erfordern. Zum Beispiel, wenn man den ganzen Tag den Garten umgegraben hat oder unerwartet viel bergab gewandert ist.

Barbara Munz | Die Biochemikerin leitet das Molekular- und Zellbiologische Muskellabor am Universitätsklinikum Tübingen.

Was also ist der Grund für den Schmerz?

Es ist zwar noch nicht 100-prozentig bewiesen, mittlerweile gehen Forscher aber davon aus, dass sich kleine Risse in den Sarkomeren bilden. Das sind jene Bereiche des Muskels, die sich bei einer Belastung zusammenziehen. Die winzigen Verletzungen sind im Muskelgewebe unter einem Elektronenmikroskop sogar sichtbar.

Die Risse entstehen unmittelbar bei der Belastung. Warum tut es erst später weh?

Das liegt daran, dass Nervenzellen die Schäden in der Muskelzelle zunächst nicht wahrnehmen. Stattdessen kommt es zu einer Entzündung: Der Körper baut Proteine ab, Immunzellen werden angelockt, und es lagert sich Flüssigkeit ein. Eine kleine Schwellung ist die Folge. Dasselbe passiert, wenn man sich in den Finger schneidet: Der Schnitt selbst tut nicht weh, aber die Stelle wird nach ein bis zwei Tagen heiß und schwillt an. Dieses Zeitfenster passt genau zum Muskelkater.

Verschnaufpause

Der Ausdruck »Muskelkater« stammt nicht etwa vom flauschigen Felltiger, sondern dem griechischen »katarrhein«, was so viel bedeutet wie »herabfließen«. Das kommt daher, dass Schleim und andere unangenehme Körperflüssigkeiten an uns herabfließen und nach früherer Überzeugung für Krankheiten verantwortlich waren. Daraus leitet sich auch der Katarrh ab, ein vor allem in Süddeutschland gebräuchlicher Begriff für Erkältung. Muskelkater ist also eigentlich eine »Muskelerkältung«.

Warum passiert das nicht nach jedem Training?

Wenn wir immer denselben Sport ausüben, stellt sich unsere Muskulatur darauf ein: Gehen oder rennen wir etwa oft bergab, bilden sich mehr Sarkomere in Längsrichtung. Die Sarkomerstränge werden länger, kräftiger und reißen nicht mehr so leicht. Es sei denn, man übertreibt es mit dem Training.

Wie lässt sich Muskelkater vermeiden? Wie viel sollten Sportler trinken? Diesen und weiteren Fragen widmet sich die Biochemikerin Annika Röcker in ihrer Kolumne »In Bestform«. Mit Expertinnen und Experten aus der Sportmedizin diskutiert sie, was beim Sport im Körper vorgeht und wie ein gesundes Training aussieht.

Wie sollten Sportler trainieren, um niemals Muskelkater zu bekommen?

Wer sich Schmerzen ersparen will, sollte langsam anfangen. Außerdem ist es ratsam, die Intensität behutsam zu steigern, besonders beim Kraftsport. Aber ich frage mich: Ist das überhaupt wünschenswert? Schließlich ist Muskelkater nichts Dramatisches – die Muskulatur regeneriert sich ja wieder, und es sind keine Langzeitschäden zu erwarten. Ein gewisser Stimulus ist eben notwendig, um einen Anpassungseffekt zu erzielen. Das kann wehtun, muss es aber nicht.

Manche Sportler behaupten, leichtes Training würde Muskelkater vertreiben. Was sagen Sie: weitermachen oder pausieren?

Durch eine leichte Belastung geht der Muskelkater nicht weg. Wichtig ist, nicht zu intensiv zu trainieren, sonst entstehen noch mehr Läsionen. Außerdem sind Sportlerinnen und Sportler in dieser Phase vermutlich weniger leistungsfähig – das erhöht das Risiko für einen Sturz oder eine ernsthafte Verletzung. Besser ist es, den Muskel erst mal regenerieren zu lassen. Spätestens nach 48 Stunden klingen die Schmerzen ab.

Was hilft, wenn nicht mehr Sport?

Wenig. Leichte Bewegung, Massage oder Arbeit mit einer Faszienrolle können den Schmerz etwas lindern. Die Regeneration wird dadurch aber nur unwesentlich beschleunigt.

Von Sportler zu Sportler

»Ich schwimme sehr gerne«, sagt Barbara Munz, »früher habe ich das auch als Leistungssport betrieben. Ab und an jogge ich, aber mit deutlich weniger Freude. Prinzipiell bin ich sehr gerne in der Natur unterwegs. Momentan habe ich tatsächlich etwas Muskelkater, weil ich am Wochenende mit meinem Mann im Pfälzerwald gewandert bin. Besonders das steile Bergab hat hohes Muskelkaterpotenzial: Die Beinmuskulatur wird dabei gleichzeitig gedehnt und kontrahiert, es handelt sich um eine so genannte exzentrische Belastung.«

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