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Lexikon der Astronomie: Horn-Universum

Das Horn-Universum ist eine faszinierende und außergewöhnliche Alternative zu flachen Modell-Universen der Kosmologie. Es handelt sich dabei um ein hyperbolisches Universum (negative Krümmung) mit hornförmiger Topologie, das geringfügig vom allgemein angenommenen flachen Universum abweicht. Die Idee wurde 2004 von theoretischen Physikern aus Ulm (Aurich et al. 2004, astro-ph/0403597 sowie astro-ph/0412407) präsentiert.

zuächst zur Standardkosmologie

Die Eigenschaften des Universums können anhand der gemessenen Verteilung der kosmischen Hintergrundstrahlung am gesamten Himmel ermittelt werden. Sie weist sehr schwache, richtungsabhängige Unregelmäßigkeiten (Anisotropien) auf. In diesen Strukturen sind Informationen aus der Frühphase des Kosmos aufgeprägt, insbesondere Informationen über die Rekombinationsepoche bei einer kosmologischen Rotverschiebung von z ~ 1100. Aus den Daten folgt ein Satz kosmologischer Parameter, der die Ausdehnungsgeschwindigkeit des Universums in Form der Hubble-Konstante sowie die Einzelbeiträge unterschiedlicher Energieformen, wie der Dunklen Energie, der Dunklen Materie und der gewöhnlichen Materie umfasst. Der amerikanische NASA-Satellit WMAP liefert diesbezüglich zurzeit die besten Daten. Doch die Daten lassen noch einen Spielraum, den die Kosmologen ausnutzen, um verschiedene kosmologische Modelle anzupassen. Die Hoffnung ist, dass Hypothesentests und noch präzisere Daten eines der Modelle als unsere Vorstellung vom Universum auserwählen. Das einfachste Modell nennt man das Konsens-Modell (engl. concordance model). Hier geht man vom nahe liegenden Fall aus, dass das Universum global flach ist (Krümmung null) und eine triviale Topologie besitzt. Außerdem wird hier ein unendliches Universum angenommen.

topologische Freiheiten

Doch es gibt eine gewisse Freiheit bei der Topologie des Kosmos und nicht-triviale Topologien können nicht ausgeschlossen werden. Freilich ist die Analyse alternativer Toplogien ein schwierig zu bestimmender Sachverhalt. Unter 'kosmischer Topologie' kann man sich vorstellen, wie Teile des Universums miteinander verknüpft sind. Es sind durchaus Mehrfachverknüpfungen ganz unterschiedlicher Bereiche des Kosmos denkbar, die zu erstaunlichen Effekten und kosmischen optischen Täuschungen führen können. Eine topologische Variante besteht im Dodekaeder-Universum, das 2003 von Luminet et al. vorgeschlagen wurde. Das Universum kann man sich hier zergliedert in Pentagon-Dodekaeder vorstellen, deren Berandungsflächen aneinander anschließen.

nun zum Horn

Eine ganz andere Realisierung besteht nun im Horn-Universum. Es ist wie das Dodekaeder-Universum hyperbolisch, also negativ gekrümmt und endlich, hat also ein begrenztes Volumen. Die Form kann man sich vorstellen wie eine gebogene Schultüte mit einer Spitze. Es ist anschaulich klar, dass es an der Spitze zu faszinierenden topologischen Effekten kommen muss. Die Verteilung der Hintergrundstrahlung (CMB-Karte) kann man in Multipole entwickeln. Die Daten von WMAP belegen, dass Multipole niedriger Ordnung stark unterdrückt sind. Genau dieses Phänomen vermag das Horn-Universum zu erklären. Bisher nahm man an, dass Horn-Universen auffällige Flecken auf der CMB-Karte erzeugen müssten. Weil man solche Flecken nicht beobachtete, fand das Horn-Universum nicht weiter Beachtung. Aurich et al. konnten zeigen, dass die Berücksichtigung von Moden höherer Wellenzahlen diese Flecken verschwinden lassen. Dieser Umstand 'rettet' das Horn-Universum und belebt es als Alternative für ein Modell-Universum wieder.
Die mathematischen Grundlagen des Horn-Universums gehen bereits auf das 19. Jahrhundert zurück: Nach dem französischen Mathematiker Charles Emile Picard (1856 – 1941) wurde das Picard-Modell benannt (Originalpapier, 1884). Das Horn hat eine unendliche Länge, aber endliches Volumen.
Die Intensität der Mikrowellen in der Hintergrundstrahlung bilden im Prinzip am ganzen Himmel eine Temperaturverteilung des frühen Universums ab. Diese Information stellen die Kosmologen in Form der winkelabhängigen Temperatur-Autokorrelationsfunktion dar. Die Satellitendaten von COBE (1990) und WMAP (2003) belegen eine schwache Korrelation bei großen Winkeln zwischen etwa 70 und 150 Grad. Es stellt sich heraus, dass unter Zugrundelegung des Horn-Universums gerade diese Beobachtung erklärt werden kann. Das konservative Konsens-Modell vermag das nicht! Zukünftige Beobachtungen mit dem Satelliten PLANCK (Start 2008) werden hoffentlich Klarheit über die exakte Krümmung und Topologie des Universums verschaffen.

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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