Direkt zum Inhalt

Lexikon der Astronomie: Zyklisches Universum

Dieses kosmologische Modell (engl. Cyclic Universe) von der Entstehung und Entwicklung des Universums stellt eine Alternative zur Inflation dar, die ihrerseits das klassische Urknall-Modell ergänzt. Die Physiker Paul Steinhardt und Neil Turok wenden dabei den Formalismus der Stringtheorien an, was aber nicht zwingend ist: eine vierdimensionale Feldtheorie würde ebenso die Rechnungen ermöglichen. Sie behaupten, dass unser Universum aus dem Zusammenprall zweier Universen, einer Branen-Kollision, hervorgegangen sei!

Was ist daran zyklisch?

Diese Kollision soll einen Urknall bewirken, so dass das Phänomen Urknall erstmals in kosmologischen Modellen erklärbar wird. Die beiden Theoretiker haben das Modell einer einzelnen Kollision Ekpyrotisches Szenario getauft – in Analogie zum Weltenbrand (ekpyrosis) in der Stoischen Lehre der Antike. Die Erweiterung dieses Szenarios ist, dass diese Kollisionen nicht nur einmal, sondern immer wieder im Verlauf von Äonen auftreten. Dann heißt es Zyklisches Universum.

Universum & Paralleluniversum

Die String-Kosmologie wird folgendermaßen angewendet: die Raumzeit dieser kosmischen Bühne, auf der sich die Kollision ereigne, sei fünfdimensional (5D). Die Stringtheoretiker nennen dieses 5D-Gebilde in der Fachsprache den Bulk. Nun gibt es zwei begrenzende vierdimensionale (4D) 'Wände' dieser 5D-Raumzeit: sie heißen die Branen (eine Zeit-, drei Raumdimensionen: 3-Bran). Jede dieser Wände repräsentiere ein Universum: das eine sei das Vorläuferuniversum unseres heutigen Universums, das andere sei ein Paralleluniversum. Es sei nun denkbar, dass die beiden Universen nur auf der Planck-Skala voneinander entfernt wären, jedoch wären sie über eine weitere, höhere Raumdimension, einer Extradimensionen, getrennt!
Nur die Gravitation könne zwischen den Universen vermitteln und durch die fünfdimensionale Raumzeit gelangen. Auf diese Weise könne sich Dunkle Materie des Nachbaruniversums im Unsrigen bemerkbar machen. Materie und Strahlung blieben auf ihr jeweiliges Universum beschränkt.

Stadien im Zyklischen Universum

Radion-Feld lässt Universen schwingen

Die Ursache für die Kollision der Welten (ekpyrosis) wird in einem Kraftfeld gesehen, das ohnehin eine entscheidende Rolle im Kosmos zu spielen scheint: Dunkle Energie. Diese Energieform ist vorherrschend im beobachteten, späten Universum, wie Messungen (Experimente: BOOMERANG, MAXIMA, COBE, WMAP etc.) nahe legen. Sie übertrumpft sogar die uns vertraute sichtbare, baryonische Materie plus heiße und kalte Dunkle Materie um einen Faktor 2! Steinhardt postuliert ein Kraftfeld, das er Radion nennt. Es manifestiere sich als zeitliche variable Dunkle Energie, also eine neue Form von Quintessenz. Das Radion-Feld existiere in allen Bereichen der 5D-Raumzeit zwischen den beiden 3-Branen. Da das Radionfeld fluktuiert, induziere es Abstandsänderungen der berandenden Universen: Die Branen seien dynamisch, und es bilde sich durch die spezielle Potentialform des Feldes ein Zyklus aus Annäherung, Kollision und Entfernung aus. Diesen zyklischen Ablauf identifiziert man mit dem Begriff des Zyklischen Modells (illustriert im Schema oben). Mit jedem Urknall, der einen Anfang eines Universums bedeute, sei damit ein vorangegangener 'Endknall' assoziiert, der ein bislang existierendes Universum auslösche. Mit der Krümmungssingularität im Urknall sei daher ein verschwindender Abstand der Universen in der fünften Dimension verbunden: Der Raum kollabiere nur in einer Extradimension!

immer währender Zyklus?

Dies ist eine ganz wichtige Folgerung des Zyklischen Modells und ein entscheidender Unterschied zur bisherigen Sichtweise des Urknalls, wo der Raum in allen Dimensionen kollabiert. Denn das bedeutet für die wesentlichen physikalischen Parameter Temperatur und Dichte, dass sie endlich blieben und nicht divergieren. Im Kollaps wurde eine Temperatur von 1023 Kelvin abgeleitet. Nach der Kollision laufen die Branen in der fünften Dimension wieder auseinander. Steinhardt und Turok fanden eine so genannte Attraktor-Lösung, die es ermögliche, dass sich die Zyklen beliebig häufig wiederholen.

Bewertung des Modells

Das Zyklische Universum ist ein reizvoller Vorschlag in der modernen, theoretischen Kosmologie. Attraktiv daran ist, dass es die Verhältnisse vor dem Urknall modelliert. Die scheinbar naive Frage 'Was war vor dem Urknall?', die früher mit dem Etikett 'Frage nicht erlaubt.' abgewiesen wurde, könnte nun mit einem dynamischen Bulk-Branen-System beantwortet werden. Wer besonders pfiffig ist, mag dann jedoch weiter fragen: 'Und woher kommt das Bulk-Branen-System?'
Ähnlich wie bei den Quintessenzen gestattet das Radion-Feld als dynamische Form der Dunklen Energie die Lösung der Frage, weshalb die kosmologische Konstante so klein, aber nicht null ist – auch das ist ein Vorteil des Modells.
Aber das Modell ist auch sehr spekulativ: Extradimensionen, die im Zyklischen Modell unbedingt erforderlich sind, wurden bislang nicht experimentell nachgewiesen. Selbst wenn die Forscher sich irgendwann einmal von der Existenz der Extradimensionen überzeugt haben, bleibt die Frage, wie ein solch abenteuerliches Modell getestet werden soll. Denn für einen experimentellen Test müste Information aus dem Vorläuferzustand in unser jetztiges Universum gelangen. Laut Zyklischem Modell käme dafür als einziger Überträger nur die Gravitation in Frage. Man darf wohl sehr skeptisch sein, wie das im Detail funktionieren soll.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.