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Futur III: Die galaktische Prüfung

Eine Kurzgeschichte von Kevin Lauderdale
Wartende Menschen

»Willkommen in der Datenverarbeitung der Galaktischen Konföderation. Bitte nennen Sie Ihren Namen.«

Das Wesen hinter dem Schalter – es gab hier tatsächlich Schalter, sogar so tief im Herzen der Galaxis – sah aus wie ein riesiger grüner Bär mit schwarzen Flossen auf dem Rücken. Marta nahm an, dass es eine Sie war. Der Übersetzer erzeugte jedenfalls eine weibliche Stimme.

»Botschafterin Marta Rilla-Chen«, antwortete Marta klar und deutlich. »Vom diplomatischen Korps der Erde.« Sie sprach hier vor, um der Konföderation die Akkreditierungsunterlagen vorzulegen. Aber die Zeremonie fand nicht etwa in einem Thronsaal statt oder in einer feierlich geschmückten Halle. Marta stand in einer Art Amt; die zahlreichen Schalter und flimmernden Lichter erinnerten sie an die Neonröhren einer Straßenverkehrsbehörde – wäre da nicht der verwirbelte Kern der Galaxis hinter den Fenstern gewesen und die unterschiedlichen Spezies von Außerirdischen rundum. Trotzdem fragte sie sich unwillkürlich, ob nicht einige von diesen anstanden, um Strafzettel zu bezahlen.

»Formular, bitte«, brummte die Bärin gelangweilt, und Marta überreichte die Kunststoffblätter. Die Bärin überflog das Formular. Sie stempelte hier etwas und markierte dort etwas mit einem Laserstift. Auf einmal stutzte sie, sah auf und sagte mit deutlicher Missbilligung: »Sie haben Punkt 27 nicht ausgefüllt.« Das hatte Marta befürchtet. »Richtig«, antwortete sie, »ich wusste nicht, was ich eintragen sollte. Was bedeutet Gesellschaftskode?« Die Bärin seufzte. »Jede Mitgliedsspezies hat eine Nummer und einen eigenen Namen.« Marta fand das Brummen der rauen Stimme eigentlich ganz sympathisch. Die Bärin hatte diese Rede wohl schon an die tausend Mal gehalten – so viele Mitgliedswelten umfasste die Konföderation. »Sie müssen eine Bezeichnung angeben, mit der man Ihresgleichen identifizieren kann.« Marta machte ein ratloses Gesicht.

Die Bärin sprach: »Wie ich sehe, müssen wir das ganze Zarfasnop durchgehen. Versuchen wir es kurz zu machen. Hier steht, Ihr Planet heißt Erde. Hat das eine spezielle Bedeutung?« »Ähm, Land, Boden, manchmal auch Dreck.« »Oh ja. Ich habe von Ihrem Planeten gehört. Er ist ein Ort voll Wasser, aber Ihr gabt ihm einen Namen, der Schmutz bedeutet. Wirklich sehr sinnvoll. Ich schlage vor, Ihr nennt euch Die-Irren. Das ist wenigstens kurz. Die Raljevaniten nennen sich Wir-die-wir-die-gefrorene-Nahrung-erfunden-haben-die-süß-ist-aber-Kopfweh-verursacht. Darauf ist ihr Planet stolz, das lassen sie sich nicht ausreden. Wenn Sie von Melton II stammen, gehören Sie zu den so genannten Überlebenden. Das ist hübsch. Und auch kurz. Also: Die-Irren, einverstanden?« Der Laserstift senkte sich auf das Formular.

Den Erdbewohnern würde es nicht gefallen, in der Galaxis als Die-Irren bekannt zu sein

»Halt!«, schrie Marta. Die-Irren? Sie hörte schon, wie ihr Chef explodierte. Vom Chef einmal ganz abgesehen – den acht Milliarden Erdbewohnern würde es nicht gefallen, in der ganzen Galaxis als Die-Irren bekannt zu sein. »Probieren wir etwas anderes. Ähm, wir nennen uns auch Terraner.« »Was bedeutet das?« »Leute, die auf Terra leben ... Das bedeutet einfach Land.« »Und das wiederum Dreck. Die Dreckigen?« Marta schüttelte den Kopf. »Oh! Natürlich! Wir nennen uns Leute.« Warum war ihr das nicht gleich eingefallen? Das war besser. Das war halbwegs respektabel.

Die Bärin schnaubte. »So nennen sich alle. Meine Leute nennen sich Leute. Auch der Kerl dort drüben, der von Aquatox IV stammt und seinen Kopf in einer Glaskugel voll Wasser trägt, nennt seinesgleichen Leute. Sie müssen sich schon mehr Mühe geben.« Marta grübelte. »Also gut. Wir sind ... Homo sapiens. Der weise Mann. Und Frau. Genau genommen sind wir sogar Homo sapiens sapiens. Was halten Sie von Die-wirklich-weisen-Leute?« »Hat sich Ihr Planet nicht fast mit Nuklearwaffen vernichtet ...« »Aber nur fast.« »... und sich dann fast durch Überhitzen zerstört?« »Aber nur fast.« Dennoch konnte Marta die Bärin verstehen. Letztlich hatten die Menschen die Atomkraft gebändigt, die planetare Ökologie wiederhergestellt und die Sterne erreicht. Jetzt traten sie sogar einer Konföderation außerirdischer Raumfahrer bei. Wir sind weit gekommen, dachte Marta, aber vielleicht wäre es ein bisschen übertrieben, uns wirklich weise zu nennen. »Außerdem«, sagte die Bärin, »der Name Die-wirklich-weisen-Leute ist schon vergeben.« »An wen?«, fragte Marta empört. Wer konnte nur so eingebildet sein!

Die Bärin knurrte böse – oder gluckste sie spöttisch? »Meine Leute.« Marta beherrschte sich mit Mühe. »Also gut ... Ah! Die-Menschen!« »Was heißt das?« Marta seufzte. »Leute.« »Eure Spezies hat ein echtes Talent für Denken im Kreis. Wollen Sie nicht doch wieder Die-Irren nehmen?« »Nein.« Marta schloss die Augen und konzentrierte sich. Die Menschen waren wirklich irre, schmutzig, laut, liebenswert, brillant, fröhlich ... Das führte zu nichts. Das war frustrierend. Marta sah die Bärin an. »Wie ist Ihr Name?« Sie musste aufhören, diese wirklich weise Person insgeheim als Bärin zu bezeichnen.

»Warum wollen Sie das wissen?« »So sind wir Menschen eben. Wir suchen Kontakt.« »Man nennt mich Weylo.« »Hallo, Weylo.« Marta lächelte. »Ehrlich gesagt, wir Menschen wissen eigentlich nicht, wer wir sind. Wir kommen erst langsam darauf. Das ist ein Grund, warum wir hier sind. Jeder von uns ist ein Mensch, aber am besten geht es uns, wenn wir miteinander in Verbindung stehen. Was wir gemeinsam tun, macht uns zur Menschheit.« »Menschheit?« »Jawohl, Menschheit.« Das war es. Es bedeutete nicht nur alle Leute, sondern alle Menschen zusammen. »Wenigstens ist es kurz.« War das ein Lächeln auf Weylos Schnauze? Sie stempelte das Formular mit einem endgültigen lauten Knall. »Willkommen in der Galaktischen Konföderation, Marta Rilla-Chen ... und die Menschheit.«

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