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Lexikon der Astronomie: Kosmologie

Die Kosmologie beschäftigt sich mit der Entstehung, der globalen Entwicklung und den großräumigen Strukturen des Universums.

Die zentralen Fragen der Kosmologie

Wie ist das Universum entstanden?
Wie entwickelt sich das Universum?
Wie endet der Kosmos?
Was sind die wesentlichen Energie- und Materieformen im Kosmos?
Welche Physik beschreibt den Kosmos angemessen?
Welche Eigenschaften hat die globale Raumzeit des Universums?
Gibt es ein Multiversum?
Welche Topologie hat unser Universum?

Historisches

Der Mensch betreibt Kosmologie seit er sich seiner selbst bewusst geworden ist und den Blick in die Natur und an den Himmel gerichtet hat. Wichtige Einflüsse auf die moderne Kosmologie hatten sicherlich die Babylonier, Griechen und andere Kulturen. Die moderne Kosmologie entstand erst als eigenständiger wissenschaftlicher Zweig mit dem Aufkommen der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART). Denn erst Einsteins Theorie mit den geeigneten Begriffen von Raum und Zeit ermöglichte eine adäquate mathematische Beschreibung. Unter diesem Gesichtspunkt ist die moderne kosmologische Forschung keine hundert Jahre alt!

Einsteins Universum

Ausgehend von einigen Grundprinzipien – dem kosmologischen Prinzip, dem Weylschen Postulat und der ART als mathematisches Werkzeug – ist eine erfolgreiche Beschreibung des Kosmos als Ganzes möglich, die die Friedmann-Weltmodelle liefert. Um allen Pionieren gerecht zu werden spricht man auch von den Friedmann-Lemaître-Robertson-Walker-Universen (FLRW-Kosmologie). Diese Theorie beschreibt dynamische Modelluniversen konstanter Krümmung k, die sich in ihrer Entwicklung stark unterscheiden. Die verwendete Raumzeit in dieser Kosmodynamik ist die Robertson-Walker-Metrik. Mit dem Vorzeichen des Krümmungsparameters liegt dann die Geometrie des Universums fest (nicht jedoch dessen Topologie – dazu später).

Das Standardmodell der Kosmologie ΛCDM

Aktuell stimmen die meisten Kosmologen darin überein, dass das Universum

  • unendlich sei;
  • dynamisch sei;
  • im Urknall entstanden sei;
  • seither expandiere und zu späten Entwicklungszeiten sogar beschleunigt expandiere;
  • in späten Epochen dominiert werde von der Dunklen Energie
  • und die kosmologische Konstante die bevorzugte Form Dunkler Energie sei;
  • global flach sei (Krümmung null).

Mittlerweile hat sich ein Standardmodell der Kosmologie herausgebildet, das in folgender Hinsicht vergleichbar ist dem Standardmodell der Teilchenphysik: In beiden Standardmodellen gibt es eine feste Anzahl freier Parameter, die nicht die Theorie festlegt, sondern die experimentell mit unterschiedlichen Methoden sehr exakt bestimmt werden müssen. In der Kosmologie nennt man sie den Satz kosmologischer Parameter. Das sind die

  • Hubble-Konstante, die ein Maß für die (lokale) Expansionsgeschwindigkeit des Universums ist.
  • Dichteparameter Ω unterschiedlicher Energieformen im Universum. Die dominante Energieform ist mit einem Anteil von etwa zwei Dritteln die Dunkle Energie. Daneben gibt es etwa ein Drittel Beimischungen von der Dunklen Materie. Die uns vertraute baryonische (besser gesagt hadronische) Materie, aus der wir auch selbst bestehen, spielt für die Dynamik des Kosmos keine Rolle und kommt nur in Spuren (wenige Prozent) vor;
  • w-Parameter, die alternativ zu den Dichteparametern geeignet sind, um die unterschiedlichen Energieformen zu klassifizieren. Die w- oder eos-Parameter hängen im Allgemeinen von der kosmologischen Rotverschiebung ab.
  • Krümmung des Universums, die aus der Summe aller Energiedichten der unterschiedlichen Materie- und Energiedichten folgt. Wie unter Friedmann-Weltmodelle auch in Form von Gleichungen dargelegt wird, legen die Daten der experimentellen Kosmologie ein global flaches Universum nahe. Das Universum kann deshalb wie ein Euklidischer Raum aufgefasst werden, in dem die Sätze der ebenen Geometrie gelten. Es gibt allerdings (aufgrund unvermeidbarer Messfehler) eine leichte Unsicherheit darin, ob die Krümmung wirklich exakt verschwindet. Dies ermöglicht als Alternativen zum flachen Universum hyperbolische Universen (positive Krümmung), wie das Dodekaeder-Universum, oder das Horn-Universum. Sie sind bisher noch konsistent mit den Beobachtungen.

Die Urknall-Theorie

Das Standardmodell der Kosmologie sieht im heißen Urknall den Ursprung des Universums. Es besagt, dass vor etwa 13.7 Milliarden Jahren aus einer Singularität heraus Raum und Zeit geboren wurden. Die Raumzeit, die das Universum als Ganzes beschreibt ist nicht statisch, sondern dynamisch: seit dem Urknall dehnt sich der Kosmos aus. Als Erfinder der Urknalltheorie muss aus heutiger Sicht der belgische Priester und Kosmologe Abbé Georges Lemaître (1894 – 1966) angesehen werden, der die Expansion des Modell-Universums erkannte, und es rückwärts in der Zeit extrapolierte. Dabei fand er einen 'beliebig kleinen Ort in Raum und Zeit'. Lemaître sprach hier von der Geburt des Raums.
Die heute gängige Bezeichnung Urknall verdanken wir dem englischen Wort Big Bang, das ironischerweise als Schimpfwort von einem der schärfsten und kompetentesten Gegner der Urknalltheorie gedacht war: Sir Fred Hoyle (1915 – 2001). Hoyle war Verfechter der von ihm mit entwickelten Steady-State-Theorie, nach der das Universum zwar expandiere, aber eine ständige Neuerschaffung der Materie erforderlich sei, damit die mittlere Dichte des Kosmos konstant gehalten werden könne.
Kurioserweise erklärt die Urknall-Theorie nur die Folgen des Urknalls, aber nicht dessen Ursache. Ein möglicher Grund für den Urknall ist das Ekpyrotische Modell bzw. Zyklische Universum, das aber ein kühne, spekulative und bislang nicht belegte Behauptung ist.

Stützen des Urknalls

Die vier Säulen der Urknallhypothese Viele astronomische Beobachtungen sprechen für den Urknall. Es begann 1929 mit Edwin Hubbles Beobachtung, dass Galaxien eine Fluchtbewegung ausführen (Hubble-Gesetz), setzte sich fort mit den erfolgreichen Vorhersagen der Elementhäufigkeiten durch die primordiale Nukleosynthese (die einen heißen Urknall erforderte) und der Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung, die als elektromagnetisches Relikt des heißen Feuerballs aufgefasst werden muss. Aussagen über den kosmologische Parametersatz sind auch durch sehr exakte Abstandsmessungen im Kosmos möglich. Aus diesem Grund benötigen die Astronomen Standardkerzen und verwenden vor allem weit entfernten Supernovae vom Typ Ia – möglicherweise bewähren sich auch die Gammastrahlenausbrüche als geeignete Standardkerzen in noch größerer Entfernung. Auch die beobachtete großräumige Struktur der Galaxien und Galaxienhaufen ist mit der Urknall-Theorie vereinbar.
Was der Hypothese vom Urknall so unglaublich viel Gewicht verleiht: alle diese Methoden, bezeugen unabhängig voneinander einen heißen und räumlich kleinen Ursprung unseres Universums.

Inflation

Die Urknalltheorie allein vermag jedoch nicht alles zu erklären. So traten in der Kosmologie einige Probleme auf, die unter den Bezeichnungen Homogenitätsproblem, Horizontproblem, Monopolproblem und Flachheitsproblem bekannt wurden. Diese Unstimmigkeiten können mit einem exponentiellen und überlichtschnellen Wachstum des sehr jungen Universums gelöst werden. Diese Epoche heißt Inflation. Erst Anfang der 1980er Jahren erfand der Kosmologe und Teilchenphysiker Alan Guth dieses Modell, das in der Folgezeit von vielen Forschern weiterentwickelt und verbessert wurde. Eine inflationäre Phase ist in der Kosmologie auch deshalb notwendig, um die Zeitskalen der Entwicklung des Universums – das rapide Wachstum – zu erklären.

Materieära

Danach schlossen sich andere Frühphasen an. Es kam zur Kondensation von Elementarteilchen: In der Leptogenese entstanden die Leptonen (z.B. Elektronen, Positronen, Myonen und Neutrinos). In der Nukleosynthese bildeten sich primordiale Atomkerne (Nuklide) und in der Baryogenese schließlich neutrale Atome.
Die letztgenannte Phase lief vermutlich folgendermaßen ab: Der sich aus dem Urknall entwickelnde heiße Feuerball dehnte sich aus und kühlte sich dabei ab. Irgendwann war er so kalt, dass die in der Leptogenese und Nukleosynthese gebildeten Ladungsträger sich zu neutralen Atomen verbanden. Dies markiert den Zeitpunkt der Rekombinationsepoche bei einer kosmologischen Rotverschiebung von z ~ 1100 bzw. etwa 400000 Jahre nach dem Urknall.

Hintergrundstrahlung: Informationen einer urzeitlichen Ära

Photonen werden in einem heißen Plasma so sehr gestreut, dass Plasmen undurchsichtig – optisch dick, wie die Astronomen sagen – sind. Aus diesem Grund können wir nicht ins Innere der Sonne oder durch eine Kerzenflamme schauen. Wenn sich aber die freien, elektrischen Ladungen im Plasma zusammenschließen, weil das Plasma abkühlt, so ändern sich schlagartig die Transparenzeigenschaften: das Plasma wird ein neutrales Gas und die Photonen können sich frei bewegen, weil sie nicht mehr an einem Plasma gestreut werden. Genau das geschah in der Rekombinationsära.
Die Urphotonen machten sich nun auf den Weg in die Weite des Alls und wurden aufgrund der kosmischen Expansion extrem rotverschoben. Nach mehr als 13 Milliarden Jahren treffen sie den irdischen Beobachter bei z = 0, der diese Strahlung als kosmische Hintergrundstrahlung detektiert. Physikalisch gesprochen handelt es sich um Plancksche Strahlung, also Wärmestrahlung. Denn das Urplasma hatte durch den thermischen Kontakt der Ladungen eine einheitliche Temperatur von etwa 3000 Kelvin ausbilden können. Durch die kosmologische Rotverschiebung sind die Photonen der Rekombinationsära fast auf den absoluten Nullpunkt abgekühlt worden: Sie verloren einen Großteil ihrer Strahlungsenergie, weil sie gegen die Expansion der Raumzeit 'ankämpfen' mussten und befinden sich daher bei der Ankunft auf der Erde mehr am roten Ende des Spektrums – auch ihre Intensität wurde stark unterdrückt. Was dem Astronomen bleibt, ist eine 2.72 Kelvin kalte, schwache und fast isotrope Wärmestrahlung, die auch Drei-Kelvin-Strahlung genannt wird.

Astronomen messen also direkt ein Relikt des heißen Urknalls!

Der Mikrowellensatelliten WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe, NASA) misst die kosmische Hintergrundstrahlung. Aus diesen Daten lassen sich die kosmologischen Parameter ableiten. Die WMAP-Daten ergänzten im Jahr 2003 und 2006 die bisherigen Daten des Mikrowellensatelliten COBE (Cosmic Background Explorer, 1990) und zahlreicher Ballonexperimente (BOOMERANG, MAXIMA, um 2000) mit hoher Präzision. Daraus folgt unter anderem ein Alter des Universums von etwa 13.7 Milliarden Jahren.
Darüber hinaus enthält die kosmische Hintergrundstrahlung viele weitere Detailinformationen über unser Universum, z.B. in ihrer Anisotropie und Polarisation (Einzelheiten unter Eintrag Hintergrundstrahlung).

Strukturbildung

Gegenstand der Kosmologie ist außerdem die Entstehung von Sternen, Galaxien, Galaxienhaufen (engl. galaxy clusters) und Galaxiensuperhaufen. Dieses Gebiet subsumieren Kosmologen unter der Bezeichnung Strukturbildung. Galaxien bilden global eine wabenförmige Struktur im Universum. Auf den Knotenpunkten (Vertices) der Waben sitzen die Galaxiensuperhaufen, während das Innere der Waben leer ist. Die letztgenannten 'Hohlräume' oder Leerräume bezeichnet man als Voids, die eine Ausdehnung von 50 bis 100 Mpc (etwa 150 bis 300 Mio. Lj) haben. Die Entwicklung zu solchen, großräumigen Strukturen (engl. large-scale structure, LSS) muss auf der Zeitskala der Hubblezeit abgelaufen sein. Die Hubblezeit ist gerade der Kehrwert der Hubble-Konstanten und beträgt gut 13 Milliarden Jahre. Die Kosmologen versuchen zu erklären, wie in diesem Zeitraum die lokal beobachtbaren Strukturen des Universums inklusive intelligentem Leben entstanden sind – eine enorme Herausforderung!

kosmische Zeit

Zu jedem aus einem Spektrum ermittelten Rotverschiebungswert kann man ein Alter des Universums zuordnen, die so genannte kosmische Zeit. Sie folgt erst als Zahlenwert unter Zugrundelegung eines kosmologischen Modells. Kennt man den Gehalt an Dunkler Energie, Dunkler Materie, baryonischer Materie, die Hubble-Konstante sowie das Vorzeichen der Krümmung des Universums so ist die kosmische Zeit festgelegt.

Entwicklungsschemata

Die Entwicklung des Universums lässt sich chronologisch in unterschiedliche Epochen oder Phasen einteilen. Je nach Perspektive ergeben sich unterschiedliche Benennungen der verschiedenen Phasen, die im Folgenden präsentiert werden. Details zu jeder einzelnen Phase können unter entsprechend verlinktem Eintrag gelesen werden:

Entwicklungsphasen des Kosmos unter dem Teilchenaspekt

Das Universum begann in der Planck-Ära ging über in die Quark-Ära, danach in Hadronen-Ära, Leptonen-Ära, Strahlungsära und Materie-Ära (siehe oben).

Entwicklungsphasen des Kosmos unter dem Theorieaspekt

Die physikalische Theorie zur Beschreibung des Beginns des Universums ist die Quantengravitation, die derzeit in den Stringtheorien und der Loop-Quantengravitation mögliche Ausprägungsformen hat. Danach folgten Große Vereinheitlichte Theorien, Relativitätstheorie, elektroschwache Theorie, Quantenelektrodynamik, schwache Theorie und Quantenchromodynamik.

Entwicklungsphasen des Kosmos unter dem Aspekt der Naturkraft

In jeder der oben genannten Epochen herrschten unterschiedliche Naturkräfte vor: Die Urkraft herrschte in der Planck-Ära als einzige Kraft – über sie weiß man in Ermangelung einer physikalischen Theorie nichts. Diese Kraft spaltete sich auf in X-Kraft und Gravitation. Aus der X-Kraft wurden elektroschwache Kraft und starke Kraft. Und schließlich entstanden durch weitere Abkühlung des Kosmos die vier uns heute vertrauten Naturkräfte: Gravitation, elektromagnetische Kraft, schwache Kraft und starke Kraft. Der Weg zum Urknall hin ist also verbunden mit einer nach und nach abnehmenden Zahl an Kräften. Die entsprechende Theorie, alle Kräfte zu vereinheitlichen, heißt Unifikation!

Begleitend zu diesen kosmischen Epochen empfiehlt sich der Abschnitt 'Meilensteine der Kosmologie' unter dem Lexikoneintrag Rotverschiebung, der konkrete Beispiele für verschiedene Werte von z vorstellt.

Herausforderungen der Kosmologie

1) Dunkle Energie: Die wichtigste und rätselhafteste Zutat für unser Universum ist die Dunkle Energie. Es gibt aktuell eine Reihe von sehr unterschiedlichen kosmologischen Modellen, die eine Aussage über ihre Natur machen wollen. Anfangs als kosmologische Konstante (Albert Einsteins Λ) angenommen, wurde versucht, sie mit dem Quantenvakuum zu interpretieren. In den Quintessenz-Modellen nehmen die Theoretiker sie als zeitlich veränderliche Dunkle Energien an, die durch Skalarfelder wie dem Cosmon, dem Radion oder der Spintessenz repräsentiert werden. Ein neueres Modell malt eine sehr düstere Zukunft aus, den Big Rip, der durch ein Anschwellen der Phantom-Energie über alle Maßen ausgelöst wird. Die Phantom-Energie zerreißt das Universum! Welches Modell tatsächlich in der Natur realisiert ist, muss die weitere Forschung ergeben. Zurzeit erlebt Einsteins kosmologische Konstante (also eine zeitlich konstante Dunkle Energie) eine Renaissance und wird vor allem von den Supernovamessungen favorisiert. Die Unkenntnis über die physikalische Natur der Dunklen Energie ist sicherlich das Schwerwiegendste der Physik, denn weder Astrophysik noch Teilchenphysik können dafür eine befriedigende und allgemein akzeptierte Lösung anbieten.
2) rasante Strukturentwicklung: Ebenso müssen die Beobachtungen fernster Objekte und ihre rasante Entwicklung auf der Skala von nur wenigen hundert Millionen Jahren erklärt werden können. Denn schon nach dieser kosmologisch gesehen kurzen Zeitdauer nach dem Urknall waren sie schon vorhanden.
3) Hierarchieproblem: Das Hierarchieproblem bezeichnet die beobachteten Unterschiede in der Stärke der vier fundamentalen Naturkräfte. Die Gravitation ist die schwächste von allen, was von einigen Teilchenphysikern mit der Hypothese begründet wird, dass sie durch zusätzliche Raumdimensionen (Extradimensionen) ausgedünnt werde. Eine Vielzahl von Experimenten hat bislang noch keinerlei Anhaltpunkte für die Existenz dieser Zusatzdimensionen geliefert.
4) Inflation mit oder ohne Skalarfeld: Außerdem ist nicht klar, was genau die Epoche der Inflation hervorgerufen hat. Ein Inflatonfeld oder quantisierte Raumzeit wie in der Loop-Quantengravitation?
5) Topologie: Über die kosmische Topologie – also wie Teile des Universums miteinander verknüpft sind – macht die ART keinerlei Aussagen. Im Allgemeinen sind für feste Krümmung k sowohl offene (unendliche), als auch geschlossene (endliche) Topologien möglich. Der Einfluss der Topologie auf die Entwicklung und Struktur des Universums wird oft unterschätzt. So könnte das Universum tatsächlich kleiner sein, als allgemein angenommen und kosmische Objekte könnten 'topologisch gelinst' werden. Hier entstehen 'Geisterbilder', 'kosmische Fata Morganen', dadurch dass das Universum womöglich komplizierte Windungen aufweist. Im Konkordanzmodell (engl. concordance model) ist daher die einfachstmögliche Topologie enthalten, nach der unterschiedliche Gebiete im Kosmos nicht miteinander vernetzt sind. Auf der Basis dieses Standardmodells werden weitere Eigenschaften des Universums untersucht. Es gibt neuerdings auch Analysen, bei denen versucht wird, die Topologie zu entschlüsseln – z.B. müssten topologische Linsen auf der Himmelskarte der Hintergrundstrahlung als verräterisches Fleckenmuster auftreten. Einzelheiten werden unter dem Eintrag Topologie diskutiert.

Neue Kosmologie

Die aktuellen Forschungsthemen der modernen, theoretischen Kosmologie widmen sich auch ungewöhnlichen Zugängen, um die oben genannten Herausforderungen zu bewältigen. Die Theoretiker versuchen dabei über die Standardkosmologie hinauszugehen und betrachten Modelle abseits der bewährten Relativitätstheorie und des Standardmodells der Teilchenphysik.
Zu diesen neuen Formen der Kosmologie gehören modifizierte Gravitationstheorien, Quantenkosmologie, Stringkosmologie, Branenkosmologie, Chaplygin-Kosmologie und Skalarfeldtheorie. Die Skalarfeldtheorien sind ein Teilgebiet der Quantenfeldtheorien und involvieren Skalarfelder wie das Inflaton, Quintessenzmodelle wie z.B. Cosmon oder Radion.
Diese Formen neuer Kosmologien werden derzeit sehr intensiv erforscht. Die Modelle sind physikalisch äußerst interessant und weisen sehr attraktive Eigenschaften auf. Aus der Vogelblickperspektive kann man sich zu folgendem Pauschalurteil hinreißen lassen: Mit einem elegant gelösten Problem der Standardkosmologie handeln sich die Kosmologen leider neue Probleme ein. Es gab bislang keinen Durchbruch mit den neuen Kosmologien. Das kann sich mit der Flut neuer Beobachtungsdaten, z.B. von Tiefenfeldbeobachtungen oder von Teilchenbeschleunigern der neuen Generationen, jedoch schon bald ändern.

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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