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Lexikon der Astronomie: Blazar

Dies ist ein weiterer Vertreter der Aktiven Galaktischen Kerne, und sie gehören hier zu den spektakulärsten und stärksten Repräsentanten. Die Wirtsgalaxien sind ausschließlich elliptischen Hubble-Typs, was im klassischen Modell der Galaxienentwicklung bedeutet, dass es sich um alte Sternensysteme handelt, die aus der Verschmelzung (jüngerer) Spiralgalaxien hervorgegangen sind.

Eigenschaften dieser Höllenmaschinen

Blazare haben einen ausgeprägten, kompakten Radiokern und zeigen Emission von Gammastrahlung bis in den Bereich von TeV! In der Gammaleuchtkraft übertreffen sie sogar die leuchtkräftigen Quasare! Sie sind über den gesamten Spektralbereich sehr variabel auf kurzen Zeitskalen (Tage!). Die Emissionsregion muss entsprechend sehr klein sein und nur wenige Lichttage im Durchmesser haben. Zur Einordnung: ein Lichttag entspricht etwa 173 AU, wobei die Bahn des Zwergplaneten Pluto bei etwa 40 AU ist. Der variable, innerste Bereich von Blazaren ist also bereits auf der Längenskala unseres Planetensystems!
Blazare besitzen ausgeprägte Jets. Per definitionem schaut der Beobachter bei Blazaren in den Jetstrahl mehr oder weniger hinein. Diese Jets sind also schwach geneigt (Inklinationswinkel etwa kleiner als 15 Grad) und aus diesem Grund sieht man meist nur einen einseitigen Jet. Dadurch dass sich das Jetplasma mit relativistischen Geschwindigkeiten bewegt, wird die Strahlung in Bewegungsrichtung kollimiert. Dies bezeichnet man als Vorwärts-Beaming (siehe Blauverschiebung). Als Folge sieht der Beobachter durch diesen Effekt der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) eine intensivere Emission des Jetstrahls der auf die Erde zeigt und eine unterdrückte Emission des Jetstrahls, der von der Erde wegzeigt (Back Beaming).

Schneller als das Licht – nicht wirklich

Als weiterer speziell relativistischer Effekt tritt die (scheinbare!) Überlichtgeschwindigkeit (engl. superluminal motion) auf. Man kann leicht mit den Methoden der SRT zeigen, dass die beobachtete Geschwindigkeit von Jetstrukturen die Lichtgeschwindigkeit um ein Vielfaches überschreiten kann. So misst man bei einigen Blazaren Geschwindigkeiten von Emissionsknoten (helle Gebilde im Jetstrahl) von 10c oder mehr! Dies kommt durch die spezielle Orientierung des Jets relativ zum Beobachter zustande. Intrinsisch bewegt sich der Jet natürlich relativistisch korrekt mit zwar sehr hohen, jedoch Unterlichtgeschwindigkeiten.

Ein Kamel von einem Spektrum

Die Blazar-Spektren zeigen oft einen 'Doppelhöcker' (Brown et al.: 'double humped'), der auf Synchrotron-Selbstabsorption (SSA) (siehe dazu Synchrotronstrahlung) zurückzuführen ist. Die TeV-Emission entstammt in einem konservativen Modell dem Prozess der Comptonisierung von der UV-Emission der Standardscheibe. In einem nicht-konservativen Modell, dem so genannten Proton Blazar Modell (Mannheim et al.) wird hingegen angenommen, dass im Jet Protonen (als hadronische Komponente neben den leptonischen Elektronen) auf ultra-relativistische Geschwindigkeiten beschleunigt werden können. Schocks im Jetplasma sollen über den Mechanismus der Fermi-Beschleunigung die Protonen auf diese Geschwindigkeiten bringen. Bei diesen hohen Protonenergien können nun über p-p-Kollisionen und p-γ-Reaktionen (Photonen des Hintergrunds, des Jets, der Scheibe) Pionen erzeugt werden, die unter den Bedingungen eines optisch dünnen Jets in Myonen und Myon-Neutrinos zerfallen. Die Myonen zerfallen weiter und erzeugen so auch Elektron-Neutrinos, so dass beide Vertreter dieser Leptonen im Verhältnis 2:1 (Myonenspezies zu Elektronspezies) gebildet werden. Dieses Verhältnis wird durch Neutrinooszillation auf 1:1 verschoben. Sollten diese Prozesse tatsächlich in den Blazar-Jets oder AGN-Jets im allgemeinen ablaufen, so sind AGN-Jets starke Neutrinoemitter und zwar mit Neutrinoenergien im Bereich von 1 bis 100 TeV! Man nennt sie UHE-Neutrinos, für ultra-hochenergetische (engl. ultra-high energetic) Neutrinos. Dieser Prüfstein wird von der nächsten Generation Neutrinodetektoren getestet werden: als Detektormaterial werden Eis (AMANDA, ICECUBE) oder Wasser (BAIKAL, NESTOR, ANTARES) genutzt. In diesen Medien werden wenn Neutrinos einfallen Myonen induziert, die zunächst höhere Geschwindigkeiten im Medium haben als Licht. Dann geschieht das optische Analogon des akustischen Überschallknalls: die Myonen emittieren Cerenkov-Strahlung, dessen Einhüllende einen Machschen Kegel bildet. Die Cerenkov-Photonen treffen lichtempfindliche Detektoren (engl. photomultiplier tubes, kurz PMTs) am Boden des Eis- oder Wasservolumens und werden so nachgewiesen. Die Beobachter können nun mit vielen PMTs die Myonen-Spur rekonstruieren (likelyhood Analyse) und um einen Versatz die Richtung am Himmel lokalisieren, aus der die UHE-Neutrinos (ultra-high energetic) kamen. Ein sicherer Nachweis von UHE-Neutrinos aus AGN wäre spektakulär!

Gigantische zentrale Motoren: superschwere Löcher

Die supermassereichen Schwarzen Löcher im Zentrum der Blazare gehören zu den größten überhaupt, wie Messungen der stellaren Geschwindigkeitsdispersion anhand des Kalzium Tripletts kürzlich ergeben haben (Barth et al., 2002): So besitzt der Blazar Markarian 501 ein Schwarzes Loch im Innern, das eine Masse von 0.9 bis 3.4 Milliarden Sonnenmassen aufweist!

Blazar Distanzrekord

Der am weitesten bisher detektierte Blazar im TeV-Bereich heißt H 1426+428 und hat eine Rotverschiebung von z = 0.129 (Aharonian et al. 2002).

Blaue Quasare

Man kennt eine weitere Klasse von Objekten, die man mittlerweile eher den Blazaren zuordnet: die Blauen Quasare (blue quasars), kurz BQs genannt. BQs zeigen intensive, breite Emissionslinien, ein 'flaches, hartes' und ein 'steiles, weiches' Röntgenspektrum (flach/steil bezieht sich auf die Steigungen der spektralen Äste; hart/weich auf die Energie der Strahlung). Gemäß Georganopoulos (2000) handelt es sich bei den BQs um 'verstellte' Blazare.
In eine ähnliche Richtung zielen die Unifikationsabsichten von Boettchen & Dermer (2001), die den früheren Blazar-Unterklassen,

  • FSRQs (flat spectrum radio quasars), also radio-lauten Quasaren mit flachem Spektrum,
  • LBLs (low-frequency peaked BL Lac Objects), also BL Lac Objekten, die bei kleinen Frequenzen ausgeprägt sind
  • und HBLs high-frequency peaked BL Lac Objects, also BL Lac Objekten, die bei hohen Frequenzen ausgeprägt sind, folgendes Entwicklungsschema zuordnen: wie unter anderem die Abnahme der Akkretionsrate nahe legt, sind die Klassen über den Entwicklungspfad FSRQ nach LBL nach HBL verknüpft. Demzufolge sind FSRQs ältere und HBLs jüngere Blazare. Zukünftige Beobachtungen sollen diese These stützen.

Weitere prominente Vertreter der Blazare sind Markarian 421, Mrk 501, W Comae, 3C 279 und GB1428+4217 (z = 4.72).

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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