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Leseprobe »Die Peperoni-Strategie to go«: Spice up your life

Konflikte im Büro, herausfordernde Kolleginnen und Kollegen oder Chefinnen und Chefs, die einem richtig auf den Geist gehen – wer kennt das nicht. Aggressionsexperte Jens Weidner zeigt Ihnen in seinem Karriere-Ratgeber, wie Sie mit der Peperoni-Strategie knifflige Situationen meistern und im Team, als Führungskraft oder mit Vorgesetzten nicht mehr unter die Räder kommen. Und das, ohne sich Feinde fürs Leben zu machen.
Peperoni

Spice up your life

Vermutlich, liebe Leserinnen und Leser, sind Sie die meiste Zeit feine Menschen, spenden an Hilfsorganisationen und helfen Omas über die Straße. Das ist großartig! Aber ich möchte, dass Sie sich bei der Lektüre ausschließlich auf die Schattenseiten Ihres Persönlichkeitsprofils im Business konzentrieren, und mein Anliegen ist es, dieses noch ein bisschen schattiger zu machen, damit Sie für die Momente im Berufsleben gerüstet sind, in denen man Ihnen ans Leder will! Denn egal ob etablierte Führungskraft oder Newcomer auf der Karriereleiter, es gilt die Regel: Je höher Sie aufsteigen, desto mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Einkommen erwarten Sie – aber desto krasser werden auch die Begegnungen mit Menschen, die Ihre Pläne durchkreuzen wollen, weil sie auf Ihren Job scharf sind oder Sie und Ihre Ideen ablehnen. Machen Sie sich keine Illusionen: Niemand wird automatisch gefördert, nur weil er oder sie einen guten Job macht. Manchmal geschieht sogar das genaue Gegenteil: Man legt Ihnen absichtlich Steine in den Weg, um Ihren Aufstieg zu erschweren oder gar zu verhindern. Manchmal stolpern Sie aber auch über Ihre eigenen Unzulänglichkeiten und machen sich das Leben unnötig schwer, weil Sie falsche Entscheidungen treffen oder authentische Feedbacks verteilen, die vermutlich stimmen, Ihnen aber im Business nie verziehen werden.

Dieses Buch unterstützt Sie beim Umgang mit kniffligen Situationen, damit Sie bei Konflikten im Team oder mit Vorgesetzten nicht mehr unter die Räder kommen. Es hilft Ihnen, Ihre Ideen durchzusetzen oder Ihren Arbeitsbereich voranzubringen, ohne überall anzuecken, weil Sie mit der Peperoni-Strategie Ihre Ziele klug vorantreiben, ohne sich Feinde fürs Leben zu machen. Es vermittelt Ihnen das Mindset, sich gegen Leute zu behaupten, die Sie übervorteilen wollen, die Ihre Grenzen nicht respektieren oder Sie schlechtmachen, und es zeigt Ihnen, wie Sie weiterhin einen respektvollen und höflichen Umgang pflegen können, ohne dass man Ihnen diesen als Schwäche auslegt. Dafür müssen Sie nur ab und zu Ihrem Umfeld Ihre hässliche Seite zeigen, die nach Ärger riecht. Es geht also um den richtigen Schärfegrad im Umgang mit Konflikten im Business.

Die Peperoni-Strategie to go knüpft damit an meinen Bestseller Die Peperoni-Strategie – So setzen Sie Ihre Aggressionen konstruktiv um an, wobei Sie die Empfehlungen dieses Buches verstehen werden, ohne den Vorgänger gelesen zu haben. Der war – so viel Angeberei muss sein – 33 Wochen auf Platz 1 im Bestseller-Ranking der Financial Times Deutschland und wird von getAbstract als Karriereklassiker empfohlen. Dieser Erfolg überraschte mich damals, weil ich ursprünglich aus der Kriminologie komme und ein Experte bei der Behandlung von aggressiven und kriminellen Menschen bin – also Menschen mit destruktiver, nicht positiver Aggression. Für diese brutale Zielgruppe entwickelte ich das Anti-Aggressivitäts-Training für Gewalttäter, mit dem jährlich über 1000 Personen behandelt werden. Doch so wie man destruktive Aggressivität bei Schlägern reduzieren kann, egal ob sie als Hooligans, Skinheads oder Frauenschläger ihr Unwesen treiben, so lässt sich positive Aggression bei Menschen fördern, die zu nett für unsere knallharte Wettbewerbsgesellschaft sind.

Ich möchte diese positive Peperoni-Power in Ihnen wecken oder verstärken. Dabei geht es aber nicht um die Förderung von Ellenbogen-Karrierismus und unfairem Verhalten. Ebenso wenig sollen Sie zum Egomanen mutieren, der nur zum eigenen Vorteil arbeitet, ohne Rücksicht auf Teams und Unternehmen. Wer nur auf Ellenbogen setzt, erzielt kurzfristig Erfolge, wird aber mittelfristig vom Hof gejagt, weil Personalabteilung, Compliance-Officers und Gleichstellungsbeauftragte im Idealfall dafür sorgen, dass diese Egoisten gefeuert werden, weil sie dem Unternehmen mehr schaden als nutzen. Ellenbogen-Karrieristen braucht kein Mensch! Die Peperoni-Strategie verfolgt vielmehr das Ziel, dass Sie sich, Ihre Ideen und Projekte durchsetzen, um Gutes zu bewirken – für sich selbst, für Ihr Unternehmen und für die Gesellschaft! Wer die Kunst der positiven Aggression beherrscht, gewinnt häufiger als andere. Ihre positive Peperoni-Power können Sie einsetzen, um Arbeitsplätze zu schaffen, um Produkte zur Nachhaltigkeit zu entwickeln oder als Chefin von Amnesty International die Todesstrafe zu bekämpfen. Ihr Handeln kann unser Land besser und Sie erfolgreicher machen. Dass Sie dabei auf eine Vielzahl von Widerständen stoßen, die es zu überwinden gilt, ist Teil des Spiels. Gehen Sie dabei zu dynamisch vor, verbrennen Sie sich die Finger. Sind Sie zu zurückhaltend und nett, werden Sie nicht ernst genommen. Es kommt also auf die richtige Reaktion bei Konflikten an, die das Potenzial haben, Ihr Berufsleben zu torpedieren.

Die Peperoni-Strategie bietet mit ihrer Scoville-Skala eine breite Palette an Schärfegraden an. Um Ihnen die Bandbreite an Reaktionsmöglichkeiten aufzuzeigen, schildere ich Situationen, die mir in den letzten Jahren in der Beratung, in Managementseminaren, in meinem Berufsleben und bei meinen Interviews mit weit über 1000 Führungskräften aus Deutschland, der Schweiz und Österreich begegnet sind. Zu meinen Gesprächspartnerinnen und -partnern zählen Vorstandsmitglieder, Verbandsgeschäftsführer, Klinikdirektorinnen, IT-Unternehmer, Juristinnen aus Ministerien, Manager aus fast allen Branchen, Nachwuchsführungskräfte, denen die Alten im Unternehmen mit ihrer Selbstgefälligkeit auf den Sack gehen und die das nicht länger ertragen wollen, sowie liberale Nachwuchspolitikerinnen, die von konservativen alten Hasen ausgebremst werden. »Warum soll ich Sie überhaupt beraten? Ich bin doch selbst ein konservativer alter Hase«, wollte ich von einer jungen Politikerin wissen. »Ist doch klar«, antwortete sie trocken, »weil Sie die alten Säcke kennen und wissen, wie man mit denen umgehen muss. Sie sind ja selber einer.« Kann man so viel weiblichem Charme widerstehen?

So manch jüngere Führungskraft ist überrascht, dass nicht alle die warmherzigen und empathischen Spielregeln der New Work befolgen, sondern sie austricksen, gegen Wände laufen oder gegen die gläserne Decke stoßen lassen. Viele meiner Gesprächspartnerinnen und -partner haben einen Tick zu lange gewartet, bis sie anfingen, Konflikte und die sich daraus ergebenden beruflichen Sorgen ausreichend ernst zu nehmen und gründlich zu durchdenken. Sie hatten die trügerische Hoffnung, dass sich das Elend von alleine wieder in Wohlgefallen auflösen würde. Diese Konfliktscheu und dieses Harmoniebedürfnis sind menschlich, aber im Business oft suboptimal bis kontraproduktiv. Manchmal killen sie sogar Karrieren!

Durchsetzungsstarke Führungskräfte wissen: Wenn sie nicht so früh wie möglich agieren, werden sie womöglich in eine Abwärtsspirale gesogen, aus der sie nur schwer wieder herausfinden. Sie nehmen daher kleine Fehlentwicklungen und Missstimmungen übertrieben ernst, um präventiv-strategisch handeln zu können. Sie hören die Flöhe husten, selbst wenn objektiv wenig passiert ist. Das ist ein empfehlenswertes seismografisches Verhalten, zu dem ich Sie hiermit ermutigen möchte! Sie warten nicht, bis sich ihr ungutes Gefühl zu einem Tsunami aufgetürmt hat, sondern ersticken das Problem im Keim und das so erfolgreich, dass tatsächlich nichts passiert und die Kollegen irritiert anmerken: »Keine Ahnung, warum du diesen Aufwand betrieben hast. Ist doch gar nichts passiert …« Die Antwort lautet: »Ja, es ist nichts passiert, weil ich den Aufwand betrieben habe!«

Ich erkläre Ihnen, wie Sie in sensiblen Bereichen – manche sprechen von Minenfeldern – klug agieren können. Dazu beschreibe ich brenzlige Situationen, analysiere sie und empfehle Lösungen, die in der Praxis funktioniert haben. Das garantiert nicht automatisch Ihren Erfolg, sollten Sie die vorgestellten Lösungswege gehen, aber es zeigt Ihnen eine Variante, die gelungen ist und damit auch für Ihre Gedankenspiele relevant sein könnte. Das ganze Buch steht ja unter dem Leitsatz »Lernen aus den Erfolgen anderer«. Die Fallbeispiele drehen sich also um berufliche Herausforderungen, die sich zum lupenreinen Konflikt hochgeschaukelt haben, etwa in Wettbewerbssituationen, weil umstrukturiert wurde, weil sich die Budgetverteilung verändert hatte, die Firmenpolitik neu justiert wurde oder durch einen Leitungswechsel die bisherigen Spielregeln über den Haufen geworfen wurden. Es geht um die Frage, wie Sie auf offene oder versteckte Machtkämpfe reagieren sollten, die niemand braucht, die aber trotz aller schönen Arbeitsweltkonzepte geschehen, wenn es um höhere Einkommen, Budgets oder Personalumverteilungen geht. Sie werden dann mit beruflicher Hinterhältigkeit konfrontiert, die in keinem betriebswirtschaftlichen Studium gelehrt wird, vor allem wenn Ihre Gegenspielerinnen und Gegenspieler auf Krawall gebürstet sind.

Dabei erspare ich Ihnen eine detaillierte Darstellung der Protagonistinnen und Protagonisten und ihrer Branchen. Stattdessen nehme ich Sie mit in die entscheidenden Gesprächsmomente, in denen ein pragmatischer Lösungsweg gefunden wurde; diese Momente werden komprimiert und meist in Dialogform beschrieben. Die Menschen, mit denen ich zu tun habe, schätzen die drei Ks: Kürze, Klarheit und Klartext. Meine Empfehlungen lesen sich daher manchmal politically incorrect und sind mit einer Prise schwarzem Humor garniert. Meine frühere Chefin mochte meine würzige Art und praktizierte sie auch selbst, unter anderem um meinen Wünschen zu widerstehen. »Wir kennen uns seit zwei Jahren«, leitete ich einmal ein Anliegen bei ihr ein, »und Sie wissen, dass ich Ihr diplomatisches Geschick schätze. Aber wenn wir jetzt unser neues Projekt im Präsidium gegen die Widerstände durchboxen wollen, dann wäre es gut, wenn Sie sich bissiger positionieren, damit die Kritiker sofort spüren: Diese Chefin weiß, was sie will! Ist das okay für Sie?« »Nein, ist es nicht«, antwortete sie. »Warum sollte ich bissiger auftreten? Dafür habe ich doch Sie!«

Noch Fragen? Dabei hatte ich ihr doch erklärt, dass sie ihr Peperoni-­Wissen nie gegen den Strategieerfinder höchstselbst einsetzen dürfe. Ich erinnerte sie daran. »Sorry«, sagte sie daraufhin mit einem süffisanten Lächeln, »das hatte ich wohl vergessen.« Wer’s glaubt, wird selig … Ich mag sie trotzdem, denn in Wahrheit schätze ich Menschen, die meine Empfehlungen beherzigen, um mich dann mit meinen eigenen Waffen zu schlagen. Meine milden bis peperonischarfen Vorschläge zur Konfliktlösung werden Ihnen hoffentlich Verhaltenssicherheit geben, sollten Sie in vergleichbare Situationen geraten wie meine Gesprächspartnerinnen und -partner. Sie können also von den Erfahrungen anderer lernen und dadurch eigene Fehleinschätzungen minimieren. Nach der Lektüre werden Sie cleverer und instinktsicherer durch Ihr Berufsleben gehen, weil Sie herausfordernde Situationen früher antizipieren und effektive Gegenstrategien entwickeln können.

Als kleine Orientierung für Sie, um welchen Schärfegrad der Tipps es sich handelt, finden Sie neben jeder Fallüberschrift ein, zwei oder drei Peperonis. Eine Peperoni symbolisiert einen milden Schärfegrad. Zwei Peperonis symbolisieren, dass es zur Sache geht. Drei Peperonis symbolisieren extra hot und risikobehaftet!!

Die Basics der Peperoni-Strategie

Aggressionen haben mich schon immer interessiert. Beim Fußballspielen durch mein Gerede Fouls zu provozieren, bis meine Gegenspieler mit der roten Karte vom Platz flogen, meine eigenen Mobbing-Erfahrungen in der Schule, der Sadismus, mich Regenwürmer essen zu lassen, und meine Rachegelüste  – das alles motivierte mich letztlich zum Studium der Erziehungs- und Sozialarbeitswissenschaften, um menschliche Aggressionen besser zu verstehen. Dabei halfen mir zwei Kriminologen mit ihrer Expertise, die an der Lüneburger Leuphana Universität lehrten; einer kam aus dem Justizministerium in Baden-Württemberg, der andere sollte später niedersächsischer Justizminister werden. Meinen Lieblingstheoretiker, Albert Bandura von der Standford University, lernte ich über sie kennen und damit auch seine Erkenntnis, dass jede Form aggressiven Verhaltens gelernt und wieder verlernt werden kann und dass es neben destruktiver Aggressivität, mit der Menschen gequält und verletzt werden, auch positive Aggressivität gibt. Letztere setzen wir ein, um gute Ziele zu erreichen: eine Firma aufbauen, Arbeitsplätze schaffen oder in der Politik Fortschrittliches gegen Widerstände durchsetzen.

Die Geburtsstunde der Peperoni-Strategie

Beide Seiten der Aggressionsmedaille interessierten mich, ohne dass ich ahnte, dass sie mein gesamtes Berufsleben prägen würden, denn Wirtschaft, Managementstrategien und Führungsverhalten interessierten mich zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht. Der Umgang mit aggressiven Formen der Kriminalität hingegen sehr, von Sachbeschädigung, Mobbing und Stalking über schwere Körperverletzung und Raub bis hin zu Tötungsdelikten. Das gefiel meinen Professoren und so vermittelten sie mir einen sechsmonatigen Studienaufenthalt in einem privaten Jugendgefängnis für Gangschläger an der US-Ostküste bei Philadelphia, das auf Gewaltdelikte spezialisiert war. Der Direktor dieser Training School hatte vor Jahren eine Deutsche geheiratet, mochte unser Land und sagte: »Komm rüber zu uns, hier kannst du forschen. Wir haben ein Zimmer für dich, ein kleines Gehalt und einen Wagen.« Er hielt Wort. Das Gehalt war überschaubar, der gebrauchte Ford okay, nur das Zimmer hatte es in sich: Es lag in seinem Gefängnis. »Hier hast du eine 24/7-Experience und kannst deine teilnehmende Beobachtung permanent anwenden«, meinte er. Ja, die teilnehmende Beobachtung ist eine qualitative Forschungsmethode, bei der man am Ort des Geschehens präzise beobachtet, jedoch nicht um einzugreifen, sondern um die informellen Spielregeln einer Institution zu erfassen. Aber 24 Stunden am Tag? Und dafür im Gefängnis leben? Das hatte ich mir anders vorgestellt. Mir hätten normale Arbeitszeiten ausgereicht. Das sah mein Gastgeber anders. Ihm war es ernst und er erwartete, dass ich zu 100 Prozent mitzog. Das tat ich und war selbst von mir überrascht.

Nach dem Studium arbeitete ich in einem norddeutschen Gefängnis und stieg allmählich auf, weil ich kriminologische Expertise besaß, die ich mir unter anderem in jenem US-Gefängnis angeeignet hatte. Ich musste in Deutschland nur lernen, die Strukturen der Institution Gefängnis zu durchschauen und mich in der Hierarchie geschmeidig zu bewegen. Ich musste nicht um jeden Preis Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von meinen neuesten Projekten überzeugen. Eine einfache Erklärung reichte völlig aus und wenn mein Gegenüber nicht begeistert war, konnte ich alles per Dienstanweisung anordnen. Meist kam es nicht dazu, weil man einen Konsens fand, aber es war schön bequem, als Führungskraft zu wissen, dass man sich so oder so mit seinen Ideen durchsetzen würde. In dieser Zeit schuf und erprobte ich mein Behandlungsprogramm für Gewalttäter. Es belegt, dass destruktive Aggressivität reduziert werden kann. Das ist gut für die Täter, die sich bessern wollen, und es ist noch besser für die Gesellschaft, da weitere Opfer so vermieden werden.

Der Direktor des Schweizer Gottlieb Duttweiler Instituts hörte von meiner Arbeit und bat mich, den Spieß umzudrehen, mit dem Ziel, die positive Aggression von Führungskräften zu fördern. Er kenne so viele hoch qualifizierte Frauen und Männer, die zu nett seien fürs Business und die einen Schubs in die richtige Richtung gut gebrauchen könnten. Sein Gedanke hatte etwas, auch wenn ich im ersten Moment glaubte, er wolle mich mit seiner Bitte auf den Arm nehmen. Ein Business-Class-Flugticket sowie ein imposanter Scheck motivierten mich aber, ihn in Zürich zu besuchen und die Möglichkeiten auszuloten, ein Managementtraining zur Förderung der positiven Aggression zu konzipieren. Dieser Tag im September 1995 war die Geburtsstunde der Peperoni-Strategie.

Der Transfer von der Kriminologie zum Management zwang mich, über meinen justiziellen Tellerrand zu schauen. Diese Perspektive eröffnete sich mir durch Interviews mit Führungskräften aller Couleur. Meine erste Frage lautete immer: »Welche beruflichen Schattenseiten brauchen Sie zum Erfolg, wenn es konflikthaft wird, weil Sie ein Projekt umsetzen wollen, aber man Ihnen Knüppel zwischen die Beine wirft?« Die zweite Frage betraf das Handeln meiner Interviewpartnerinnen und -partner: »Welche bissigen Taten haben Sie selbst im Business begangen und wann wurden Sie selbst zum Opfer, weil man Sie übervorteilt hat?«

Das seismografische Gespür für Ärger

Die Peperoni-Strategie lehrt, wie man seine natürliche Aggression konstruktiv zur Erreichung beruflicher Ziele einsetzt. Sie liefert ein kraftvolles Mindset für Wettbewerbssituationen und favorisiert ein Verhalten zwischen Charme und Vulkan, natürlich immer im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und der Compliance-Regeln des jeweiligen Unternehmens. Die Peperoni-Strategie sensibilisiert, drohenden Ärger zu antizipieren. Deswegen gilt die Regel: Führen Sie schwierige Gespräche bei offener Bürotür oder im Beisein von Zeugen.

Nur wegen eines Zeugen entging meine Statistikkollegin dem Vorwurf, eine Rassistin zu sein. Ihr wurde von einem Prüfling vorgeworfen, sie habe ihn wegen seines südländischen Aussehens beleidigt und das habe ihn so verunsichert, dass er sein Prüfungswissen nicht abrufen konnte. Seine offizielle Beschwerde beim Prüfungsausschuss über die schlechte Note folgte umgehend. Die einzige Beleidigung lag allerdings in seiner Prüfungsleistung, denn die war mangelhaft. Ihr Zeuge, der Prüfungsbeisitzer, konnte keine Stigmatisierung bestätigen, sodass der Konflikt schnell vom Tisch war. Hätte Aussage gegen Aussage gestanden, wäre es komplizierter für die Professorin geworden, denn der Rassismusvorwurf gegen eine »alte weiße Statistikerin« hätte zumindest das Zeug für kontroverse Debatten gehabt. Aus reinem Selbstschutz berate ich deswegen meine Studierenden grundsätzlich bei offener Bürotür, denn wenn sie behaupten würden, ich wäre hinter verschlossener Tür übergriffig geworden, käme ich in Rechtfertigungszwänge, auf die ich gerne verzichten kann. Der Vorwurf der Diskriminierung, weil das Gegenüber einen Blick, eine Geste oder ein Wort so empfunden hat, kann heutzutage jede und jeden treffen und zu einem karrierehemmenden Konflikt mit Human Resources und Compliance führen. Das gilt nicht nur im Hochschulbereich, sondern überall im Business, wie es im Kapitel zur Mikroaggression ausführlicher beschrieben wird.

Die Peperoni-Strategie sensibilisiert Ihr seismografisches Gespür für drohenden Ärger, denn je frühzeitiger Sie möglichen Ärger antizipieren, umso seltener werden Sie zum Opfer von Konflikten und Missverständnissen. Das setzt jedoch voraus, dass Sie permanent bereit sind zu prüfen, inwiefern eine harmlos wirkende Situation schiefgehen könnte. Diese skeptische Grundhaltung ist ein weiterer Baustein auf dem Weg zur Peperoni-Strategin oder zum Peperoni-Strategen. Skepsis unterstreicht die Gewissheit, dass es nicht alle immer gut mit uns meinen. Bei der Schärfung Ihres seismografischen Gespürs hilft Ihnen Ihre Intuition, auf die Sie hören sollten. Wenn Sie morgens in Ihre Firma kommen und ein ungutes Gefühl haben, dann folgen Sie diesem Gefühl, denn häufig werden wir archaisch vorgewarnt, dass Ärger auf uns zukommt.

Leider endet die Leseprobe an dieser Stelle. Das Buch »Die Peperoni-Strategie to go« bietet den Rest des Kapitels und mehr.

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