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Lexikon der Astronomie: Boyer-Lindquist- Koordinaten

Mit diesem Koordinatensystem beschreiben Astrophysiker und Relativitätstheoretiker üblicherweise rotierende Schwarze Löcher, also die Kerr-Lösung. Diese Koordinaten sind pseudo-sphärisch und zeigen, dass die Kerr-Geometrie asymptotisch flach ist.

Spezialkoordinaten verraten Eigenschaften der rotierenden Raumzeit

Boyer-Lindquist-Funktionen Die Kerr-Lösung wird eindeutig charakterisiert durch die beiden Parameter Masse M und spezifischen Drehimpuls a. Das Linienelement der Kerr-Metrik enthält in der Boyer-Lindquist-Form einige typische Funktionen, die rechts vorgestellt sind und auch einen physikalischen Gehalt haben: α kennzeichnet üblicherweise die Lapse-Funktion, die am Ereignishorizont null wird. Der damit verbundene allgemein relativistische Effekt heißt Gravitationsrotverschiebung bzw. gravitative Zeitdilatation. Δ ist eine Funktion, die aus einer Eichfreiheit der Kerr-Geometrie heraus gewählt werden kann und ebenfalls an innerem Horizont (siehe auch Cauchy-Fläche) und äußerem Horizont (dem Ereignishorizont) verschwindet; man könnte diese Funktion Horizontfunktion nennen, weil sie die Horizonte festlegt. ρ ist ein verallgemeinerter Radius mit Winkelabhängigkeit. Σ ist eine Hilfsfunktion, die für verschwindenden Drehimpuls a (Schwarzschild-Lösung) in das Quadrat der Radialkoordinate übergeht. ω heißt Frame-Dragging-Frequenz oder Drehimpulspotential. Diese Funktion hat einen sehr steilen Gradienten, d.h. sie fällt mit der dritten Potenz im Radius ab und hat daher nur eine besondere Signifikanz in unmittelbarer Nähe zum Horizont. Dort ist sie ein Maß für die Rotation der Raumzeit und aller Objekte, die sich dort befinden. Ihr Wert am Horizont entspricht der maximalen Rotationsfrequenz. Das rotierende Loch zwingt allen Objekten diese Rotationsfrequenz am äußeren Horizont auf. Schließlich bezeichnet ω mit Tilde den Zylinderradius, weil das 2π-fache dieser Größe gerade der Umfang eines Zylindermantels ist, dessen Symmetrieachse gerade mit der Rotationsachse des Loches zusammenfällt.

Vor- und Nachteile der Boyer-Lindquist-Koordinaten

Die Boyer-Lindquist-Koordinaten haben den Vorteil, dass die Kerr-Raumzeit eine mathematisch recht einfach Gestalt hat: der metrische Tensor der nicht-diagonalen Kerr-Lösung hat in Boyer-Lindquist-Form nur einen so genannten Kreuzterm im Linienelement (nämlich g).
Aber die Boyer-Lindquist-Koordinaten weisen auch pathologische Eigenschaften auf, denn sie enthalten zwei Koordinatensingularitäten: Eine befindet sich auf der Rotations- bzw. Symmetrieachse der Kerr-Geometrie bei verschwindendem Poloidalwinkel (θ = 0). Die andere markiert die beiden Horizonte, r- und r+, mit der Bedingung Δ = 0. Letztere Eigenschaft macht sich dadurch bemerkbar, dass die Komponente grr des metrischen Tensors in Boyer-Lindquist-Form an beiden Horizonten gegen unendlich divergiert. Beide Koordinatensingularitäten verschwinden bei Einführung neuer Koordinaten, die so genannten Horizont-angepassten Koordinaten, wie beispielsweise den Kerr-Schild-Koordinaten im Falle der Kerr-Metrik.

Originalpublikation

  • Boyer, R. H. & Lindquist, R. W., J. Math. Phys. 8, 265, 1967

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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