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Lexikon der Astronomie: Relativitätstheorie

Zentrale Gleichungen der Relativitätstheorie Albert Einsteins

Was ist die Relativitätstheorie? Es folgt ein Erklärungsversuch in zehn Sätzen:
Die Relativitätstheorie ist eine physikalische Theorie der hohen Geschwindigkeiten und der Anziehung von Massen. Einerseits besagt sie, dass das fundamentale Tempolimit in der Physik die Lichtgeschwindigkeit ist. Andererseits wird die Gravitation als geometrische Eigenschaft von Raum und Zeit erklärt. Jede Energieform, zu der auch die Masse gehört, krümmt Raum und Zeit. Es bildet sich so eine 'Delle', die ihre Umgebung beeinflusst. So werden Teilchenbahnen und sogar Licht in der Nähe der Delle abgelenkt. Im Spezialfall verschwindender Energien gibt es keine Dellen, so dass Raum und Zeit geglättet bzw. flach sind. Teilchenbahnen sind dann gerade Linien. Die Relativitätstheorie definiert vertraute Größen völlig neu: Das Relative sind die Begriffe von räumlicher Länge, von der Zeit, vom Beobachter und so auch von der Wirklichkeit.

Der Begründer der Relativitätstheorie

Die Relativitätstheorie ist eine der großen physikalischen Theorien des 20. Jahrhunderts neben der Quantentheorie. Wir verdanken sie Albert Einstein (1879 – 1955), einem Physiker, Erfinder, Patentbeamten und späteren Professor für theoretische Physik, der durch diese physikalische Theorie Weltruhm erlangte. Erstaunlicherweise erhielt er nicht für diese (sicher ungleich größere) Leistung den Nobelpreis für Physik, sondern für die Erklärung des Photoeffekts mit der Lichtquantenhypothese und zwar im Jahr 1921. Einstein griff dabei Max Plancks Strahlungsformel (für Schwarze Körper; siehe Planckscher Strahler) auf und forderte diskrete Einheiten der Energie für die elektromagnetische Strahlung. So waren die Strahlungsquanten geboren, die ersten Quanten, die in der Physik entdeckt wurden (Details unter Photon). Von diesem Standpunkt aus, hat Einstein die Quantentheorie mitbegründet. Womit er sich nie anfreunden konnte, war ein später folgender Aspekt der Quantentheorie: die Wahrscheinlichkeitsinterpretation in Form der Kopenhagener Deutung.
Die Zurückhaltung des Nobelpreiskomitees mag zeigen, wie unkonventionell und revolutionär Einsteins Vorschlag war. Dabei lagen Anfang der Zwanziger Jahre längst Belege für die Richtigkeit seiner Theorie vor: 1919 wurde bei einer Sonnenfinsternis seine Allgemeine Relativitätstheorie erstmals bestätigt. Einstein war seiner Zeit weit voraus: ein Pionier der modernen Physik. Er besaß den Mut den Max Planck nicht hatte, nämlich nicht nur die Wärmestrahlung zu quantisieren, sondern das gesamte elektromagnetische Spektrum von Licht. Er war kühn genug, eine Veränderung der wirklichen Zeit zu sehen und nicht nur in einer mathematischen Hilfsgröße wie Lorentz und Fitzgerald mutmaßten. Dieser Mut wurde mit Erfolg belohnt, ein Triumph, der bis über Albert Einsteins Tod hinaus andauert und junge Wissenschaftlergenerationen beschäftigt und für Jahrhunderte beschäftigen wird.

Die zwei Relativitätstheorien

In der Physik werden zwei Relativitätstheorien unterschieden: die Spezielle Relativitätstheorie (engl. Special Relativity, SR) oder kurz SRT im Deutschen abgekürzt (ab 1905) und die Allgemeine Relativitätstheorie (engl. General Relativity, GR), kurz ART, die Einstein 1916 veröffentlichte.

SRT

Die Relativitätstheorie ist ganz allgemein gesprochen eine Theorie der Bezugssysteme und beschreibt die Transformation physikalischer Größen, wenn man den Bezugsrahmen (das Koordinatensystem) wechselt. Die SRT ist dabei beschränkt auf Bezugssysteme, die sich gegeneinander gleichförmig und geradlinig bewegen. Wesentliche Postulate dieser Theorie waren die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit c in allen Bezugssystemen (erste Gleichung oben), das Relativitätsprinzip und der Verzicht auf einen Weltäther, der bis dato als Trägermedium für Licht angesehen wurde. Wesentliche Folgen dieser Postulate sind die Relativität von Länge und Zeit und das berühmte Masse-Energie-Äquivalent E = mc2 (zweite Gleichung oben). Durch Einstein wurde unser Verständnis von Raum und Zeit radikal neu gestaltet: Phänomene wie Zeitdilatation und Lorentz-Kontraktion und die Verschmelzung von Raum und Zeit im Raum-Zeit-Kontinuum sind eine natürliche Konsequenz der Speziellen Relativitätstheorie.

ART

In der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) wurde die Relativbewegung der Bezugssysteme zueinander auf beschleunigte Bewegungen verallgemeinert. Das Relativitätsprinzip wurde zum Äquivalenzprinzip erweitert. Der freie Fall in einem Gravitationsfeld ist auch eine beschleunigte Bewegung. Deshalb ist die ART eine Theorie der Gravitation, die die Newtonsche Physik als einen Spezialfall schwacher Gravitationsfelder entlarvt. Das Newtonsche Gravitationsfeld wird in Einsteins Theorie zur gekrümmten Raumzeit. Anders gesagt:

Gravitation wird geometrisch gedeutet.

Der Begriff der Energie konnte mit dem der Raumkrümmung in Verbindung gebracht werden: Energie und Masse sind äquivalent (siehe SRT) und beide krümmen die Raumzeit. Die im Allgemeinen gekrümmte Raumzeit kann mathematisch als metrischer Tensor (siehe auch Metrik) oder als Linienelement dargestellt werden. Die geeignete Mathematik, um Gravitationseffekte zu berechnen, ist die Riemannsche Differentialgeometrie. Die gegenseitige, nicht-lineare Einflussnahme von Energie und Krümmung der Raumzeit spiegelt sich kompakt notiert in tensorieller Form in den Einsteinschen Feldgleichungen (dritte Gleichung oben) wider. Das ist die zentrale Gleichung von Einsteins ART.

Regimes der Relativitätstheorien

Die Relativitätstheorie ist ein wesentlicher Pfeiler der modernen Physik. So kommt die Spezielle Relativitätstheorie dort zum Einsatz, wo schnelle Bewegungen stattfinden, und zwar vergleichbar schnell wie das Licht im Vakuum, kanpp 300000 km/s. Makroskopische Gegenstände wie ein Auto, ein Flugzeug oder der Mensch können sich kaum so schnell bewegen. Man muss schon in den mikroskopischen Bereich zu leichten Teilchen wie Elektronen, Neutrinos, Protonen oder Atomkernen vordringen, um in das Regime der SRT zu kommen. Die Teilchenphysik ist also ein typischer Bereich der Physik, wo mit speziell relativistischen Effekten gerechnet werden muss, z.B. bei Experimenten in Teilchenbeschleunigern oder bei der kosmischen Strahlung.
Die Allgemeine Relativitätstheorie macht besonders dann bei der Gravitation bessere Vorhersagen, wenn Effekte höherer Ordnung eine Rolle spielen, also wenn die Gravitation besonders exakt vermessen wird. So ist Einsteins Theorie die bessere Wahl bei der Berechnung der Periheldrehung des Merkurs, der Lichtaberration an der Sonne und bei Gravitationslinseneffekten. Die ART sagt aber auch Effekte voraus, die es in der Newtonschen Gravitation gar nicht gibt, wie Frame-Dragging (bzw. Lense-Thirring-Effekt) und Gravitationswellen – beides wurde experimentell bestätigt! Das Paradebeispiel für die Domäne der ART ist natürlich die starke Gravitation. Damit ist gemeint, dass Einsteins Theorie sehr starke Gravitationsfelder bestens beschreibt, z.B. die Gravitation von kompakten Objekten wie Neutronensternen und Schwarzen Löchern. Das sind demnach alles allgemein relativistische Effekte.

Gravitation im ganz großen Stil

Mit Einsteins ART war erstmals eine relativistische Kosmologie möglich, d.h. eine adäquate physikalische Beschreibung des Universums als Ganzes. Mit geeigneten Annahmen kann man die Einsteinsche Feldgleichung in einen Satz anderer Gleichungen, die Friedmann-Gleichungen, umwandeln. Sie beschreiben viele verschiedene Modell-Universen – sogar dynamische Universen. Diese Universen sind Lösungen der Friedmann-Gleichungen und werden Friedmann-Weltmodelle genannt. Eines davon beschreibt gerade unser dynamisches, sich beschleunigt ausdehnendes Universum, das dominiert wird von der kosmologischen Konstante Λ, die ebenfalls 1917 von Einstein erfunden wurde.

Grenzen der Relativitätstheorie

Jede Theorie hat ihre Grenzen – auch Einsteins Theorie. Sie ist eine klassische Theorie, in dem Sinne, dass Quantisierung und Heisenbergsche Unschärfe keinen Platz in der Relativitätstheorie haben. So ist die Raumzeit in der ART unquantisiert. Deshalb tauchen im Grenzfall starker Gravitationsfelder und kleiner Raumskalen Probleme auf, die signalisieren, dass die Relativitätstheorie alleine keine adäquate Beschreibung mehr liefern könnte. Bei Schwarzen Löchern, die Lösungen der Feldgleichungen der ART sind, gibt es solche Grenzen der Beschreibbarkeit in Gestalt der intrinsischen Singularitäten (Krümmungssingularitäten) und auch am Ereignishorizont Schwarzer Löcher. Der bekannte Relativitätstheoretiker John A. Wheeler sieht im Auftreten dieser Krümmungssingularitäten einen Zusammenbruch von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie! Diese Meinung teilen jedoch nicht alle Physiker.
In den 1970er Jahren gelang es einem Theoretiker wesentliche Disziplinen der Physik zu verknüpfen: Allgemeine Relativitätstheorie, Quantentheorie und Thermodynamik. Die Rede ist von Stephen W. Hawking, der damals die heute nach ihm benannte Hawking-Strahlung Schwarzer Löcher ausgerechnet hat. Bislang wurde diese Strahlungsform zwar noch nicht experimentell bestätigt, aber die physikalischen Eigenschaften des Effekts sind viel versprechend, umwälzend und von theoretischer Konsistenz und Schönheit. Es ist wichtig dabei zu betonen, dass Hawking einen semi-klassischen Zugang gefunden hat. Er hat in der quantentheoretischen Rechnung aber nicht die Raumzeit quantisiert.
Die Physiker sind gerade auf der Suche nach einer solchen Quantengravitation. Aktuell gibt es zwei Alternativen, die auf der Bewährungsprobe stehen: die Stringtheorien und die Loop-Quantengravitation (LQG). Letztgenannte Theorie ist deutlich näher an den Konzepten, die die ART diktiert, z.B. der Diffeomorphismusinvarianz. Die LQG zielt 'nur' auf einer Quantisierung der Raumzeit in so genannte Wilson-Loops ab. Die Stringtheorien hingegen zielen auf eine Vereinheitlichung aller vier Naturkräfte ab und fordert eine Quantisierung der Gravitation in Gestalt des Gravitons.

Relativitätstheorie hat sich vielfach bewährt

Trotz dieser gerade beschriebenen Einschränkungen, die Einsteins Theorie hat, gehört sie mit der Quantentheorie zu den mächtigsten und erfolgreichsten Theorien der modernen Physik. In zahlreichen Experimenten haben die Relativitätstheorien die Natur glänzend vorhergesagt und erklärt. Diese beiden Theorien des 20. Jahrhunderts sind im Sinne der Popperschen Wissenschaftstheorie bewährte Theorien. Davon zeugen auch zahlreiche wissenschaftliche sowie technologische Anwendungen und kommerzielle Produkte.

E = mc2 im Test

Eine aktuelle, experimentelle Überprüfung der Relativitätstheorie sei herausgegriffen (im Wissensportal befinden sich viele weitere Beispiele), und zwar der Test des Masse-Energie-Äquivalents: eine Gruppe internationaler Forscher hat dazu kernphysikalische Prozesse bei den Atomkernen der Elemente Silizium (Si) und Schwefel (S) untersucht. Die Isotope Si-28 und S-32 werden mit Neutronen (die mit den Protonen zu den Nukleonen gehören) beschossen. Die Atomkerne fangen jeweils ein Neutron ein und wandeln sich entsprechend zu Si-29 und S-33 um. Diese angeregten Atomkerne zerfallen wiederum über den Gamma-Zerfall, d.h. sie senden Gammaquanten einer bestimmten Energie aus. Diese Strahlungsenergie wurde exakt in Streuprozessen in Kristallen vermessen. Dabei stellte sich heraus, dass die Energie der Gammaquanten gerade der Massendifferenz entspricht, die die zugehörigen Atomkerne vor bzw. nach der Aussendung der Strahlung haben. Die Massen der Atomkerne lassen sich durch ein Massenspektrometer sehr genau bestimmen – hier wurde die Zyklotronfrequenz in einer Ionenfalle gemessen, aus der die jeweilige Masse folgte. Ergebnis: Der Unterschied von linker zu rechter Seite in der Gleichung E = mc2 ist maximal 0.00004% – also im Prinzip sind beide Seiten fast identisch (Rainville et al., Nature 2005)!

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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