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Lexikon der Biochemie: Actine

Actine, in vielen Zelltypen vorkommende kontraktile Proteine. A. sind eine essenzielle Komponente der Muskelproteine. A. bilden im Muskel die dünnen Filamente, die gemeinsam mit den dicken Myosin-Filamenten unter Mitwirkung von Adenosintriphosphat (ATP) die Muskelkontraktion verursachen. A. kommen in zwei Formen vor. Das globuläre A. (G-A.) ist die monomere Form (Mr 42kDa) und besteht aus einer Peptidkette aus 375 Aminosäurebausteinen, die Ca2+-Ionen und ATP mit hoher Affinität binden kann. Die Struktur des Actins wurde im Verlauf der Evolution hoch konserviert. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass es mit einer großen Anzahl an Proteinen (Actin-bindende Proteine) spezifische Wechselwirkungen eingeht. G-A. bildet mit der DNA-Polymerase I (DNase I) einen 1 : 1-Komplex, der zusammen mit einem Ca2+-Ion und einem Molekül ATP oder ADP kristallisiert werden kann. Da G-A. zur Polymerisation neigt, ist dies die einzige Möglichkeit, die Verbindung kristallin zu erhalten und einer Röntgenstrukturanalyse zugänglich zu machen. Den Röntgendaten konnte entnommen werden, dass das G-Actin aus zwei Domänen besteht, die jeweils in zwei Unterdomänen unterteilt sind. Zwei der Unterdomänen (eine in jeder Domäne) weisen eine ähnliche Struktur auf, d. h. sie bilden ein 5-strängiges β-Faltblatt, bestehend aus einem β-Haarnadelmotiv gefolgt von einem rechtsgängigen βαβ-Motiv. Diese Unterdomänen könnten von einer Genduplikation herrühren, allerdings zeigen ihre Primärsequenzen keine signifikante Übereinstimmung. Unter physiologischen Bedingungen polymerisiert G-A. unter Beteiligung von ATP zum filamentären A. (F-A.; Abb.). Während der Polymerisation wird das ATP hydrolysiert, das gebildete ADP bleibt an das Actin gebunden. Die Hydrolyse ist jedoch nicht an die Polymerisation selbst gekoppelt; sie erfolgt etwa 10 Sekunden nach der Addition des Monomers an das Polymer. Die Enden des Actinfilaments unterscheiden sich in der Geschwindigkeit, mit der Actinmonomere angelagert bzw. abgespalten werden. Man spricht von "Polarität" und unterscheidet ein minus-Ende, von dem A. eher abgespalten wird und das daher langsam wächst, und ein plus-Ende, an dem A. bevorzugt angelagert wird und das daher schneller wächst.

Ein idealisiertes Modell des F-A. geht von einem helicalen Filament mit einem Durchmesser von 9-10 nm aus, in welchem die Längsachsen der Monomere fast senkrecht zur Filamentachse stehen. Die Positionen der Monomere innerhalb des Filaments sind flexibel, so dass die Bindung von Proteinen (z.B. Tropomyosin) eine periodische, aber nicht helicale Struktur erzeugt; der Wiederholungsabstand beträgt sieben Monomere. F-A. ist auch als Komponente des Cytoskeletts an der Ausbildung und Stabilisierung verschiedener Zellstrukturen beteiligt.

Man kann A. aus Skelettmuskelzellen von Wirbeltieren, deren Masse zu etwas 20 % aus diesem Protein besteht, für in-vitro-Experimente relativ leicht gewinnen. Bei der Behandlung getrockneter und zerkleinerter Muskeln mit stark verdünnter Salzlösung dissoziieren die Actinfilamente in die Actinuntereinheiten. Reines A. liegt in Lösungen geringer Ionenstärke in monomerer Form vor. Bei Zugabe von Salz und in Gegenwart von ATP erfolgt eine spontane Zusammenlagerung zu Filamenten. Die Polymerisation ist ein dynamischer Prozess, der durch ATP-Hydrolyse gesteuert wird. Zellulär verbleibt etwa die Hälfte des A. durch die Bindung an kleine Proteine, wie Thymosin (Thymopoietin) in monomerer Form. In der Rinde tierischer Zellen erfolgt eine ständige Polymerisation und Depolymerisation der A.-Moleküle, wobei Fortsätze der Zelloberfläche wie Lamellipodien und Mikrospikes entstehen. Signalmoleküle beeinflussen von außen durch Wechselwirkung mit Zelloberflächenrezeptoren, die über heterotrimere G-Proteine und kleine ATPasen (Rac und Rho) wirken, den Polymerisationsprozess.

Im Elektronenmikroskop erscheinen A.-Filamente als Fäden von etwa 8nm Durchmesser. Sie können in den Zellen sowohl stabile Strukturen, wie man sie im Kern der Mikrovilli findet, als auch labile Strukturen ausbilden, worauf Zellbewegungen beruhen. In einer Zelle ist die Gesamtlänge der A.-Filamente wenigstens 30mal so groß wie die der Mikrotubuli. Betrachtet man beide Cytoskelett-Polymere, dann sind A.-Filamente dünner, biegsamer und entscheidend kürzer als Mikrotubuli. In der Zelle treten einzelne A.-Filamente kaum in Erscheinung, vielmehr bilden sie quervernetzte Aggregate und Bündel mit viel höherer Stabilität als einzelne Filamente. Die unterschiedlichen Formen und Funktionen des A. in eukaryontischen Zellen sind auf eine breite Palette Actin-bindender Proteine zurückzuführen.



Actin. PolymerisiertesActin.
a. Das idealisierte Modell zeigt die Anordnung der Actinmonomere, dargestellt als verschmolzene Kugeln. [aus D.J. DeRosier "The Cytoskeleton". Vol. 5 von Cell and Muscle Motility, Plenum Press, New York, (1985) 139-169, mit Genehmigung]
b. Querschnitte durch zwei aufeinanderfolgende Monomere. Die durchgezogenen und gestrichelten Umrandungen stellen Schnitte in zwei verschiedenen Ebenen dar, etwa 270 nm auseinander und um 167ø um die Helixachse gedreht. [aus E.H. Egelman J. Musc. Res. Cell Motil. 6 (1985) 129-151, mit Genehmigung]

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