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Eine Prise Chemie: Wie Sie sich den Genuss am Essen nicht verderben lassen

Zusatzstoffe, Schimmelpilze und verbrannte Plätzchen: Nicht jedes »Gift« im Essen ist gefährlich, auch wenn vermeintliche Experten fast täglich vor neuen Substanzen warnen. Wovor sollte man sich also schützen – und wo hilft Gelassenheit?
Ein festlich gedeckter Tisch mit einer Vielzahl von Speisen. In der Mitte befindet sich eine Schale mit geröstetem Gemüse, darunter Rote Bete, Karotten und Rosenkohl, garniert mit Granatapfelkernen. Links sind gebratene Kartoffeln und Kichererbsen zu sehen. Rechts liegt ein Holzbrett mit belegten Brotscheiben, dekoriert mit Avocado und Marmelade. Im Hintergrund sind weihnachtliche Dekorationen wie Sterne und Tannenzweige verteilt. Ein Schokoladenkuchen mit frischen Beeren und Donuts ergänzt das Arrangement.
Leckereien, wohin das Auge reicht: Es gibt viele Anlässe, Essen von ganzem Herzen zu genießen.

Unser Essen steckt voller chemischer Details: Leckere, wohltuende und auch schädliche Inhaltsstoffe kommen zusammen und vollführen faszinierende Reaktionen. In der Kolumne »Eine Prise Chemie« klären wir, wie viele Bananen ein zuckerfreier Kuchen verträgt, warum abgestandener Kaffee so übel schmeckt oder wie man bäckt, ohne Acrylamid herzustellen.

Essen könnte so einfach sein: sich an den Tisch setzen und das Weihnachtsmenü mit allen Sinnen genießen ohne Hintergedanken – von der cremigen Suppe und dem knackigen Salat über den opulenten Hauptgang bis hin zu einem fabelhaften Nachtisch. Aus wissenschaftlicher Sicht spricht nichts dagegen – vorausgesetzt, man hat keine Allergien oder Unverträglichkeiten. Doch wir leben im 21. Jahrhundert, und beinahe jeder selbst ernannte Ernährungs-Influencer warnt in den sozialen Medien vor anderen »gefährlichen« Stoffen, die in unserer Nahrung stecken und vermeintlich krank machen. Damit es mit dem Genuss trotzdem klappt, lohnt es sich also, zu schauen, was wirklich gefährlich ist und was nicht.

Essen besteht aus einem unvorstellbar vielfältigen Mix an Inhaltsstoffen – zum Glück! Denn erst im Zusammenspiel entfalten Geschmacksstoffe (die wir auf der Zunge wahrnehmen), Aromen (die wir über den Nasen-Rachen-Raum aufnehmen) und Substanzen, die das Mundgefühl beeinflussen, ihre volle Wirkung. Hinzu kommen noch andere bioaktive Stoffe, die auf unterschiedliche Weise auf den Körper wirken. Beispielsweise im Kaffee: Erst, wenn man die Bohnen röstet, entstehen die charakteristisch duftenden Röstaromen. Ohne sie würde der Kaffee nicht nach Kaffee schmecken.

Es bilden sich dabei aber auch Moleküle, die theoretisch schädlich sind und teilweise auch Krebs auslösen können, wie Furan oder polyzyklische Aromaten. Studien zeigen dennoch keinen Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und dem Krebsrisiko. Gleichzeitig enthält das Getränk antioxidative Stoffe wie etwa Chlorogensäure, die sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System auswirken. Schadet Kaffee also oder nützt er? Etliche Studien haben diese Frage untersucht, und wahrscheinlich wird sie sich niemals abschließend und allgemein für alle Menschen beantworten lassen. Dasselbe gilt für viele andere Lebensmittel: Die meisten tragen sowohl gesundheitsförderliche als auch -schädigende Stoffe in sich.

E-Nummern sind keine Risikostoffe

Trotz dieser komplexen Zusammenhänge – oder vielleicht gerade deshalb – nehmen angebliche Ernährungsspezialisten und auch Lebensmittelhersteller oft einzelne Stoffe in den Fokus. Um dann vollmundig vor ihnen zu warnen oder damit zu werben, dass man auf sie verzichte. Ganz vorn mit dabei sind Zusatzstoffe.

In der EU sind derzeit rund 320 Zusatzstoffe für Lebensmittel zugelassen. Das sind zum Beispiel Farbstoffe, Emulgatoren, Antioxidationsmittel, Süßungsmittel und andere. Alle zugelassenen Zusatzstoffe bilden eine Positivliste: Das heißt, ausschließlich diese sind in Lebensmitteln erlaubt; alle anderen sind automatisch verboten. Jede der erlaubten Substanzen trägt zur eindeutigen Identifikation eine E-Nummer.

Die E-Nummer bedeutet dabei nicht, dass der Stoff »künstlich« ist: Ein guter Teil der zugelassenen Zusatzstoffe sind Substanzen, die bereits in Lebensmitteln vorkommen oder aus ihnen hergestellt werden. Bekannte Beispiele sind Vitamin C oder Lecithin. Daneben gibt es auch Zusatzstoffe, die künstlich hergestellt werden und in der Natur nicht vorkommen.

Bevor ein Stoff zugelassen wird, muss der Hersteller einen Antrag bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) stellen. Ein Zusatzstoff muss zum einen »technisch notwendig sein« – also dafür sorgen, dass das Lebensmittel in seiner Farbe, Haltbarkeit, Konsistenz oder im Geschmack erhalten bleibt. Für die Zulassung muss der Hersteller umfangreiche chemische Daten vorlegen und vorgeschriebene toxikologische Tests durchführen. Die EFSA prüft dann, ob der Stoff zugelassen wird, für welche Lebensmittel und in welchen Mengen. Das dauert oft mehrere Jahre. Bereits zugelassene Stoffe werden in regelmäßigen Abständen überprüft und gegebenenfalls neu bewertet.

Eine E-Nummer ist also kein Hinweis auf ein Risiko. Im Gegenteil: Sie bedeutet, dass der Stoff ausgiebig getestet und sicher ist.

Charakteristische Kaffee-Bestandteile | Koffein (links) wirkt anregend, Chlorogensäure hat antioxidative Eigenschaften. Doch dies sind nur zwei von vielen Substanzen im Kaffee, die auf den Körper wirken.

Hinzu kommt: Nicht jeder Zusatzstoff darf in jedem Lebensmittel und in beliebiger Menge vorkommen. Es ist streng geregelt, für welche Lebensmittel und zu welchem Zweck ein Stoff zugegeben werden darf. Für manche Stoffe gelten Höchstgrenzen, die auf Basis von Studien festgelegt werden; in manchen Lebensmitteln sind wiederum gar keine Zusatzstoffe erlaubt oder bestimmte Klassen von Zusatzstoffen verboten. So darf ein Joghurt zum Beispiel keine Konservierungsstoffe enthalten.

Wenn Hersteller mit dem Label »frei von Zusatzstoffen« werben, dann ist das also kein Hinweis auf eine besonders gewissenhafte Herstellung – sondern eher ein Spiel mit der Unwissenheit der Verbraucher. Nach der Logik: Wenn jemand ausdrücklich schreibt, dass eine Substanz nicht enthalten ist, dann muss sie wahrscheinlich schlecht sein – oder?

Es darf auch mal etwas schiefgehen

Manche Moleküle sind nicht von vornherein im Essen, sondern bilden sich erst, wenn man eine Speise zubereitet, also etwas kocht, brät, dünstet oder backt. Dazu zählen erwünschte Aromen, aber auch potenzielle Schadstoffe. In dieser Kolumne habe ich schon von Acrylamid in Plätzchen geschrieben und von Chlorpropanolen im Toast; mich fasziniert, wie sich solche Substanzen bilden, wie man ihre Entstehung beeinflussen kann und ab wann das Ganze gefährlich wird.

Doch wie so oft, gilt auch hier: Die Dosis macht das Gift. Ein Stoff wirkt erst dann schädlich, wenn zu viel davon in den Körper gelangt. Dass wir alle möglichen Substanzen aus unserer Umwelt aufnehmen, lässt sich gar nicht vermeiden: Wir atmen, ziehen Kleidung an, nehmen Materialien in die Hand, essen und trinken. Und trotzdem (über-)leben wir.

Acrylamidbildung | Aus der Aminosäure Asparagin und einem reduzierenden Zucker, beispielsweise Glukose, kann sich per Maillard-Reaktion bei hohen Temperaturen Acrylamid bilden.

Gegen eine Überdosis an potenziell schädlichen Substanzen im Essen lässt sich Verschiedenes unternehmen. Zum Ersten ist es grundsätzlich eine schlechte Idee, sich nur von einer Sorte an Lebensmitteln zu ernähren. Beispiel Chlorpropanole: Erwachsene verzehren in der Regel gar nicht so viele Speisen, die Chlorpropanole enthalten, dass sie einen Schaden davontragen würden. Man darf also ruhigen Gewissens gelegentlich Toast oder Pommes essen (und genießen!). Bei Kindern können bereits kleinere Mengen Schaden anrichten, weshalb Eltern etwas stärker darauf achten sollten, dass sie diese Lebensmittel nicht allzu oft und in zu großer Menge essen. Im Grunde gilt hier wie beim vielem: Es ist wichtig, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten.

Zum Zweiten ist man gut beraten, bei der Zubereitung aufzupassen. Die Acrylamid-Bildung beginnt langsam bei 120 Grad Celsius, läuft aber bevorzugt zwischen 160 und 180 Grad Celsius ab. Wer sein Essen beim Braten, Toasten und Backen nicht zu stark erhitzt und vor allem nicht anbrennen lässt, hat also schon viel gewonnen.

Schimmelpilze und Bakterien sind wirklich gefährlich

Und zum Dritten: Finger weg von verdorbenen Lebensmitteln. In manchen Fällen ist eine einzige Substanz nämlich doch ausschlaggebend. Und zwar dann, wenn ein Stoff akut giftig ist oder schon in geringen Dosen schwerwiegende, langfristige Schäden verursachen kann. Zu solchen Stoffen zählen etwa Schimmelpilzgifte, sogenannte Mykotoxine. Jeder kennt sie: Schimmelpilze sind in unserer Umwelt allgegenwärtig. Lagert man Lebensmittel zu lang oder ungünstig – egal ob Brot, Wurst, Käse, Obst, Gemüse oder andere – , können sie sich dort ansiedeln, wachsen und Mykotoxine bilden. Speisen, auf denen Schimmel zu sehen ist, sollte man deshalb nicht mehr essen.

Zu Hause passiert das meist bei Brot, Joghurt oder Käse. Schimmelpilze können aber auch während der Verarbeitung ins Essen gelangen. Vor allem in Haferflocken, Nüssen, Pistazien oder getrockneten Früchten können sich Aflatoxine finden, eine spezielle Form der Mykotoxine. Sie gehören zu den stärksten in der Natur vorkommenden Giften, können Krebs erzeugen und in hohen Dosen direkt Nieren oder Leber schädigen.

Aflatoxin B1 | Aflatoxin B1 ist ein Schimmelpilzgift, das unter anderem krebserregend wirkt. Wird es in größeren Mengen in Lebensmitteln gefunden, wurden die Zutaten möglicherweise nicht einwandfrei gelagert oder verarbeitet.

Weil Pilzsporen nun mal zur Natur gehören, lassen sich Schimmelpilzgifte in der Nahrung nicht komplett vermeiden. Um die Sicherheit der Lebensmittel zu gewährleisten, gelten daher Höchstgehalte für Aflatoxine in den am häufigsten betroffenen Lebensmitteln, die regelmäßig überprüft werden. Unter der Berücksichtigung üblicher Verzehrmengen kam eine Expertenkommission der EFSA 2020 trotzdem zu dem Schluss, dass Aflatoxine in Lebensmitteln ein Problem für die Bevölkerung darstellen, das weiter beobachtet werden muss. Heißt das, dass man jetzt Nüsse meiden sollte? Nein. Es zeigt vielmehr, dass wir lernen müssen, mit Schadstoffen zu leben und mit ihnen umzugehen. Und auch hier hilft eine abwechslungsreiche Ernährung.

Auch andere Mikroorganismen erzeugen Substanzen, die für den Menschen giftig sind. Manch einer erinnert sich vielleicht noch an die EHEC-Epidemie aus dem Jahr 2011: Fast 4000 Menschen erkrankten in Deutschland an blutigem Durchfall, 53 starben. Verursacher waren Bakterien, die vermutlich über Bockshornkleesamen in Sprossenmischungen gelangten (ganz aufklären konnten die Behörden den Vorfall nie). Aber auch Salmonellen, die in rohem Fleisch und Eiern vorkommen können, oder Listerien, die manchmal in Rohmilch enthalten sind, können Menschen krank machen oder gar umbringen. Um solche Bakterien abzutöten, hilft es, auf eine gute Küchenhygiene zu achten und die Lebensmittel vor dem Essen durchzugaren.

Wenn das eine oder andere Plätzchen dagegen mal etwas krosser geraten ist, hilft ein wenig Gelassenheit. Vermutlich nimmt man mit einem tiefen Atemzug an einer viel befahrenen Straße weit mehr potenziell schädliche Stoffe auf als durch gelegentlichen Weihnachtskeksgenuss. Wäre doch schade, wenn man sich die Feiertage davon komplett verderben ließe. In diesem Sinne: Genießen Sie Ihr Weihnachtsmenü!

  • Quellen

Aquilina, G. et al., EFSA Journal 10.2903/j.efsa.2012.2760, 2021

Schrenk, D. et al., EFSA Journal 10.2903/j.efsa.2020.6040, 2020

Silva da Costa, D. et al., International Journal of Environmental Research and Public Health 10.3390/ijerph20085586, 2023

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