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Lexikon der Astronomie: Synchrotronstrahlung

Die Synchrotronstrahlung ist eine elektromagnetische Strahlung, die in speziellen Teilchenbeschleunigern, den Synchrotrons, erstmals beobachtet wurde. Sie entsteht immer dann, wenn elektrisch geladene Teilchen in einem Magnetfeld beschleunigt werden. Die Beschleunigung kann eine Richtungsänderung bei konstanter Bahngeschwindigkeit sein, eine nur betragsmäßige Änderung der Geschwindigkeit bei konstanter Richtung oder beides. Im Ruhesystem der beschleunigten Ladung beobachtet man keine Synchrotronemission.

Synchrotronstrahlung in der Astrophysik

Synchrotronstrahlung ist demzufolge nichtthermisch und von großer Relevanz in der Astrophysik, weil es zahlreiche kosmische Quellen gibt, wo sich elektrische Ladungen vor dem Hintergrund eines interplanetaren (Beispiel Jupiter), interstellaren (Beispiel Sonne) oder intergalaktischen Magnetfeldes (Beispiel AGN-Jets) bewegen.

Polarisation und typische, emittierende Teilchen

Synchrotronstrahlung ist immer linear polarisiert. Die Polarisierung dient als wesentlicher Hinweis für Astronomen, dass die beobachtete Strahlung Synchrotronstrahlung ist. Die relevanten Teilchenspezies in Astro- und Teilchenphysik in Bezug auf Synchrotronemission sind Elektron und Proton. Dadurch dass das Elektron etwa 2000 leichter ist als das Proton, spielt die elektronische Synchrotronstrahlung die dominante Rolle in der Physik.

relativistische Effekte

Denn diese Teilchen können viel leichter relativistische Geschwindigkeiten erreichen (sie sind weniger träge), also Geschwindigkeiten, wo Effekte der Speziellen Relativitätstheorie wichtig werden. Während bei kleinen Geschwindigkeiten die abgestrahlten Photonen eine Larmor-Verteilung zeigen, wird bei relativistischen Geschwindigkeiten der Strahlungskegel scharf in Bewegungsrichtung gebündelt (relativistische Kollimation). Diesen Effekt kennt man auch als Beaming.

Wie Synchrotronstrahlung Magnetfelder verrät

Synchrotronstrahlung hat unter anderem deshalb einen so hohen Stellenwert in der Astronomie, weil ihre Eigenschaften als Indikator (engl. tracer) für Magnetfelder in Betrag und Richtung dienen. Auf diese Weise können Astronomen kosmische Magnetfelder messen, auch über astronomische Distanzen. Dieses Verfahren wird beispielsweise bei der Vermessung des galaktischen Dynamos angewendet. Dieses Phänomen bezeichnet das 'Aufziehen', also eine Verstärkung, galaktischer Hintergrundmagnetfelder durch die galaktische Rotation. Solche Messungen stecken den Parameterbereich ab, um magnetohydrodynamische Simulationen des interstellaren Mediums (ISM) zu bewerkstelligen. Dies liefert letztendlich Erkenntnisse über Galaxiendynamik, Dynamik der Spiralarme und der Interarm-Regionen sowie der globalen Galaxienstruktur.

SSC: Synchrotron-Selbst-Comptonisierung

Ein besonders wichtiger Effekt in der Astrophysik ist die Synchrotron-Selbst-Comptonisierung (engl. synchrotron self-Compton, SSC). Hierbei wird niederenergetische ('weiche') Synchrotronstrahlung durch Comptonisierung, also inverse Compton-Streuung, in hochenergetische ('harte') Synchrotronstrahlung verwandelt. Im mikroskopischen Bild, werden die weichen Photonen an den heißen Plasmateilchen gestreut und nehmen dabei Energie vom Plasmateilchen auf. Die ausgehenden Photonen haben also nach dem Streuakt höhere Energien. Dieser Vorgang kühlt das Plasma, weil kinetische Energie des Plasmas ('Wärme') in Strahlungsenergie umgewandelt wird. Zur Synchrotronemission sind Magnetfelder des kosmischen Hintergrunds oder einer benachbarten Magnetosphäre eines kosmischen Objekts nötig. Als heißes Reservoir für die Comptonisierung dient das emittierende Elektronengas selbst.

SSA: Synchrotron-Selbstabsorption

Die Synchrotron-Selbstabsorption (engl. synchrotron self-absorption, SSA) ist hingegen ein Effekt, bei dem bei einer bestimmten Photonenfrequenz (engl. turnover frequency) der Absorptionskoeffizient der Synchrotronstrahlung dramatisch ansteigt (Twiss 1954, Le Roux 1961, McCray 1969, Wardzinski & Zdziarski 2000). Das Elektronengas wirkt dann auf die Synchrotronstrahlung, die im Gas selbst erzeugt wird absorbierend, so dass die Strahlungsintensität bei der kritischen Frequenz einbricht. Für Synchrotronphotonen mit Frequenzen oberhalb dieser kritischen Frequenz ist das Gas jedoch durchlässig (optisch dünn, siehe auch optische Tiefe) und die SSA schlägt nicht zu.

Das machen SSC und SSA mit Spektren kosmischer Quellen

SSC und SSA beeinflussen das Profil von Synchrotronspektren kosmischer Quellen nachhaltig. Besonders relevant sind die Mechanismen bei kompakten Quellen. Typischerweise entsteht zunächst ein spektraler 'Buckel' im Radiobereich (engl. radio bump) aus der initiierten Synchrotronstrahlung. SSA bewirkt einen Einbruch im Spektrum unterhalb der kritischen Frequenz, wo die optische Tiefe für Synchrotronstrahlung dramatisch ansteigt. SSC hingegen generiert einen zweiten spektralen Buckel oberhalb des Radiobuckels, im hochenergetischen Spektralbereich. Synchrotronspektren zeigen daher typischerweise zwei 'Buckel' (engl. double-humped), was beispielsweise gut bei den Spektren der Blazare zu sehen ist.
Anwendung finden SSA und SSC auch bei dem Jet der Radiogalaxie Centaurus A. Diese Quelle zeigt Radiosynchrotronemission und SSC-Röntgenemission, wie die Daten von VLBI und Chandra belegen.
Auch das Zentrum der Milchstraße, das Galaktische Zentrum zeigt diese Phänomene. Die kompakte Radioquelle Sgr A*, die man mit dem Galaktischen Zentrum assoziiert, zeigt einen Synchrotronbuckel von thermischen Elektronen im Radiobereich (Maximum bei etwa 1 THz). Deren Comptonisierung erzeugt einen Röntgenbuckel (etwa bei 1017 Hz). Ein zweiter Radiobuckel, der Submillimeter-Exzess, weist darauf hin, dass die Quelle sehr kompakt ist. Mittlerweile weiß man, dass es sich um ein rotierendes (!) supermassereiches Schwarzes Loch von etwa 3 Millionen Sonnenmassen handelt.

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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