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Lexikon der Astronomie: Vakuum

Das Vakuum wird historisch bedingt oft mit dem 'luftleeren Raum' gleich gesetzt. Möchte ein Experimentator oder Laborant ein Vakuum herstellen, bedient er sich einer Vakuumpumpe. Dieses Gerät saugt aus einem Behälter den Inhalt ab, vor allem darin enthaltene Luft. Selbst die besten Vakuumpumpen vermögen nicht alle Teilchen und Moleküle zu entfernen: ein Rest bleibt immer. Die Präparation eines idealen Vakuums ist also kein leichtes Unterfangen. Geht das überhaupt? Was ist eigentlich ein ideales Vakuum?

Quantenfluktuationen und Nullpunktsschwingung

Seit der Entwicklung der Quantentheorie in der modernen Physik des 20. Jahrhunderts ist klar, dass es ein ideales Vakuum im Sinne von 'Abwesenheit von Teilchen' nicht gibt! Das Quantenvakuum ist angefüllt mit virtuellen Teilchen, die im Rahmen der Heisenbergschen Unschärfe sich für kurze Zeit Energie 'aus dem Nichts' leihen können. Diesen Sachverhalt nennen Physiker auch Vakuum- oder Nullpunktsfluktuationen. Anschaulich kann man sich diese Fluktuationen mit einem 'Quantenpendel' vergegenwärtigen: Wir stellen uns ein schwingfähiges Gebilde vor, beispielsweise das Pendel einer Uhr. In der Quantenwelt wird solch ein Pendel durch den quantenmechanischen, harmonischen Oszillator beschrieben. Wie die Lösung des zugehörigen quantenmechanischen Eigenwertproblems zeigt, weist das Quantenpendel eine Nullpunktsschwingung auf. Dieses Phänomen überträgt sich in analoger Weise auf die Quantenfeldtheorien (QFTs). Die QFTs sind diejenigen Theorien, die zur Beschreibung der Elementarteilchenphysik verwendet werden und die in ihrer Gesamtheit auf das Standardmodell der Teilchenphysik führen.

Vakuum in Einsteins Theorie

Das Vakuum hat also eine komplizierte Struktur. Vom Standpunkt der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) kann man ein relativistisches Vakuum sehr eindeutig formulieren: Hier muss der Energie-Impuls-Tensor verschwinden. Die rechte Seite der Einsteinschen Feldgleichungen ist also null und die Aufgabe besteht darin, nun Lösungen zu finden, für die der Einstein-Tensor verschwindet. Diese Lösungen nennt man Vakuum-Raumzeiten oder Vakuumlösungen der ART. Ein triviales Beispiel einer Vakuum-Raumzeit ist die Minkowski-Metrik, die die fundamentale, flache Raumzeit der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) ist. Etwa komplizierter sind die Vakuum-Lösungen in der ART, die gekrümmt sind. Hierzu gehören die Schwarzschild-Lösung oder die Kerr-Lösung, die bestimmte Schwarze Löcher mathematisch beschreiben.
In der relativistischen Kosmologie kennt man ebenfalls Vakuum-Raumzeiten, wie die materiefreie de-Sitter-Lösung. Freilich ist diese Raumzeit ohne Sinn für ein reales Universum, weil dieses doch Materie, z.B. uns selbst, enthält. Eine neue Form von regulären Raumzeiten greift jedoch auf die de-Sitter-Raumzeit zurück: die Gravasterne, die man zu der Klasse der Vakuumsterne zählt. Das de-Sitter-Vakuum besteht nicht aus baryonischer Materie, sondern aus Dunkler Energie. Diese Energieform stellt nahezu den gesamten Teil der Masse des Gravasterns. Und: Die Anti-de-Sitter-Raumzeiten haben an Bedeutung in der modernen Feldtheorie gewonnen, siehe AdS/CFT-Korrespondenz.

Dunkle Energie & Quantenvakuum

Dunkle Energie ist eine rätselhafte Substanz und füllt anscheinend unser ganzes Universum aus. Sie ist mit 74% der dominante Anteil an allen darin enthaltenen Energieformen (baryonische Materie, Dunkle Materie und eben Dunkle Energie). Sie wirkt sich antigravitativ aus und ist dafür verantwortlich, dass das Universum expandiert. Dunkle Energie 'bläst' die Robertson-Walker-Metrik auf. Es war ein nahe liegender Ansatz, die Dunkle Energie als eine Manifestation des Quantenvakuums zu interpretieren: Das Universum ist in allen Bereichen angefüllt mit dem Quantenvakuum. Die entsprechende Energiedichte ist zwar sehr gering, wird jedoch zu späten Epochen des Kosmos dynamisch relevant. Wir leben im so genannten Dunkle Energie dominierten Kosmos (Rotverschiebung z ~ 0). Im frühen Universum hingegen war die die Dunkle Energie dynamisch irrelevant, denn die Energiedichten von Strahlung und Materie bestimmten hier die Dynamik. Die Interpretation der Dunklen Energie als Quantenvakuum birgt jedoch ein schwer wiegendes quantitatives Problem: Die Energiedichte des Quantenvakuums liegt mit 1092 g/cm3 etwa 120 Größenordnungen über dem astronomisch beobachteten Wert von unter 10-29 g/cm3! Diese gravierende Inkonsistenz brachte Alternativen auf den Plan: Dunkle Energie könnte ein leichtes Teilchen sein, z.B. das Cosmon, das Radion oder eine andere Form von Quintessenz. Diese Ansätze werden aktuell in der Kosmologie verfolgt, sind aber hypothetisch. Die astronomischen Beobachtungen legen derzeit nahe, dass die Dunkle Energie im Kosmos am besten mit Einsteins kosmologischer Konstante Λ assoziiert werden kann.

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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