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Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen: Claviceps purpurea

Claviceps purpurea (Fries) Tulasne
(syn. Clavaria clavus, Clavis secalinus, Cordyceps purpurea, Fusarium heterosporum); Mutterkorn (syn. Bockshorn, Brandkorn, Giftkorn, Hahnensporn, Hungerkorn, Kornmuhme, Kornmutter, Kornzapfen, Krähenkopf, Mehlmutter, Mutterkornpilz, Mutterzapfen, Rockenmutter, Roggenbrand, Roter Keulenkopf, Schwarzkopf, Tollkorn, Wolfszahn, Zapfenkorn), vgl. Abbildung.
Fam.: Clavicipitaceae (Pilz aus der Klasse der Ascomycetes/Schlauchpilze).
Vork.: C. purpurea ist ein ständiger Begleiter des Roggens in all seinen Anbaugebieten. Außerdem kommt er auch auf Wildgräsern kosmopolitisch vor.
Droge: Secale cornutum; Mutterkorn, das auf der Roggenpflanze gewachsene, bei leichter Wärme getrocknete Sklerotium des Pilzes. Die Droge gilt als hochgiftig! Inh.: Ergolin-Alkaloide (Indolalkaloide der Clavin-Serie/Clavinalkaloide: Agroclavin, Elymoclavin, Festuclavin; Indolalkaloide der Ergolen-Serie/Lysergsäurederivate: Ergometrine vgl. Formel, Ergotamine vgl. Formel, Ergotoxine vgl. Formel Ergocristin, Ergocornin, Ergocryptin), Ergochrome (Xanthonderivate), Anthrachinone (Clavorubin, Endocrocin), Amine, fettes Öl. Wirk.: Nur die Indolalkaloide der Ergolen-Serie, insbes. Ergometrin und seine halbsynthetischen Derivate, sind von therapeutischem Interesse. Aufgrund der gemeinsamen Strukturmerkmale mit Neurotransmittern (Noradrenalin, Dopamin, Serotonin) treten die Mutterkornalkaloide mit adrenergen, serotonergen und dopaminergen Rezeptoren in Wechselwirkung und beeinflussen das ZNS (Sedierung) bzw. wirken gefäßkonstriktorisch. Ergometrin führt zu rhythmischen Kontraktionen des graviden Uterus, in höherer Dosierung zur Dauerkontraktion. Anw.: als Droge oder Zubereitung aus der Droge heute obsolet, da keine exakte Standardisierung der Inhaltsstoffe möglich ist. Große Bedeutung hat die Droge dagegen als Rohstoff für die industrielle Gewinnung der Mutterkornalkaloide. Volksheilkundlich früher in der Geburtshilfe zur Einleitung der Geburt eingesetzt (Name: Mutterkorn!) bzw. bei Migräne und neurovegetativen Störungen verwendet.
Hom.: Secale cornutum HAB1, das auf Roggen gewachsene, bei nicht mehr als 40 °C getrocknete Sklerotium. Anw.-Geb.: Gebärmutterkrämpfe, Muskelkrämpfe, Lähmungen, Krampfleiden, Durchblutungsstörungen, Blutungsneigung.
Histor.: Das früher oft im Brotgetreide enthaltene und aus Unkenntnis nicht ausgelesene Mutterkorn hat im Mittelalter wiederholt schreckliche Epidemien unter der armen Bevölkerung Europas ausgelöst, während die antiken Völker, die sich hauptsächlich von Weizen ernährten, verschont blieben. Die erste Beschreibung einer Mutterkornepidemie (Ergotismus) finden sich in den Annalen des Klosters Xanten aus dem Jahre 857. Bis ins 20. Jh. hinein traten in Europa immer wieder durch Mutterkorn ausgelöste Massenerkrankungen (dt. Kribbelkrankheit) auf. Diese Massenvergiftungen waren durch das Abfallen der Gliedmaßen (Gangräne) infolge der Gefäßkonstriktion in der Peripherie gekennzeichnet und als "Antoniusfeuer" gefürchtet. Die mittelalterlichen Städte waren durch zahlreiche Krüppel bevölkert, die ihre Gliedmaßen durch Mutterkornvergiftungen verloren hatten. Für medizinische Zwecke scheinen die Chinesen die Droge bereits im Altertum verwendet zu haben, 1582 gab Lonicerus in seinem Kräuterbuch eine derartige Verwendung an. Im 17. Jh. wurde die Droge in Deutschland in die gynäkologische Praxis eingeführt, v.a. zur Blutstillung nach der Geburt. Die Natur des Mutterkorns als Sklerotium eines schmarotzenden Pilzes wurde erst 1853 durch Tulasne aufgeklärt. Bis dahin glaubte man, daß Mutterkorn eine mißgebildete Frucht des Roggens wäre.



Claviceps purpurea, Mutterkorn







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