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Lexikon der Astronomie: Weiße Löcher

Weiße Löcher sind salopp gesagt das Gegenteil von Schwarzen Löchern: eine sichtbare Singularität! Die Einsteinschen Feldgleichungen sind symmetrisch in der Zeit (zeitumkehr-invariant), d.h. eine Zeitumkehrtransformation einer Lösung der Feldgleichungen ist wieder eine Lösung! Ein nicht rotierendes Weißes Loch entspricht der avancierten Eddington-Finkelstein-Lösung eines Schwarzschild-Loches.

Klingt recht technisch. Wie sieht das Teil aus?

Eine zeitliche Umkehrung eines Schwarzen Loches sähe so aus, dass aus dieser Raumzeitregion ständig Materie und Strahlung herausfließen würde! Selbstverständlich wurden diese Objekte nie von Astronomen beobachtet, aber eine interessante Frage ist es doch, ob es mehr ist als eine 'mathematische Spielerei'.

Nackich is nich

Diese sichtbaren – Relativisten sagen auch nackte – Singularitäten (engl. naked singularities), sind nach der kosmischen Zensur (engl. cosmic censorship) von Roger Penrose verboten: Sie müssen nach diesem Theorem durch einen Ereignishorizont verhüllt sein. Wäre das nicht der Fall, würden Akausalitäten auftreten.

Tunnel in eine andere Welt?

Die Spekulation geht sogar noch weiter: Die Allgemeine Relativitätstheorie gestattet es, Raumzeiten 'aneinanderzukleben', weil die Topologie durch die Feldgleichung nicht festgelegt ist. So ist es möglich, ein System aus einem Schwarzen und einem Weißen Loch zu 'basteln'. Die Theoretiker nennen dieses Gebilde Einstein-Rosen-Brücke oder Wurmloch. Dieses Objekt würde auf der einen Seite der Raumzeit Materie und Strahlung verschlucken, durch einen engen Raumzeitkanal transportieren und auf der Seite des Weißen Loches wieder ausstoßen. Ein solch abenteuerliches Gebilde könnte als Kanal zwischen flachen Raumzeiten oder gar Universen dienen. Die Brücke besteht im Rahmen der Theorie zwischen den beiden punktförmigen, zentralen Singularitäten.

Wie im Flugzeug: Reise durch's Wurmloch wird eng

Die enormen Gezeitenkräfte würden jedoch alles, was den Kanal passieren würde zerreißen, weshalb eine Reise durch Wurmlöcher, wie sie in SF-Romanen geschildert werden, alles andere als angenehm wäre. Die Gezeitenkräfte sind zwar bei supermassereichen Schwarzen Löchern wesentlich geringer als bei den stellaren Schwarzen Löchern, doch spätestens, wenn das einfallende Objekt die punktförmige Singularität passiert, wird es zerquetscht. Darüber hinaus zeigen Berechnungen, dass diese Brücken äußerst instabil wären und nach kurzer Zeit verschwinden würden. Eine Reise durch ein Wurmloch wäre nach allem, was die Theorie an halbwegs wissenschaftlichen Spekulationen erlaubt, eine Reise ins Ungewisse – vermutlich in den Tod.

Bislang Fehlanzeige

Bisher wurde von keinem beobachteten kosmischen Objekt die Vermutung geäußert, dass es sich dabei um ein Weißes Loch handeln könnte. Immerhin sollten diese 'umgekehrten Schwarzen Löcher' viel deutlicher in Erscheinung treten als ihre dunklen Zwillingsbrüder. Daher gelten sie nach wie vor als hochgradig spekulativ!

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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