Leseprobe »Hässliche Wörter« – Schule und Erziehung: Integrationsunwillige Problemkinder im Umerziehungsgulag

Er ist notorisch aufmüpfig, hat Schwierigkeiten, sich an Regeln zu halten und Grenzen zu akzeptieren, opponiert rebellisch gegen jede Autorität, bedient sich einer vulgären Sprache, wertet Frauen pauschal ab und lebt eine archaische Maskulinität, verachtet Schwule und Lesben, verabscheut Transsexuelle und ist fixiert auf das Thema Sexualität. Kurzum: Er hat Schwierigkeiten, sich in die Mehrheitskultur zu integrieren. Die Rede ist nicht etwa vom Stereotyp des »migrantischen Problemkinds«, sondern vom prototypischen Kommentator auf neurechten Plattformen. Dass sich so manche neurechte Kritik an den Zuständen an deutschen Schulen und ihren Schülern wie eine Selbstbeschreibung liest, liegt daran, dass das Thema Erziehung hier auf zweierlei Weisen verhandelt wird. Zum einen haben Neurechte am deutschen Erziehungssystem viel zu mäkeln. Von der »Kuschelpädagogik«, über »linke Indoktrination« und »Frühsexualisierung« bis hin zur »Leistungsverwässerung aus Minderheitenschutz« reichen die Vorwürfe, die sie den Schulen machen. Darüber hinaus ist Erziehung für Neurechte aber auch eine Metapher für das, was den Boden für jene gesellschaftlichen Veränderungen bereitet, die sie so vehement bekämpfen. Demokratieförderung, Kampf gegen Rechtsextremismus, einseitige Medienberichterstattung, ja das Unterhaltungsprogramm im Fernsehen – das alles ist für Neurechte Erziehung. Oder in der maßlosen Überspanntheit rechter Rhetorik »staatliche Volkserziehung«, »Re-Education« und »Gehirnwäsche« im »Umerziehungsgulag«. Und weil sich Neurechte in der Rolle des rebellischen Dissidenten gefallen, der sich nicht mit dem System arrangieren will, werden sie jenem Zerrbild des schwer erziehbaren und integrationsunwilligen Problemschülers mit Migrationshintergrund ähnlich, das sie in ihrem Hass auf alles vermeintlich Fremde entwerfen. Doch der Reihe nach.
Von Multi-Kulti-Terror-Schulen, Kuschelpädagogik und Gleichmacherterror
In ihrem Hang zur Apokalyptik malen Neurechte den Zustand des Bildungssystems in den schwärzesten Farben. Der Begriff der »Bildungsmisere« ist dabei noch beschönigend, treffender bezeichnen »Bildungs-Waterloo«, »-Desaster« und »-Katastrophe« in neurechten Augen die Situation. Statt mit Stolz auf die Bildungstradition ihres Heimatlandes zu verweisen, schmähen sie die Bundesrepublik als »Bildungs-Unland«, »PISA-Entwicklungsland« und »Bildungsnotstandsland«. Die vermeintlich desolate Verfassung des Bildungssystems findet für Neurechte ihren sinnhaften Ausdruck im katastrophalen Zustand der Schulen. Auf rechten Plattformen ist fast ausschließlich von »Problemschulen«, »Schulklitschen« und »Elendsschulen« die Rede, von »HORROR-Grundschulen«, »Höllenschulen« und »Multikulti-Schrottschulen« oder vom »Schultrümmerhaufen«, den linksgrüne Politik hinterlassen habe. Ein besonderer Dorn im rechten Auge ist der wachsende Anteil an Kindern mit sogenanntem Migrationshintergrund, die als »MiHiGru-Schüler« bezeichnet oder in Anführungszeichen als »Immigranten-»Mitschüler«« von ihren deutschstämmigen Klassenkameradinnen und -kameraden segregiert werden. Für sie haben rechte Kommentatoren noch ganz andere Schmähnamen parat, mit denen sie ein ganzes Tableau rassistischer Vorurteile entfalten. Dann ist von »Barbaren-« und »K*ffn*ckenkindern«, von »Bereicherer-Schülern«, »Besatzerkindern«, »Invasionsschülern«, »Kameltreiberkindern«, ja »Affenmenschen-Kindern« die Rede, deren Beschulung ohnehin zum Scheitern verurteilt sei. An den als »Ausländer-« oder »Schmelztiegelschulen« verunglimpften Bildungseinrichtungen lassen Neurechte auch sonst kein gutes Haar. Inspiriert von Ghetto-Klischees zeichnen sie ein Bild von »Moslemschlägerschulen«, in denen »Multikulti-Verbrecherkinder« und »arabische Schulhofkriminelle« täglich »Schulhofschlägereien« und »Schul-Messerstechereien« anzetteln. Und sie projizieren ihre Phantasien vom bevorstehenden Rassenkrieg auf die Schule, wenn sie behaupten, dass in »95 %-Muslimanteil-Schulen« Deutschen nur noch die Rolle des »Punchingballs« und des »Vergewaltigungsopfers« bleibe.
Dass gegen diese behaupteten Missstände nicht entschieden vorgegangen wird, lasten Neurechte dem Popanz der »Kuschelpädagogik« an. Statt Regeln mit Härte, Konsequenz und Strafe durchzusetzen, machten sich »Engelslehrer« mit »Soft-« und »»Zero-Frustration«-Pädagogik« zum Gespött ihrer migrantischen Klienten. An »Harmony-Schulen« und »Supi-Multikulti-Ham-uns-alle-lieb-tralala-Bildungseinrichtungen« gebe man sich der falschen Illusion hin, man könne mit »Multikultihopsassa-Erziehung« und »Bärchen-Kuschelweich-Pädagogik Schul-Schläger« und »Kinder-Gangster« auf den Pfad der Tugend führen. Stattdessen aber produziere man einerseits autoritätsentwöhnte »Schläger-Jugendliche« und andererseits wachsweiche »Opfakinda« und künftige »Schlaffi-Studenten«. »Kuschellehrer« sorgen im Weltbild von Neurechten auch dafür, dass selbst »Sonderschulabbrecher« noch mit »Gefälligkeits-Hauptschulabschlüssen« und Kinder von Geflüchteten mit einem »Willkommens-Schulabschluss« versorgt werden. Und an Gymnasien sind »Abi-Durchwinker« dafür verantwortlich, dass die Angehörigen der »Abitur-für-alle-Generation« auch tatsächlich ihr »FLACH-abitur« erhalten. Dass Frauen und Migranten dabei sogar noch bevorzugt werden, steht für Neurechte außer Frage. In der neurechten Phantasiewelt erhalten Schülerinnen »Frauen-Förder-Abiturnoten«, ein Migrationshintergrund begründet einen »Abiturvollkaskoanspruch« und Menschen muslimischen Glaubens werden im deutschen Schulsystem zu »Islambonus-Abiturienten«. »Fairness-Gratis-Abitur« und »Willkommenskultur-Abi« werden aus neurechter Sicht deshalb vergeben, damit die Politik die Bevölkerung mit vermeintlichen Bildungserfolgen von Migrantinnen und Migranten belügen kann. Ein »Nafri-Abi«, so unterstellen Neurechte, ist für die Politik daher wertvoller als eine »Türken-Abi«, da es eine größere propagandistische Wirkung verspricht. Kinder aus Familien mit Migrationsgeschichte sind für Neurechte jedoch per se dauerhaft bildungsfern, schwer erziehbar und gewaltaffin. Und das obwohl sich der Anteil der Abiturienten unter Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund immer mehr angleicht. Aber wie immer, wenn die Wirklichkeit sich nicht mit ihren Ansichten in Einklang bringen lässt, greifen Neurechte zu Verschwörungstheorien: Migrantische Bildungserfolge werden dann einfach als das Ergebnis politisch gewollter Niveaureduzierung für propagandistische Zwecke gedeutet.
Doch hat die vermeintliche Absenkung des Anforderungsniveaus an höheren Schulen für Neurechte noch einen weiteren Grund, der nicht weniger nach Verschwörung klingt: Die Bildungspolitik nämlich ziele auf die Schaffung von Einheitsmenschen. Ein Faktum, das für Neurechte aus der Einrichtung von Einheitsschulen zweifelsfrei abgeleitet werden kann. In diesem Schultyp, in dem Schüler länger gemeinsam in der gleichen Schule und teils in Gruppen mit unterschiedlichen Leistungsniveaus lernen, ist die Durchlässigkeit zwischen den Bildungsgängen größer und auch die Integration von Migrantinnen und Migranten kann effektiver erfolgen. Neurechte deuten diese Eine-Schule-für-Alle zur »Gleichstellungsschule« um und wittern »Bildungsgleichmacherei«, »Kollektiv-Erziehung« und »Bildungssozialismus«. Weil Gemeinschaftsschulen auch Ganztagesschulen sind, werfen Neurechte den »Eintopfschulen« vor, auf eine »Ganztages-Gemeinschaft-Schul-Indoktrination« zu zielen. Und obwohl es bislang nur eine überschaubare Menge von Modell-Gemeinschaftsschulen gibt, schreiben rechte Kommentatoren von »Zwangs-Einheitsschulen« und »Erziehungstotalitarismus«. Einen besonderen Anlass für verächtlichmachende Ergießungen finden Neurechte in Politikerinnen und Politikern, deren Kinder nicht in einer »Multikulti-Kita« betreut werden oder eine »herunternivellierende Gleichmacherschule« besuchen, sondern in eine »Luxuskita« in privater Trägerschaft oder auf ein »elitäres Privatgymnasium« gehen. Dann werden schnell Schmähnamen wie »Privatschul-Schwesig« oder »Privatschul-Küsten-Barbie« geprägt und Schulnamen wie »Ypsilanti-Privatschule« kreiert, mit denen etwa die ehemalige hessische SPD-Vorsitzende aufs Korn genommen werden soll. Die wenigen Exempel werden dann in Ausdrücken wie »Privatschulen-Genossen« auf alle SPD-Politiker projiziert. Einzig auf die als »Waldorfdeppenschulen«, »Waldoofschulen« oder »Waldorf-Pädo-Schulen« diffamierten privaten Steiner-Schulen können Linke ihre Kinder schicken, ohne dass sie sich den Vorwurf der Doppelmoral einhandeln oder rechten Sozialneid provozieren.
Die Schuldigen an der Bildungs-Verdummung
Für die vermeintliche Bildungsmisere haben Neurechte eine einfache Erklärung parat: Deutschland werde von notorischen Schulversagern und Studienabbrechern regiert. Besonders hoch ist die Konzentration an »Schulbankflüchtlingen«, »»Bildungs«-Krüppeln«, »Waldorfschulabbrechern« und sonstigen Politikern mit »StudienabbrecherInnenhintergrund« aus ihrer Sicht bei SPD und Grünen. Diese Parteien werden daher als »Schulabbrecher-« und »Studienabbrecherparteien« bezeichnet, die Grünen sogar noch mit dem Ehrentitel »Genozid90/Studienabbrecher«. Und unter Rechten als besonders links geltende Bildungsprojekte erhalten Namen wie »Studienabbrecher-Umvolker-Beck-KiTa«, »Katrin-Göring-Eckhardt-Sonderschuluniversität« oder »StudienabbrecherIn-Claudia-Fatima-Roth-Gesamtschule«.
Neben Politikerinnen und Politikern müssen auch Lehrerinnen, Erzieherinnen und Pädagogen als Sündenböcke für alle möglichen Missstände an deutschen Bildungseinrichtungen herhalten. Das Repertoire der Schmähnamen für diese Berufsgruppe macht die Pädagogen zu Witzfiguren »(Lehrerdepp«, »Lehr-Fuzzie«, »Lehrerclown)«, Widerlingen »(Lehrerdreck«, »Lehrergeschmeiß«, »Lehrer-Abschaum)«, Asozialen »(Lehrergesindel«, »Lehrergesocks«, »Lehrerpack)« und zu willigen Erfüllungsgehilfen des Systems »(Lehrer-Schreibtischtäter«, »System-Büttel-Beamten-Lehrersau«, »Systempädagogin-Nutte)«. Dabei versteht sich, dass für Neurechte alle Lehrer tief im linken Milieu verwurzelt sind. Und so imaginieren sie sich den idealtypischen Pädagogen als »Alt-68-«, »Müsli-« und »Jesus-Latschen-Lehrer« und bemühen das Klischee der emanzipierten »Doppelnamen-Lehrerin« oder der »sozial-laber-wissenschaftlich« geschulten »Rotwein-Päd-Psych-Soz-Lehrerin«. In ihrem Faible für Übertreibungen erscheint ihnen die Bezeichnung »Links-Lehrer« kaum mehr als Schimpfwort. Es muss schon ein »Linksaußen-Klassenlehrer«, »Antifa-Lehrer« oder »Zecken-Lehrer« sein, der die Kleinen indoktriniert. Offenbar haben Neurechte aber auch eine weniger undogmatisch-linke Variante des »Agitprop-Pädagogen« ausgemacht: Den »Lehrer-Genossen«, »Lehrer-Apparatschick«, »Rot-Front-Schulleiter« und die revolutionären »Lehrer-Kampftruppen«. Anstoß nehmen Neurechte auch daran, dass Lehrkräfte in Schulen Werte vermitteln sollen. Dann ist schnell die Rede von »Bessermensch-Klugscheißer-Lehrern« oder »BestmenschIn-Lehrerinnen«, die sie in ihrer verzerrten Wirklichkeitswahrnehmung als »HetzlehrerInnen« diffamieren.
Eltern, ganz gleich welcher Couleur, sind ebenfalls Schuld an der Malaise deutscher Bildungseinrichtungen, zumindest wenn man rechten Kommentatoren Glauben schenken will. Da sind die »Hardcore-Eltern«, »Klammeraffen-Eltern« und »Helikopter-Eltern«, die ihre Kinder als »Elterntaxiunternehmen« bis direkt vor die Schule chauffieren und am liebsten auf »Dauer-Elternabenden« jedes noch so kleine Problem zerreden wollen. Dass auch »Asylanten-« oder »Invasoren-Eltern« aus der Sicht rechter Kommentatoren keinen Beitrag zum gedeihlichen Miteinander von Schülern, Eltern und Lehrern leisten, kommt in pauschalisierenden Schmähausdrücken wie »Scharia-Eltern« und »Ehrenmord-Eltern« zum Ausdruck. Mit nicht weniger Verachtung begegnen Neurechte den bildungsfernen und sozial Schwachen, die als »Unterschicht-Eltern«, »Analphabeten-Eltern« und »Asi-Eltern« verunglimpft werden. Ein rotes Tuch sind für Neurechte aber auch die Eltern der sogenannten höheren Kreise, die »RotweingürtelelterInnen« und »SUV-Mütter« aus der »Latte-Macchiato-Bourgeoisie«. Von hier ist es nicht weit zu den von Neurechten mit besonderer Leidenschaft geschmähten »Alt-68er-« oder »Althippie-Eltern«, »Öko-Eltern« und »Vegan-Muttis« aus der »Bionade-Waldorfschulen-Linksbourgeoisie«. Auch hier bemühen Neurechte das reichlich strapazierte Klischee der »Doppelnamen-Mutter«, die mit ihrer »Mutter-ist-Feministin-Erziehung« ihre Söhne angeblich zu »genderkastrierten Weichflöten« machen. Im Schreckenskabinett neurechter Hassfiguren dürfen natürlich auch die »Multikulti-Gutmenschen-Eltern« und die »Flüchtlingsfee-Mutter« nicht fehlen, die versuchen, durch vermeintliche Wohltaten in Asylunterkünften wenigstens für ein paar Stunden in der Woche ihrer »Latte-Macchiato-Hölle« zu entkommen.
Links-grüne Elternhäuser bringen in der Vorstellungswelt neurechter Kommentaravantgarden aber auch Schüler hervor, für die die Schule keine Bildungseinrichtung ist, sondern Experimentierfeld für Verhaltensauffälligkeiten, Geschlechtsidentitäten und politische Extremismen. Da sind etwa die »Liberalala-Zöglinge«, deren Unfähigkeit, Grenzen zu akzeptieren, von Schulpsychologen als Verhaltensstörung entschuldigt wird, obwohl Neurechte die Bezeichnung »ADHS-Halbaffenkinder« für treffender halten. Da sind die »Weicheier-Schüler«, »Ponyhofkinder« und »SJW-Schneeflöckchen«, die sich keinen kontroversen Meinungen mehr aussetzen wollen. Da sind die »Antifa-Bonzenzöglinge«, »Nomenklaturakinder« und »Antifantenweltrettungskinder«, die durch Schulstreiks das Klima retten wollen. Da sind jene Kinder, die als »Gutmenschnazikinder« und »Denunziantenschüler« die Gesinnung ihrer Eltern auf rechte Ideologien prüfen und sie gegebenenfalls bei der Schulleitung anschwärzen. Und in der bizarren Vorstellungswelt neurechter Kommentatoren sind »Regenbogenkinder« und »Transgender-Kinder*_Innen« die Stars auf dem Schulhof, weil sie überkommene Geschlechterrollen und Geschlechtsidentitäten sprengen.
»Weltanschauungslehrer«, »linksgrüne Rotwein-Viertel-Eltern« und »Gender-Multikulti-Schüler« haben nach neurechter Meinung das Bildungssystem gekapert und nutzen es zur systematischen Umerziehung. Diese beginnt mit »Kita-Politerziehung« in »Indoktrinationskindergärten« und »Front-Kitas«, setzt sich an »Bekenntnis-« und »Toleranz-Grundschulen« fort und mündet in die »Systemgymnasien«, »Gutmenschen-Erziehungsanstalten« und weiterführenden »Manipulationsschulen«. Das Bildungssystem ist für Neurechte daher ein »Gehirnwäschezwangsschulsystem«. Doch was steht im Lehrplan der schulischen »Gesinnungserziehungspropaganda«, das Neurechte so sehr in Harnisch bringt?
Aus dem Lehrplan der Erziehungspropaganda
An erster Stelle sind es die im Curriculum als Leitziele formulierten Normen und Werte, die in rechten Debatten zum Ziel verächtlicher Kritik werden. Etwa, dass Schülerinnen und Schüler im Umgang mit fremden Wertvorstellungen zur Toleranz erzogen werden sollen. Denn Toleranz ist für Neurechte Selbstaufgabe, Unterordnung und ein Verzicht auf den Anspruch, dass sich die vermeintlich Fremden an ihre Wertvorstellungen anzupassen hätten. Und so kritisieren sie die »Toleranz(um)erziehung«, spotten über »Multikulti-Kindermusicals«, »Schule-ohne-Rassismus-Tanzmäuse« und »»Diversity«-Villa-Kunterbunt-Kinderkram« und erklären die Schule zum »Vielfalts-Umerziehungslager«. Eine »Multi-Kulti-Erziehung« fürchten sie auch deshalb, weil sie Integration fördert. Staatliche Bildungseinrichtungen haben für Neurechte daher den Charakter von »Willkommenskitas« oder »Einbürgerungsschulen« – in neurechten Kreisen sind diese Bezeichnungen Schimpfwörter. Als vermeintliche Folge falscher Toleranzerziehung behaupten Neurechte eine umfassende Islamisierung der Schulen. So geraten ihnen »Halal-Schulessen«, »Kopfwindelweiberlehrerinnen« und »Kinder-Burkinis« zu ersten Anzeichen eines »Bildungsdschihad«, der bald in »Scharia-Schulordnungen«, »Djihad-Schulungen« und »Enthauptungslehrgängen« seinen Ausdruck finden werde.
An der Toleranzerziehung kritisieren Neurechte zudem, dass sie Schülerinnen und Schüler auch für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sensibilisieren soll. Homosexualität als Unterrichtsthema etwa macht die Schule für sie zur »Schwulenschule«, in der Kindern das Ideal des »verschwulten Mannes« eingebimst werden solle. Die »Homo-Erziehungsdiktatur« lässt grüßen. Natürlich missfällt es Neurechten auch, wenn Geschlechterrollen auf dem Lehrplan stehen. Dann hetzen sie gegen »Gender-Mainstreaming-Umerziehungsprogramme« und »Genderwahnideologie-Erziehung« und erklären die Schule zum »Gender-Umerziehungslager«. Auch das Thema Transgender hat in neurechten Augen nichts an der Schule zu suchen, auch wenn linke »Erzieher*Innen*Ixer« oder »Schulleiter/Schulleiterinnen/Schulleiterdingsdas« es propagierten. Für rechte Kommentatoren handelt es sich dabei im besseren Fall um eine »ideologische Schluckimpfung gegen die Normalität«, im schlechteren um »Genderumschulungen« zur Produktion von »Transgender-Kinder*_Innen«.
Überhaupt wird das Thema Sexualität auf neurechten Plattformen viel häufiger behandelt als in der Schule. Die vermeintliche »Frühsexualisierung« ist hier ein Dauerbrenner. Sie begegnet uns auch im sprachlichen Gewand des »Sexual-Umerziehungswahns«, des »Kindergarten-fickis«, des »Pornolehrplans« und der »Zwangsschulsexualisierung«. Die Schule degeneriert für Neurechte zur »Fummelschule« und zum »Pädo-Umerziehungszuchthaus«. Vermeintliches Ziel dieses »Schulsexualerziehungsprogramms« sei es, Heterosexualität und mit ihr das traditionelle Familienmodell zu diskreditieren und im Verein mit schulischen »Verschwulungsoffensiven« die Reproduktionsfähigkeit der Deutschen weiter zu schwächen.
Daneben sind es die üblichen Themen, an deren Behandlung im Schulunterricht Neurechte Anstoß nehmen. Neben der religionsunterrichtlichen Vermittlung der »Klima-Heilslehre« ist es vor allem die »Political-Correctness-Erziehung«, die mit den Methoden der »Kinderbücher-Verbrennung« auf dem Schulhof und der »Elterndenunziation« erreicht wird. Auch der Lehrplan im Fach Geschichte bleibt nicht unkommentiert. Hier diffamieren Neurechte die »Holocaust-Education« als »Selbsthass-Reeducation-Indoktrination«, die »Selbsterniedrigung-und-Schuldkult-Kinder« hervorbringe.
Die Schule der Nation
Die Schulen in der Bundesrepublik sind für Neurechte damit »Regimeschulen«, die wie in totalitären Staaten »Kinder-Gehirnwäsche« und »Totalumerziehung« betreiben. »Agitprop-Pädagoginnen« und »Blockwartlehrer« sorgen in diesem »Schul-Faschismus« für »Schul-Gleichschaltung« und für systemkompatible »Konformitäts-Erziehung«.
Die totalitäre Schule ist freilich nur die Miniatur eines viel größeren totalitären Systems. Wie in einem Fraktal, in dem ein Objekt aus verkleinerten Kopien seiner selbst zusammengesetzt ist, ist der Staat für Neurechte im Großen, was die vielen Schulen in der Bundesrepublik im Kleinen sind: Ein Erziehungssystem zur Gefügigmachung der Bürger. Demnach leben wir in einer »Erziehungs-Diktatur« im »NSDAP-SED-Volkserziehungsstil«, die uns zu »obrigkeitshörigen Staatssklaven« machen will. Die Politiker der »Systemparteien« spielen sich als »Demokratie-Lehrmeister« und »Links-Grüne-VolkserzieherInnen« auf und plagen die ihnen anvertrauten Bürgerinnen und Bürger mit »Neusprech-Umerziehung«, »Rassismusbelehrung« und »Multikulti-Volksumerziehung«. Als »Umerziehungsgouvernanten« betätigen sich auch die Medien. So wird das Fernsehen als »Erwachsenenschulfunk«, »Umerziehungs-Bevormundungs-Bildungsfernsehen« oder ironisch als »Feierabend-Umerziehung« geschmäht und einzelne Moderatorinnen als »GEZ-Belehrer«, »GEZ-Erzieherinnen« und »Oberlehrer-Journalistinnen« verunglimpft. Jede Sendung steht bei Neurechten unter Erziehungsverdacht und so avanciert das Wort Umerziehung auf rechten Plattformen zu einem beliebten Bestimmungswort in abwertenden Ausdrücken zur Bezeichnung von TV-Formaten wie »Umerziehungs-Show«, »Umerziehungs-Film«, »Umerziehungs-Sendung«, »Umerziehungs-Preisverleihung«, »Umerziehungs-Komödie«, »Umerziehungs-Werbespot«. Und auch vom »Umerziehungs-Polizeiruf« und vom »Umerziehungs-Tatort« ist die Rede, wenn der Täter mal wieder einen Neonazihintergrund hatte.
Doch manchen Neurechten ist die Schule eine zu harmlose Vergleichsgröße, um die Monstrosität der Manipulation und Gehirnwäsche in Worte zu fassen, der die deutsche Bevölkerung unterzogen wird. Für sie ist Deutschland ein »Freiluft-Umerziehungslager«, »NWO-Erziehungslager« oder ein »Umerziehungsgulag«, und nicht einmal vor der Bezeichnung »PC-Umerziehungs-KZ« schrecken sie zurück. Es ist diese grotesk verzerrte Sichtweise auf Politik und Öffentlichkeit in der Bundesrepublik, die es Neurechten erlaubt, sich als Opfer, Dissidenten, ja als Teil des Widerstands gegen ein totalitäres Regime zu fühlen. Ein Widerstand, der allerdings vorwiegend darin besteht, sich wie perspektivlose Teenager mit pubertären Zoten auf dem Schulhof zu profilieren und an der Wand der Schultoilette ein Graffito mit einer Unartigkeit über eine Lehrerin zu hinterlassen, statt in der Schülervertretung konstruktiv an der Verbesserung der Schule mitzuarbeiten.
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