Tierversuche: Wissenschaft unter der Knute der Politik
Üblicherweise verläuft das Leben eines Wissenschaftlers innerhalb der Grenzen der Normalität. Doch meines erschien mir in den letzten fast zwei Jahrzehnten so surreal, dass es eher einem Traum glich, aus dem man aufzuwachen erwartet. Dieser Albtraum ist nun hoffentlich endgültig Vergangenheit. Anfang Februar bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen. Demnach war die lang anhaltende Verweigerung der Genehmigung meiner Versuche an Makaken im Bereich der Hirnforschung durch die Bremer Gesundheitsbehörde nicht rechtmäßig. Was ich erlebt habe, lehrt einiges darüber, wie Öffentlichkeit und Politiker mitunter mit Wissenschaftlern und deren Unterstützern umspringen und dass man sich dagegen wehren kann und muss.
Der Nervenkrieg begann 1997, als ich einen Ruf an die Universität Bremen annahm. Ich bin Neurowissenschaftler und erforsche unter anderem an Makaken neuronale Mechanismen der visuellen Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Noch bevor ich die Stelle antrat, brachten Tierversuchsgegner in der Stadtmitte Bremens ein Plakat an, das mich als Affenfolterer bezeichnete und dazu aufrief, mich aufzusuchen oder anzurufen. Zu diesem Zweck waren meine Dienst- und Privatadresse einschließlich der Telefonnummern angegeben.
Dies war der Beginn einer äußerst aggressiven und verleumderischen Kampagne – bis hin zu Morddrohungen, auch gegen meine Frau und unseren damals dreijährigen Sohn. Tierschutzaktivisten zerstörten ein Labor der Universität, und einmal wurde ich von einem aufgeputschten Mob gejagt – weshalb ich in der Folge für lange Zeit unter Polizeischutz stand. Parallel zu diesen Ereignissen war die Presse dazu übergegangen, ganz überwiegend die extremen Positionen der Tierversuchsgegner darzustellen und zu übernehmen.
Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten: Die Universität verwarf die fertigen Umbaupläne für die Unterbringung meiner Arbeitsgruppe und wies uns stattdessen Räume in einem Gebäude zu, das besser zu sichern, aber für unsere Forschung zunächst ungeeignet war. Damit war an eine Fortführung laufender Projekte erst einmal nicht mehr zu denken. Meine Zeit und Energie musste ich weit gehend in die erneute Planung der notwendigen Umbauten und in die Auseinandersetzung mit den anhaltenden Hetzkampagnen investieren.
Vor gut zehn Jahren besserte sich die Lage ein wenig, nachdem sich die überregionale Presse des Themas angenommen und es in ausgewogenerer Weise zu diskutieren begonnen hatte. Infolgedessen wurden auch die Gewaltandrohungen vor Ort weniger. Aber der nächste Gegner lauerte schon im Hintergrund: die Politik.
Vor der Bremer Bürgerschaftswahl 2007 versprachen Kandidaten maßgeblicher Parteien, sie würden im Fall ihrer Wahl die Forschung meiner Arbeitsgruppe beenden. Und tatsächlich verfolgten die Verantwortlichen im neuen Senat dieses Ziel: Sie verweigerten die erneute Bewilligung meiner neurobiologischen Studien mit Makaken, womit sie sich über Bundesrecht und das zu Grunde liegende Grundrecht der Freiheit von Forschung und Lehre hinwegsetzten.
Vermutlich um zu begründen, warum dieselbe Art von Experiment zur selben Art von wissenschaftlicher Fragestellung wie bisher jetzt plötzlich dieselben Gesetzesanforderungen nicht mehr erfüllen sollte, wählte die Behörde einen ungewöhnlich kreativen Weg, die Rechtsvorschriften zu interpretieren – einschließlich der Auffassung, dass diese der öffentlichen Meinung untergeordnet werden sollten.
Um die Ablehnung meiner Anträge auf Tierversuche zu begründen, ließ die Behörde außerdem eine Reihe von Gutachten zum Belastungsgrad der Makaken erstellen. Aus diesen wurde dann der maximal mögliche Belastungsgrad herausgelesen, vergleichbar dem eines Tiers, das zum Beispiel an einer langen, schweren Krankheit verendet.
Diese Gleichsetzung war offensichtlich absurd. Unsere neurobiologischen Untersuchungen gelingen nur, wenn wir mit den einzelnen Versuchstieren über Jahre hinweg arbeiten und ihnen unter anderem beibringen können, komplexe Verhaltensaufgaben zu lösen. Das ist nur möglich, wenn die Makaken körperlich und hinsichtlich ihres Verhaltens völlig gesund sind. Im Rahmen des Gerichtsverfahrens wurde jedoch deutlich, dass die wenigen Stellungnahmen unabhängiger Fachleute in der Abwägung unberücksichtigt geblieben sind. Die stattdessen verwendeten Gutachten stammten ganz überwiegend von Gegnern, die bekanntermaßen Tierversuche seit Jahren ablehnten und hier über den Belastungsgrad von Tieren urteilten, die sie niemals selbst gesehen hatten.
Da es für das Verbot meiner Forschung weder eine biologisch oder tiermedizinisch tragfähige Begründung noch eine rechtliche Grundlage gab, ging ich mit Unterstützung der Universität 2008 vor Gericht.
Letztlich erhielten wir in allen Instanzen Recht: Die erste wie auch die folgenden Instanzen verwiesen auf die Unrechtmäßigkeit und Gesetzeswidrigkeit der offensichtlich politisch motivierten Verwaltungsentscheidung. Nichtsdestotrotz weigerte sich die Behörde, die Urteile zu akzeptieren, und trieb das Verfahren bis vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, vermutlich in der Hoffnung, dass ich zwischenzeitlich aufgeben würde. Meiner Ansicht nach zeigt sich hier ein beängstigender Mangel an Respekt vor dem Gesetz und den Grundrechten, der bereits totalitäre Züge aufweist.
Der Urteilsspruch von Leipzig hat mein Vertrauen in unser Rechtssystem und die im deutschen Grundgesetz verankerte Gewaltenteilung in Teilen wiederhergestellt. Nichts dergleichen lässt sich über die Politik sagen. Nach wie vor gibt es keine Anzeichen dafür, dass Behörden oder Politiker die Unvertretbarkeit ihrer Vorgehensweise einsehen oder aus den Vorgängen gelernt haben und sich um eine Wiedergutmachung des angerichteten Schadens bemühen.
Obwohl die moderne Gesellschaft zunehmend auf hoch spezialisierte Wissenschaft angewiesen ist, zeigen meine Erfahrungen und ähnliche Fälle von Kollegen, dass wichtige Gebiete mit einer relativ kleinen Anzahl beteiligter Forscher sehr leicht kurzlebigen opportunistischen Zielen von Politikern und Medienvertretern zum Opfer fallen können. Darin besteht eine bislang unterschätzte Gefahr: Von der rücksichtslosen bis brutalen Vorgehensweise dieser Gegner einmal abgesehen, bedrohen solche Aktionen essenzielle mittel- und langfristige Ziele der Gesellschaft. Dem sollte sie entschieden entgegentreten.
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