Direkt zum Inhalt

Lexikon der Astronomie: Hintergrundstrahlung

Die kosmische Hintergrundstrahlung wurde 1965 von Arno Allan Penzias (* 1933) und Robert Woodrow Wilson (* 1936) entdeckt, was 1978 mit dem Nobelpreis für Physik belohnt wurde.

Eigenschaften dieser Strahlung

Diese Strahlung wird auch Drei-Kelvin-Strahlung genannt, weil sie einem thermischen Strahler (Planckscher Strahler, Hohlraumstrahler, Schwarzer Körper) der Temperatur von fast drei Kelvin gleichkommt. Damit liegt sie im Spektralbereich der Mikrowellen. Die diffuse Hintergrundstrahlung ist außerdem extrem isotrop verteilt, d.h. sieht in alle Richtungen gleich aus.

Die Interpretation ist ein Hammer!

Die Hintergrundstrahlung wurde so interpretiert, dass sie nicht einer irdischen Quelle oder einer fixierten kosmischen Quelle zugeordnet werden kann, sondern dem Universum selbst! Die Hintergrundstrahlung entspricht gerade denjenigen Photonen, die in der Rekombinationsära der Kosmologie von der gebildeten Urmaterie bei einer kosmologischen Rotverschiebung von z ~ 1100 oder etwa 400000 Jahre nach dem Urknall lösten. Der Fachmann spricht hier von der Entkopplung der Strahlung.

Warum geschah das?

Nun, das Szenario gestaltet sich wie folgt: Das Universum war in dieser Epoche deutlich kleiner und heißer, aber es dehnte sich aus. Die Strahlung war im Urplasma, das im Wesentlichen aus Elektronen und Protonen bestand, 'gefangen'. Ursprünglich entstanden die Photonen schon in der GUT-Ära, als sich Materie und Antimaterie vernichteten (Annihilation). Die 'Ursuppe' aus Elektronen, Protonen und Photonen befand sich im thermischen Gleichgewicht, weil die Teilchen ständig aneinander stießen und somit immer in thermischen Kontakt waren. Deshalb kann dem Urplasma eine feste Temperatur von etwa 3000 Kelvin zugeordnet werden – das ist gerade einmal die Hälfte der Temperatur des Plasmas der Oberfläche der Sonne! Der expandierende Feuerball kühlte mit der Ausdehnung ab. Schließlich wurde er kalt genug, dass die Elektronen von den Protonen eingefangen werden konnten.

erste Atome

Es bildeten sich die ersten Atome, allen voran neutraler Wasserstoff (HI). Dieser Rekombination genannte Vorgang veränderte schlagartig die Transparenzeigenschaften des Universums für elektromagnetische Strahlung. Denn die Photonen des Urplasmas wurden nicht mehr an elektrisch geladenen Teilchen gestreut. Die Strahlung wurde frei und das Universum wurde durchsichtig. Genau dieser Sachverhalt verbirgt sich auch hinter der wissenschaftlichen Formulierung der Entkopplung von Strahlung und Materie. Jetzt kommt wesentlich zum Tragen, dass sich das Urplasma im thermodynamischen Gleichgewicht befand: Die 'befreiten' Photonen hatten deshalb eine wohl definierte Energie und unterschieden sich kaum voneinander. Mit dem Wienschen Verschiebungsgesetz (siehe Eintrag Spektraltyp) lässt sich aus der Temperatur von 3000 Kelvin die Wellenlänge der Hintergrundstrahlung zu etwa einem Mikrometer berechnen – das ist jedoch die Wellenlänge 'vor Ort', als die Photonen ausgesandt wurden. Die weitere Expansion des Kosmos kühlte diese anfangs heißen Photonen aufgrund der kosmologischen Rotverschiebung jedoch stark ab. Das Resultat wurde schließlich erstmals 1965 von Menschen beobachtet: die 2.72 Kelvin kalte, isotrope kosmische Hintergrundstrahlung. Wiederum mit dem Wienschen Verschiebungsgesetz lässt sich zu den 2.72 Kelvin eine beobachtete Wellenlänge von etwa einem Millimeter berechnen. Von dieser Urstrahlung gibt es immer noch 412 Photonen pro Kubikzentimeter im lokalen Universum vor unserer Haustür.

Das älteste kosmische Signal

In der Rekombinationsära bei z ~ 1100 gab es weder Sterne noch Galaxien. Mit aktuellen kosmologischen Parametern (Anteil Dunkler und normaler Materie 26%, Dunkle Energie 74%, Hubble-Konstante von 72 km/s/Mpc) entspricht eine kosmologische Rotverschiebung von z = 1100 einem Alter des Universums von nur etwa 400000 Jahren! Damit ist die kosmische Hintergrundstrahlung das Älteste, was Menschen je beobachtet haben! Vermutlich gehört diese Entdeckung zu den größten Errungenschaften der Menschheit. Der Mikrowellensatellit WMAP legt ein Alter des Universums von 13.7 Milliarden Jahren nahe. Die Hintergrundstrahlung ist also entsprechend 13.6996 Milliarden Jahre alt!

Stütze der Urknall-Theorie

Die Hintergrundstrahlung ist zusammen mit der beobachteten Fluchtbewegung der Galaxien (Edwin Hubble, 1929) – dem Hubble-Effekt – ein schwerwiegendes Argument für den Urknall. Denn etwas, das expandiert, muss zu früheren Zeitpunkten kleiner gewesen sein.

WMAP-Himmelskarte der Hintergrundstrahlung

Nobelpreis für Physik 2006

Die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung (engl. cosmic microwave background radiation, CMBR) wurde sehr genau vermessen: Ballone (BOOMERANG, MAXIMA) und Satelliten (COBE, WMAP, ab 2008: PLANCK) bestimmten die Verteilung der Strahlung am Himmel sehr genau. Dabei stellte sich heraus, dass sie geringfügige Anisotropien auf der Skala von Mikrokelvin (10-6 Kelvin) aufweist. Das heißt, dass der eine Himmelsausschnitt gegenüber einem anderen eine geringfügig andere Temperatur aufweist. Kosmologen nehmen an, dass diese Fluktuationen bereits von den ersten jungen Galaxien aufgeprägt wurden. Denn durch die damit verbundenen geringen Über- und Unterdichten in der Materieverteilung werden die Hintergrundphotonen beeinflusst. Deshalb wird die gemessene Strahlungsverteilung am Himmel oft mit der gelungenen Wortschöpfung 'Babyfoto des Universums' bezeichnet.
Zur Jahreswende 1989/1990 wurden mithilfe des Satelliten COBE (Cosmic Background Explorer) die Anisotropien erstmals entdeckt. Im Oktober 2006 wurde bekannt gegeben, dass diese Leistung mit dem Nobelpreis für Physik 2006 geehrt werden soll. Der Nobelpreis ging an die an COBE beteiligten amerikanischen Wissenschaftler John C. Mather (Goddard Space Flight Center, NASA) und George Smoot (University of California, Berkeley).
Die Hintergrundstrahlung vom gesamten Himmel wird als Falschfarbenbild dargestellt, wobei jeder Position auf der Himmelskarte eine Farbe zugeordnet wird. Die Farbe ist ein Maß für die Temperatur der Strahlung: Hohe Temperaturen sind rot, tiefe hingegen blau dargestellt. Der Himmel wurde auf eine Kugel projiziert, und damit man den ganzen Himmel sieht, zeigt die Abbildung oben Vorder- und Rückseite der Kugel. Die Anisotropien sieht man in diesen Beobachtungsdaten als Flecken auf dem Himmelsglobus, der ein Resultat der auf COBE nachfolgenden Satellitenmission WMAP ist (Credit: NASA/WMAP Science Team, 2003; große Version). Die Mikrowellenemission der Milchstraße wurde abgezogen, weil sonst ein 'breites, rotes Band' die Äquatorialebene (d.h. die galaktische Ebene) zieren würde. Durch diese Reduktionsverfahren (auch unzählige, andere helle Punktquellen müssen herausgerechnet werden) kommen die Kosmologen an die eigentliche, kosmologische Information: die Energie der 'Urphotonen'. Der Betrachter des Himmelsglobus erkennt sofort einige Strukturen, z.B. ausgedehnte, kühle oder knotige, heiße Regionen.

Powerspektren: Fingerabdruck der Hintergrundstrahlung

In der Analyse gehen die Kosmologen allerdings noch präziser vor. Sie werten so genannte Winkel-Powerspektren (engl. angular power spectra) aus. Die Intensitätsverteilung der Hintergrundstrahlung am Himmel wird in Multipole entwickelt. Die Winkel-Powerspektren zeigen über der Ordnung l des Multipols. Bei l ~ 220 tritt der erste akustische Peak auf, bei l ~ 540 der zweite. Eine Lambda-CDM-Kosmologie bestehend aus einem dominanten, hohen Anteil an Dunkler Energie (73%) und Dunkler Materie (23%), aber nahezu verschwindendem Anteil baryonischer Materie (4%) erklärt diese Powerspektren recht gut. Doch kürzlich wurden Zweifel an diesen gemessenen Anteilen laut, weil die Hintergrundstrahlung bei ihrer Propagation Streueffekten unterliegt, die ihre Signatur verfälschen können. Man nennt dieses Phänomen den Sunyaev-Zel'dovich-Effekt und meint damit, dass die CMB-Photonen aus der Rekombinationsära bei ihrer Propagation ins lokale Universum an der Materie von mittlerweile entstandenen Protogalaxien gestreut werden. Es handelt sich um Compton-Streuung (vergleiche Comptonisierung), wo die Photonen insbesondere an Elektronen im heißen Clustergas von Galaxienhaufen gestreut werden. Dieser Streuprozess könnte sich stärker bemerkbar machen, als bisher angenommen. Es muss daher detailliert untersucht werden, wie die gemessenen Powerspektren durch Streueffekte modifiziert werden, so dass daraus wiederum die kosmologischen Parameter eindeutig abgeleitet werden können. Dies ist ein Gegenstand der aktuellen kosmologischen Forschung.

weitere Spuren aus der Polarisation

Ein zweiter ist die Polarisation der Hintergrundstrahlung. Polarisation ist eine Eigenschaft elektromagnetischer Wellen. Bei polarisiertem Licht schwingen die Feldvektoren in einer Vorzugsrichtung, z.B. in einer Ebene bei linear polarisiertem Licht. Eine Sonnenbrille ist nicht anderes als ein Polarisationsfilter, der eine bestimmte Polarisationsebene des unpolarisierten Sonnenlichts 'ausblendet': die Intensität hinter der Brille nimmt ab. Streuung von elektromagnetischen Wellen an geladenen Teilchen ruft ebenfalls eine Polarisation hervor. Auch Synchrotronstrahlung ist immer linear polarisiert. Im Zusammenhang mit der Hintergrundstrahlung tritt Polarisation dann auf, wenn die Hintergrundphotonen an Elektronen gestreut werden. Die Elektronen wurden zwar in der Rekombinationsära an Protonen gebunden. In der kosmologisch nachfolgenden Reionisationsära allerdings wurde das neutrale Umgebungsmedium erneut z.B. durch die ersten Sterngenerationen ionisiert. Das intergalaktische Medium ist deshalb wieder von Elektronen bevölkert, die als Streuzentren für die Hintergrundstrahlung wirken. Hintergrundstrahlung trägt also zweierlei Information: Temperaturfluktuation und Polarisation. Die Kosmologen nutzen diesen zweiten Informationsgehalt natürlich aus, denn so können sie aus der Polarisation etwas über den Zustand der Elektronen im frühen Universum erfahren.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.