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Lexikon der Astronomie: Kompaktes Objekt

Unter einem kompakten Objekt (engl. compact object, CO) versteht man in der Astronomie Objekte enorm hoher Dichte. Die kritische Grenze, ab der Astronomen von COs sprechen, liegt bei etwa einer Million Gramm pro Kubikzentimeter. Zum Vergleich: die mittlere Dichte der Sonne liegt gerade bei 1.4 g/cm3 – das sind demnach sechs Größenordnungen mehr!

Kompaktheit erfordert Einstein

Die kompakten Objekte sind so dicht, dass sie die Raumzeit ungemein stark krümmen. Eine adäquate Beschreibung erfordert daher die Allgemeinen Relativitätstheorie. COs sind ein Teilgebiet der relativistischen Astrophysik. In den extremsten Formen kompakter Objekte ist sehr wahrscheinlich sogar eine Quantisierung der Gravitation erforderlich. Bislang gibt es in der modernen Physik noch keine bewährte Quantengravitation!

Typen kompakter Objekte

Die Einteilung der Objekte mit ansteigender Kompaktheit ist Weißer Zwerg, Neutronenstern und Schwarzes Loch. Neben diesen klassischen drei Typen gibt es weitere Vorschläge, die von einigen Forschern diskutiert werden, die sich allerdings noch nicht etabliert haben: Quarkstern und seltsamer Stern sind etwas kompakter als ein Neutronenstern; Bosonenstern, Fermionenstern, Gravastern, Holostern und Vakuumstern sind Alternativen zum klassischen Schwarzen Loch aus Einsteins Theorie. Sie sind eventuell sogar noch von ganz allgemeiner Bedeutung, beispielsweise in der Kosmologie oder Teilchenphysik.

Ursprung kompakter Objekte

Von diesen COs nimmt man an, dass sie im Rahmen der Sternentwicklung aus normalen Sternen hervorgehen. Die Masse des Vorläufersterns entscheidet darüber, welcher CO-Typ als stabile, kompakte Endkonfiguration im Gravitationskollaps der Sternrestmaterie gebildet wird:

  • Bei massearmen Vorläufersternen, die etwa eine Sonnenmasse aufweisen, folgt nach dem Stadium eines Roten Riesen der Übergang des Sternkerns in einen Weißen Zwerg. Der Zwerg ist eingebettet in einen Planetarischen Nebel, der aus den abgestoßenen Hüllen des ehemaligen Riesensterns besteht. Der Übergang von Riesen auf Zwerg relativ unspektakulär (ohne Sternexplosion!) und wird das Schicksal der Sonne in wenigen Milliarden Jahren sein. Weiße Zwerge werden durch den Entartungsdruck der Elektronen stabilisiert, der aufgrund des Pauli-Prinzips bei hohen Sterndichten wichtig wird. Diese Stabilisierung durch Quantendruck funktioniert aber nur bis zu einem bestimmten Massenlimit, der so genannten Chandrasekhar-Grenze.
  • Bei massereichen Vorläufersternen, die alle Brennzyklen der thermonuklearen Fusion durchlaufen und eine zentrale Restmasse zwischen 1.45 und 1.65 Sonnenmassen aufweisen, erfolgt der Übergang zu einem noch kompakteren Objekt als dem Weißen Zwerg: zu einem Neutronenstern, der auch als Pulsar und Magnetar in Erscheinung treten kann. Diese Objekte werden durch den Entartungsdruck der (ebenfalls fermionischen) Neutronen stabilisiert. Bei einer Dichte von etwa 5 × 1014 g/cm3 ist die Kernmateriedichte bereits überschritten. Hier findet im Innern des Neutronensterns der Übergang in ein Quark-Gluonen-Plasma statt. In einem vergleichbaren Dichteregime (4× 1014 g/cm3, je nach Bag-Konstante, die in die Zustandsgleichung dieser Quarkmaterie eingeht) könnte die seltsame Materie frei existieren. Dies hängt davon ab, ob die Hypothese Seltsamer Materie tatsächlich gilt, wonach u- d- und s-Quarks zu gleichen Teilen den Grundzustand der Quantenchromodynamik repräsentieren. Falls sich dies als richtig erweisen sollte, ist zu erwarten, dass nach den Neutronensternen die Quarksterne und insbesondere die seltsamen Sterne (engl. strange stars) die nächsten kompakten Objekte in der Hierarchie sind. Die maximale Masse des Quarksterns ist bisher nicht eindeutig von der Theorie zu bestimmen und liegt zwischen 1.3 und 3.2 Sonnenmassen.
  • Bei sehr massereichen Vorläufersternen kann auch der Entartungsdruck von Fermionen oder der Druck seltsamer Materie den Kollapsar nicht mehr stabilisieren. Dann erwartet man als letzte stabile Endkonfiguration ein stellares Schwarzes Loch. Die kollabierende Masse muss etwa drei Sonnenmassen schwer sein, um ein Schwarzes Loch bilden zu können. Das ist der kanonische Wert – evt. ist diese Grenze etwas niedriger, weil die Physik ultrakompakter Materie noch nicht in allen Details verstanden ist. Die gesamte Restmasse des kollabierten Sterns steckt dann in der intrinsischen Singularität des Loches.
    Ist das erzeugte Schwarze Loch statisch, so sprechen die Astronomen von einem Schwarzschild-Loch; viel wahrscheinlicher ist, dass das im Sternkollaps entstandene Loch rotiert, weil es den Drehimpuls des Vorläufersterns übernommen hat (Drehimpulserhaltung). Astronomen nennen dieses Schwarze Loch ein Kerr-Loch.
    Die Theoretiker diskutieren derzeit, ob sich alternativ zum Schwarzen Loch auch ein Gravastern oder ein Holostern gebildet haben könnte. Diese Alternativen zum Schwarzen Loch werden einer modernen Auffassung des physikalischen Vakuums gerecht – vermutlich mehr als es die Schwarzen Löcher tun. Eine Problematik dabei ist, dass Astronomen zurzeit keine Möglichkeit haben, um Schwarzschild-Loch, Gravastern und Holostern aufgrund einer astronomischen Beobachtung zu unterscheiden. Nur in den Fällen, wo eine Rotation nachgewiesen wurde, muss es nach gegenwärtigem Stand der Theorie ein Kerr-Loch sein.

echte Hingucker

Fast alle Erzeugungsmechanismen, die zu diesen kompakten Objekten führen, sind verbunden mit einer heftigen Sternexplosion, einer Supernova. Eine Ausnahme bildet die Entstehung Weißer Zwerge, wo der Übergang recht glimpflich abläuft. Hier 'dampfen nur' die äußeren Sternschalen ab, um einen farbenprächtigen Planetarischen Nebel zu bilden, während im Innern das kompakte Relikt übrig bleibt. Die Entstehung von Neutronensternen und kompakteren Kollapsaren ist begleitet von Supernovae: Diese Explosion entsteht beim Rückprall (engl. back bounce) der vom Gravitationskollaps getriebenen, einlaufenden Schockwelle am kompakten Sternkern. Während also die innere Sternrestmasse weiter in sich zusammenfällt, explodieren die äußeren Sternhüllen. Hier laufen die für die Metallentstehung wichtigen r-Prozesse und p-Prozesse ab.
Die Explosion ist bei besonders massereichen Vorläufersternen, z.B. Wolf-Rayet-Sternen oder Sternen, die mit dem Superstern η Carinae (~ 100 Sonnenmassen) vergleichbar sind, noch heftiger. Die Bildung des stellaren Schwarzen Loches ist dann mit einem (langzeitigen) Gamma Ray Burst (GRB) bzw. mit einer Hypernova, assoziiert. GRBs beobachten Astronomen in isotroper Verteilung am Himmel, auch in kosmologischen Distanzen.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Gravitationskollaps und Sternexplosion in einer vollständigen Zerstörung der Konfiguration ohne nennenswertes, kompaktes Relikt enden. Dann wird das Sternplasma komplett im interstellaren Medium (ISM) verteilt und reichert es mit Metallen an, die für die nächste Sterngeneration (vergleiche Population) zur Verfügung stehen.

kompakt, aber deutlich schwerer

Die bisher diskutierten kompakten Objekte entstehen im Rahmen der Sternentwicklung aus Sternen. Es kann Schwarze Löcher, Grava- und Holosterne jedoch auch mit deutlich höheren Massen geben, als auf der stellaren Massenskala. Bei solchen Schwarzen Löchern spricht man von mittelschweren Schwarzen Löchern (engl. intermediate-mass black holes), die typische Massen im Bereich von 100 bis eine Million Sonnenmassen haben. Es gibt Beobachtungshinweise, dass dieser Typus vermutlich die Zentren von Kugelsternhaufen, jungen Sternhaufen und Zwerggalaxien bevölkert. Außerdem wird diskutiert, ob die ultrahellen Röntgenquellen (engl. ultraluminous X-ray sources, ULXs) ihre extreme Röntgenhelligkeit durch mittelschwere Schwarze Löchern speisen.
Die Massenskala setzt sich nach oben hin noch weiter fort: supermassereiche Schwarze Löcher (engl. supermassive black holes, SMBH) haben gigantische Massen von einer Million bis knapp 10 Milliarden Sonnenmassen! Die SMBHs findet man in nahezu allen Zentren von Galaxien, auch im Zentrum der Milchstraße. Das Schwarze Loch im Galaktischen Zentrum, identisch mit der kompakten Radioquelle Sgr A*, ist allerdings mit etwa 3.6 Mio. Sonnenmassen eher am unteren Ende der SMBH-Massenskala. Die größten Vertreter ihrer Art befinden sich in Riesenellipsen (siehe auch Hubble-Klassifikation) wie M87, die die Zentren ganzer Galaxienhaufen darstellen. In besonders spektakulärer Weise treten die supermassereichen Schwarzen Löcher in Aktiven Galaktischen Kernen (AGN) in Erscheinung: Hier sorgen sie über Akkretion von Umgebungsgas und Sternen für die charakteristisch hohe Leuchtkraft und Aktivität der AGN. Dabei kann es (je nachdem wie das Loch gefüttert wird) auch zur Produktion von relativistischen Jets kommen. Das geschieht besonders bei Radiogalaxien und radiolauten Quasaren.
Die Paarung von Schwere und Kompaktheit ist bei den supermassereichen Schwarzen Löcher unglaublich! Nehmen wir den Extremfall von zehn Milliarden Sonnenmassen, der auch beobachtet wurde. Dieses gewaltige Loch wiegt schon fast soviel wie ein Zehntel der Milchstraße, einer ganzen Galaxie! Der Schwarzschild-Radius beträgt jedoch knapp dreißig Milliarden Kilometer oder knapp 200 Astronomische Einheiten.

Zusammenfassende Übersicht

Die vorgestellten Eigenschaften der kompakten Objekte lassen sich knapp in einer Übersicht zusammenfassen. Die folgende Tabelle (große Version) staffelt die COs aufsteigend nach Kompaktheit. Hier wurde als Maß für Kompaktheit die mittlere Dichte in der letzten Spalte verwendet.

Tabelle kompakter Objekte

Die Schwarzen Löcher nehmen in vielerlei Hinsicht eine Sonderposition ein: Sie haben im Prinzip eine beliebige Masse. Als Lochradius wurde hier der Ereignishorizont eines nicht rotierenden Loches gewählt, der linear mit der Lochmasse zunimmt. So hat die Sonne einen Schwarzschild-Radius von drei Kilometern. Die mittlere Dichte eines Schwarzen Loches lässt sich zwar mit Masse und Horizontradius berechnen, eigentlich divergiert jedoch die Dichte in der Singularität. Man beachte, dass ein stellares Schwarzes Loch mit Sonnenmasse eine höhere mittlere Dichte aufweist, als alle anderen kompakten Objekte; ein viel schwereres Loch mit 100000 Sonnenmassen hat hingegen die gleiche mittlere Dichte wie ein Weißer Zwerg! Denn die mittlere Dichte nimmt quadratisch mit der Lochmasse ab.
Die Daten beruhen auf aktuellen Erkenntnissen, können sich im Zuge neuer Forschungsergebnisse verändern. Besondere Unsicherheiten gibt es bei Radius und Maximalmasse von Neutronensternen. Ähnliche Unsicherheiten bestehen bei Quarksternen – sie sind darüber hinaus noch nicht als astronomisches, kompaktes Objekt allgemein anerkannt.
Zum Vergleich sind in den letzten beiden Zeilen die Daten von Sonne und Erde dargestellt. Sie belegen, dass kompakte Objekte in der Tat deutlich kompakter sind, als das, was uns vertraut ist. Erstaunlicherweise zeigt die mittlere Dichte in der letzten Spalte, dass die Erde im Mittel kompakter ist als die Sonne.

Eine aktuelle Forschungsfrage

Grava- und Holosterne haben sich in der scientific community noch nicht etabliert. Wie man sich erinnert, war das seinerzeit bei der Einführung Schwarzer Löcher nicht anders. Die neuen Lösungen der Einsteinschen Feldgleichung bilden jedoch eine theoretische Alternative zu den singulären (statischen) Schwarzen Löchern. Was den Gravastern so attraktiv macht, ist dessen Regularität im Innern; beim Holostern ist der Bezug zum holographischen Prinzip und zu den Stringtheorien reizvoll. Der Gravastern kommt sogar ohne Singularität aus, eine Eigenschaft, nach der viele Physikern schon lange gesucht haben. Leider können Astronomen wie gesagt durch Beobachtungstechniken noch nicht Grava-/Holosterne von Schwarzen Löchern voneinander unterscheiden: die Außenraum-Lösung der Metrik ist identisch. Nach dieser Unterscheidung trachten Astronomen natürlich, um womöglich eine der Lösungen sogar falsifizieren zu können. Der vergleichbar kleine Rotverschiebungsfaktor bei kleinen Radien erschwert eine Unterscheidung anhand von Strahlung aus diesem Bereich deutlich – macht sie eventuell unmöglich. Kompakte Objekte zeigen eine Gravitationsrotverschiebung, die in den Extremfällen alles Interessante abdunkelt. Nur falls die Beobachtungen klar eine rotierende Raumzeit nahe legen, bleibt derzeit keine Alternative zur Kerr-Lösung (falls die CO-Masse größer als etwa drei Sonnenmassen ist). Eine weitere Hoffnung besteht darin, dass Gravitationswellen (sobald direkt beobachtet) mehr über die Natur der kompaktesten aller kompakten Objekte erzählen können.

Buchtipp

  • M. Camenzind: Compact Objects in Astrophysics. White Dwarfs, Neutron Stars and Black Holes, Springer Berlin, 2007

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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