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Lexikon der Astronomie: Unruh-Effekt

Dieser Effekt ist benannt nach dem Relativisten William G. Unruh. Es geht dabei um die Frage, wie im Rahmen der Relativitätstheorie ein beschleunigter Beobachter das Minkowski-Vakuum wahrnimmt.

rechnerischer Ansatz und Ergebnis

Dazu wird wie in der Berechnung der Hawking-Strahlung ein masseloses Skalarfeld auf dem Hintergrund der flachen Minkowski-Raumzeit betrachtet und die kovariante Klein-Gordon-Gleichung (eine Wellengleichung für das Skalarfeld) formuliert. Das Feld ist quantisiert, die Raumzeit nicht. In diesem Sinne ist der Zugang semi-klassisch.
Es bietet sich an, für die Beschreibung Rindler-Koordinaten (Rindler-Metrik) zu verwenden, die mit Sinus und Kosinus Hyperbolikus verknüpft sind und an die Struktur des Lichtkegels angepasst sind. In diesen Koordinaten wird die Wellengleichung reformuliert und das Skalarfeld in so genannte Rindler-Moden entwickelt. Analog zu Hawkings Ansatz wertet man nun den Vakuumerwartungswert für das Minkowski-Vakuum aus. Dieser verschwindet nicht, sondern zeigt eine auffällige Ähnlichkeit zur Planck-Kurve eines thermischen Strahlers. Man nennt die Teilchen, die der beschleunigte Beobachter im Vakuum detektiert Beschleunigungsstrahlung oder Unruh-Strahlung (in Analogie zur Hawking-Strahlung).

zwei Seiten einer Medaille: Unruh-Strahlung und Hawking-Strahlung

Die Messung des Vakuums bei der Beschleunigung erfolgt mithilfe eines Unruh-DeWitt-Detektors, der an das zu messende Skalarfeld koppelt. Ein beschleunigter Beobachter sieht das Minkowski-Vakuum als ein Quantenfeld im thermischen Gleichgewicht. Dieser Unruh-Effekt ist das Analogon zum Hawking-Effekt, ersterer gilt in flachen Raumzeiten ('ohne Gravitation'), letzterer in gekrümmten ('mit Gravitation'). Die Verwandtschaft der Effekte gilt aufgrund des Äquivalenzprinzips, denn ein frei fallender Beobachter (FFO) in einer gekrümmten Raumzeit ist einem beschleunigten Beobachter in einer flachen Raumzeit völlig gleichwertig, d.h. äquivalent.

Teilchen oder nicht Teilchen, das ist hier die Frage

Die Implikationen dieses Sachverhalts sind immens. Sie münden in eine Relativität des Teilchenbegriffs: Es hängt vom Bezugssystem ab, ob ein Beobachter ein reales Teilchen oder ein virtuelles Teilchen (Quantenvakuum) sieht!

Historische Aspekte

Unruh bezog sich 1975 zunächst auf die Verdampfung (Evaporation) Schwarzer Löcher und behandelte erst 1984 zusammen mit Robert W. Wald das Problem des beschleunigten Beobachters in der Abhandlung What happens when an accelerated observer detects a Rindler particle?.

Lesehinweis

Thomas Müller: Gravitation und Quantentheorie, Diplomarbeit (pdf), Universität Tübingen (2001)

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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