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Lexikon der Astronomie: Graviton

Das Graviton ist das hypothetische Austauschteilchen (Eichboson) einer Quantenfeldtheorie der Gravitation, einer Quantengravitation. Es ist ein Tensorboson und hat damit Spin 2.

Graviton vs. Photon

Wie beim Photon erwartet man, dass seine Ruhemasse exakt null ist, weil die Gravitation ebenso wie die elektromagnetische Wechselwirkung im Prinzip eine unendliche Reichweite hat. Gravitonen bewegen sich ebenfalls mit der Lichtgeschwindigkeit c, wie die Photonen.
Das Graviton darf nicht mit den unquantisierten Gravitationswellen verwechselt werden: die Gravitationswellen folgen aus den Einsteinschen Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART), die aber eine klassische (soll heißen unquantisierte) Theorie ist. Die Gravitonen sind Quanten und müssen mit quantenfeldtheoretischen Konzepten beschrieben werden.

Ein bisschen Feldtheorie

Einstein-Lagrangedichte Der feldtheoretische Ansatz besteht darin, sich die Lagrangedichte der betreffenden Feldtheorie zu beschaffen. Aus ihr folgt durch Auswertung der Euler-Lagrange-Gleichungen (wie man sie schon in der klassischen Mechanik notiert) die Bewegungsgleichung der Theorie, die Feldgleichungen. Eine solche Lagrangedichte wurde auch für die ART gefunden, die Einstein-Lagrangedichte (siehe Formel rechts). Dabei bezeichnet g die Determinante der Metrik und R die skalare Krümmung, die aus den Verjüngungen von Ricci-Tensor und Riemann-Tensor folgen. Im Prinzip lassen sich aus diesem Ansatz und der Annahme einer Lagrangedichte für die Materiefelder (mit endlichem analytischen Rechenaufwand) die vollen Einsteinschen Feldgleichung als Bewegungsgleichungen der ART ableiten!

Ansatz für den metrischen Tensor in einer linearisierten Theorie für Gravitonen Im Zugang einer Relativistischen Feldtheorie der Gravitation (relativistic field theory of gravity, RTG) geht man wie bei den Gravitationswellen auch zunächst mit einem linearisierten Ansatz für die Metrik an das Problem heran. Man stattet die Gravitonen mit Masse aus, um gegebenenfalls den Masseparameter a posteriori null zu setzen, wie experimentell zu erwarten wäre. Wiederum handele es sich um schwache Gravitationsfelder, die nur wenig von der Minkowski-Metrik abweichen mögen (siehe Gleichung oben). Es handelt sich also um eine lineare Gravitation mit massebehafteten Gravitonen auf einer flachen Hintergrundmetrik. Die Lagrangedichte sieht dann so aus, wie in der folgenden Gleichung dargestellt:

RTG-Lagrangedichte für massive Gravitonen

Andrei Gruzinov zeigte 2002, dass ein masseloses Graviton noch nicht durch Beobachtungen ausgeschlossen werden kann. Er nahm Bezug auf Beobachtungen im Sonnensystem, im Speziellen die Lichtablenkung im Gravitationsfeld der Sonne und die Periheldrehung des Merkurs, die ein masseloses Graviton nahe legen sollen (Zakharov 1970, van Dam & Veltman 1970). Eine Behandlung mit massiven Gravitonen und der zweiten hier präsentierten Lagrangedichte (m: Gravitonenmasse, a = -1: Pauli-Fierz Massenterm) zeige hingegen, dass es nur eine Obergrenze für die Gravitonenmasse gebe.
Die Kollegen Gershtein et al. bestätigen diese These anhand von gemessenen WMAP-Daten. Bei Zugrundelegung des gemessenen, totalen Dichteparameters von 1.02 (flaches Universum) und dem Hintergrund der Robertson-Walker-Metrik, leiten sie eine Obergrenze der Gravitonenmasse von 1.3 × 10-66 Gramm bzw. 7.3 × 10-34 eV ab. Dieser Zahlenwert ist winzig, aber endlich.
Mit diesen Ergebnissen ist jedoch die verschwindende Ruhemasse noch nicht ausgeschlossen! Weitere Messungen und neue theoretische Zugänge bleiben abzuwarten. Die Erwartung scheint sich jedoch zu erfüllen.

Quantengravitation und mehr Raumdimensionen

Die Quantengravitation birgt weitere faszinierende Aspekte: schon Anfang des letzten Jahrhunderts wurde über die Möglichkeit spekuliert, dass neben den vier Dimensionen der Relativitätstheorie zusätzliche Raumdimensionen existieren könnten. In der Kaluza-Klein-Theorie der 1920er Jahre wurde der Versuch unternommen die ART mit der Elektrodynamik in einer übergeordneten, vereinheitlichten Theorie zu beschreiben. Leider hatte diese Theorie einige Pathologien, so dass erst Anfang der 1990er Jahre im Rahmen der Stringtheorien das Thema Extradimensionen wiederbelebt wurde. Die aktuelle Forschung spekuliert darüber, ob die Physik des Standardmodells der Teilchenphysik auf einen niedrigdimensionalen Raum (Unterraum, engl. subspace) – einer so genannten 3-Bran – beschränkt ist, während sich die Gravitation in einem höherdimensionalen Raum, nämlich 3-Bran plus Extradimensionen, dem Bulk, ausbreiten kann. Das hätte unter anderem die erstaunliche Konsequenz, dass Gravitonen, die in hochenergetischen Stößen (z.B. in Teilchenbeschleunigern) entstehen könnten, in Extradimensionen verschwinden und damit Energie forttragen! Experimente, die den Energieerhaltungssatz verletzen, könnten daher ein Indiz für solche Prozesse sein. Danach wird in Teilchenbeschleunigern der neusten Generation tatsächlich gesucht.

Quellenverweise

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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