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Lexikon der Astronomie: Universum

Ein Synonym für die Gesamtheit der Welt, den Kosmos oder das Weltall. Damit verbirgt sich hinter dem Universum alles, was wir kennen, erfassen und wahrnehmen können, aber sicher auch Dinge, die wir (noch) nicht kennen. Tja, wie könnte man etwas so Komplexes wie das Universum in wenigen Sätzen in einem Lexikon beschreiben? Der Detailreichtum dieser wunderbaren, komplexen Welt sprengt sicher jede Enzyklopädie. Wir nehmen natürlich – wie an allen Stellen des Lexikons – die Perspektive des Sternenfreundes bzw. Astrophysikers ein und fragen nach der Beschaffenheit und dem Ursprung des Universums aus der Sicht des Naturwissenschaftlers.

Kosmogonie & Kosmologie

Von dieser sicher beschränken Perspektive muss zunächst zwischen zwei besonderen Teilgebieten der Astronomie unterschieden werden: Die Kosmogonie beschäftigt sich im engeren Sinne mit der Entstehung des Universums, wohingegen die Kosmologie den Zustand, die Entwicklung, die Geometrie und die Topologie des Universums untersucht. Meist wird der Begriff Kosmologie lapidar als Oberbegriff verwendet.

mathematische Beschreibung des Kosmos als Ganzes

Anfang des 20. Jahrhundert wurden die mathematischen Mittel gefunden, um den Kosmos als Ganzes zu beschreiben: Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie, eine Theorie der Gravitation, stellt in Gestalt der Einsteinschen Feldgleichungen ein mächtiges Werkzeug zur Verfügung, das sogar den ganzen Kosmos beschreibt. In gewissem Sinne haben wir die viel zitierte 'Weltformel' bereits gefunden!
Die Feldgleichung der ART vereint alle möglichen Modelle für Universen in sich, sowohl ein statisches Universum, als auch dynamische Universen. Bemüht man die ART zur Beschreibung der Welt und macht gewisse physikalisch plausible und empirisch begründete Annahmen wie das kosmologische Prinzip, so verwandeln sich Einsteins Feldgleichungen in die Friedmann-Gleichungen. Deren Lösungen heißen Friedmann-Weltmodelle oder FLRW-Universen, die von gewissen Parametern und vor allem von im Kosmos vorhandenen Energieformen abhängen. All diese Energieformen bestimmen die Dynamik der gesamten Raumzeit des Universums, oder weltlicher ausgedrückt, sein Schicksal.

Satz kosmologischer Parameter

Entwicklung und Zukunft des Universums werden von einem Satz kosmologischer Parameter bestimmt, wie die Friedmannsche Kosmologie enthüllte. Bei Festlegung von kosmologischen Parametern, wie der Dunklen Energie, der Dunklen Materie, der baryonische Materie, dem Hubble-Parameter und dem Krümmungsparameter folgt zwingend, wie es mit dem Universum weitergeht.
Im Rahmen der experimentellen Kosmologie werden verschiedene Methoden benutzt, um den Zahlenwerten der kosmologischen Parameter auf die Spur zu kommen – in der Theorie sind sie frei und müssen deshalb empirisch ermittelt werden. Neben weit entfernten, explodierenden Sternen (Supernovae Typ Ia), der Zusammensetzung der Materie aufgrund der Nukleosynthese, der Verteilung und Anzahl von Galaxien in Galaxienhaufen verrät vor allem die beobachtete, kosmische Hintergrundstrahlung den Satz kosmologischer Parameter (am besten verwendet man alle Methoden gemeinsam). So wissen die Astronomen auf der Basis aktueller Messungen des Mikrowellen-Satelliten WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe), der gerade die Hintergrundstrahlung exakt ausmisst, dass unser Universum nicht immer da war: Es hat ein Alter von 13.7 Milliarden Jahren (Fehler von nur 1%). Das Alter bezeichnet man auch als kosmische Zeit (engl. cosmic time). Das ist im Vergleich zum Alter der Erde, etwa 4.5 Milliarden Jahre, nicht unbedingt viel mehr. Dieses Alter ist mit bekannten kosmologischen Parametern reproduzierbar, wie die nächste Abbildung demonstriert:

Beziehung zwischen kosmischer Zeit und Rotverschiebung im Universum

Der Anfang

Dreht man das Rad der Zeit zurück und betrachtet dabei das FLRW-Universum mit den aus der Beobachtung bestimmten kosmologischen Parametern, so stellt man mit Erstaunen fest, dass es einen beliebig kleinen und heißen Anfang des Universums gab. Dieser Anfangszustand ist mit dem berühmten Wort Urknall gemeint. Ursprünglich war das Wort abwertend gemeint: der Kosmologe Fred Hoyle erfand den Begiff und verbreitete ihn erstmals in einem Radiointerview. Er wollte die Hypothese des hot Big Bang eigentlich in Misskredit bringen. Das Gegenteil trat ein: Die 'Urknalltheorie' als Hypothese vom Anfang der Welt hat sich seither als Dauerbrenner bewährt, ist konsistent mit den meisten astronomischen Beobachtungen und gehört daher auch zum scientific mainstream, zur herrschenden Lehrmeinung. Der Pionier der Urknall-Idee war eigentlich der Theoretiker und Priester Abbé Georges Lemaître: Er sprach lange vor Hoyle allerdings von der 'Geburt des Raumes'.

rasante Entwicklung von Strukturen

Die ersten Sterne haben sich bereits 200 Millionen Jahre nach dem Urknall gebildet! Das ist astronomisch und auch erdgeschichtlich betrachtet eine unglaublich kurze Zeitspanne. Diese Beobachtung stellt die Kosmologie vor ernst zu nehmende Herausforderungen, weil sie erklären muss, wie in solch kurzer Zeit Elementarteilchen, Materie und schließlich Sterne sowie Galaxien entstehen konnten.

kosmische Geometrie, Topologie und das Konkordanz-Modell

Die Geometrie ist entweder ein flaches, offenes oder geschlossenes, Euklidisches Universum (k = 0) oder ein geschlossenes Dodekaeder-Universum (positive Krümmung, k = +1)oder ein geschlossenes Horn-Universum (negative Krümmung (k = -1). Bisher sind all diese Modelle mit Beobachtungsdaten verträglich! Favorisiert wird von den meisten Wissenschaftlern das erste Szenario, das auch unter der Bezeichnung flaches ΛCDM-Modell läuft. Dies meint ein flaches Universum (k = 0), das von einer Dunklen Energie in Gestalt der kosmologischen Konstante Λ und der kalten Dunklen Materie (engl. cold dark matter = CDM) dominiert wird. Eine andere gebräuchliche Betitelung anstelle von flaches ΛCDM-Modell ist kosmologisches Standardmodell oder kosmologisches Konkordanz-Modell.

Multiversum

Während man früher an ein Universum glaubte, wird in vielen modernen, kosmologischen Modellen (Branenkosmologie, Ekpyrotisches Modell, Zyklisches Universum) die Existenz vieler Universen diskutiert. In der Quantenkosmologie spricht man sogar von Multiversen, die sich in großer Zahl bilden können und wieder vergehen. Diese Viele-Welten-Theorie ist eine Anleihe aus der Quantentheorie, wo virtuelle Teilchen aufgrund der Unschärferelation entstehen und vergehen und unter Umständen real werden. Mit dem Ekpyrotischen Modell wurde der Begriff vom Paralleluniversum salonfähig gemacht, der bis dahin eher in Science-Fiction-Literatur zu finden war. Dennoch: Bislang existieren Multiversen nur in der Vorstellung so manchen Forschers – es gibt keinerlei Evidenzen für ein Multiversum.

kosmische Topologie: eine aktuelle Herausforderung

Die Frage, ob das Universum offen/unendlich oder geschlossen/endlich ist, ist letztendlich eine topologische Frage. Sie ist bisher nicht zufrieden stellend beantwortet worden, sondern Kosmologen argumentieren meist mit Einfachheit (Ockhams Rasierklinge). Eine genaue Prüfung der Argumente ergibt: Ein multi-verbundenes Universum (engl. multi-connected Universe) ist noch nicht vom Tisch.
Erschwerend kommt hinzu, dass es im Allgemeinen unendlich viele Topologien zu einem festen Krümmungsparameter gibt! Die Allgemeine Relativitätstheorie legt im Rahmen der relativistischen Kosmologie die Topologie des Universums nicht fest. Sie muss auf der Basis mathematischer Überlegungen vorgeschlagen werden und auf Konsistenz mit der Beobachtung (Stichwort: 'topologische Trugbilder', siehe dazu unter Eintrag Topologie), insbesondere der kosmischen Hintergrundstrahlung, überprüft werden. Deshalb könnte das geschlossene Dodekaeder-Universum tatsächlich in der Natur realisiert sein. Sollte sich dieses Szenario als falsch herausstellen, so sind auch bei Verifikation des Euklidischen Universums unendliche oder endliche Varianten möglich – je nach Topologie.

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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