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Lexikon der Biochemie: Crassulaceen-Säurestoffwechsel

Crassulaceen-Säurestoffwechsel, CAM (engl. Crassulacean acid metabolism). Pflanzen, die einen CAM besitzen, sind Sukkulenten. Viele gehören zu den Crassulaceen (z.B. Sedum-, Kalanchoe-Arten), andere wiederum gehören zu den Familien der Ein- und Zweikeimblättrigen und sogar zur Pteridophytenfamilie Polypodiaceae. CAM-Pflanzen weisen folgende Charakteristika auf: 1) normalerweise sind ihre Stomata in der Nacht (d.h. im Dunkeln) geöffnet und am Tag (d.h. im Hellen) geschlossen. Diese Stomatabewegungen sind zu der von Nicht-CAM-Pflanzen entgegengesetzt. 2) Während der Dunkelzeit wird CO2 in den chloroplastenhaltigen Zellen der photosynthetischen Blätter und Stengelgewebe fixiert, indem beträchtliche Mengen an Äpfelsäure synthetisiert werden. 3) Diese Äpfelsäure wird in den großen Vakuolen gespeichert, die für Zellen von CAM-Pflanzen charakteristisch sind. 4) In den Stunden der Helligkeit wird die Äpfelsäure, die während der vorangegangenen Nacht gebildet wurde, decarboxyliert und das erhaltene CO2 wird in einem lichtgetriebenen Calvin-Zyklus in Saccharose, Stärke oder einige andere Reserveglucane überführt. 5) In der folgenden Nacht werden einige der Reserveglucane katabolisiert, um ein Akzeptormolekül für die Dunkelreaktion der CO2-Fixierung zur Verfügung zu stellen. Die photosynthetischen Zellen der CAM-Pflanzen besitzen demnach einen Tageszyklus, in dessen Verlauf nachts der Äpfelsäurespiegel steigt und der Reserveglucanspiegel sinkt, während sich am Tag der Vorgang umkehrt.
Der Stoffwechsel, für den diese Charakteristika gelten, läuft im Einzelnen wie folgt ab. In der Nacht tritt CO2 durch die geöffneten Stomata in das Gewebe ein und diffundiert in die photosynthetischen Zellen, wo es sich in wässrigem Milieu löst und HCO

bildet, möglicherweise mit Unterstützung der Carboanhydrase (EC 4.2.1.1). Das HCO

reagiert dann mit Phosphoenolpyruvat (PEP) unter dem katalytischen Einfluss von PEP-Carboxylase (EC 4.1.1.31) und bildet Oxalacetat, das anschließend durch NADH und mit Hilfe der NAD-Malat-Dehydrogenase (EC 1.1.1.37) zu Äpfelsäure reduziert wird. Die Äpfelsäure wird durch aktiven Transport durch die Tonoplastenmembran transportiert und in den Zellvakuolen akkumuliert. Dadurch wird die Konzentration der Äpfelsäure, die ein allosterischer Inhibitor der PEP-Carboxylase ist, im Cytoplasma niedrig gehalten. Die Produktion der Äpfelsäure läuft während der ganzen Nacht ab, wird jedoch mit Anbrechen der Dämmerung langsamer. Der Grund hierfür liegt vermutlich darin, dass der Turgordruck der Vakuolen, der in der Nacht ständig angestiegen ist, während Äpfelsäure und osmotisch angezogenes Wasser in ihnen akkumuliert wurden, einen kritischen Wert überschreitet und Äpfelsäure zurück in das Cytoplasma drängt, wo es die PEP-Carboxylase inhibiert. Quelle des PEP für die Carboxylierungsreaktion sind die Reserveglucane, die während der vorangegangenen Tageslichtperiode gebildet wurden. Das Glucan wird durch Phosphorylase und verzweigungslösende Enzyme zu D-Glucose-1-phosphat (G-1-P) katabolisiert, das anschließend über den Glycolyseweg in PEP umgewandelt wird. Das NAD+/NADH-Gleichgewicht wird während der Nacht durch den reziproken Bedarf der NAD-Malat-Dehydrogenase und der 3-Phosphoglycerinaldehyd-Dehydrogenase (EC 1.2.1.12) aufrechterhalten.
Im Verlauf der darauf folgenden Tageslichtperiode geht die Äpfelsäure weiter von den Vakuolen in das Cytoplasma über, wo sie decarboxyliert wird, um CO2 für die lichtgetriebene C3-Photosynthese über den Calvin-Zyklus zur Verfügung zu stellen. Es gibt zwei verschiedene Decarboxylierungsreaktionen, die im CAM vorkommen, jedoch niemals zusammen in den gleichen Pflanzenspezies. CAM-Miglieder der Crassulaceae, Cactaceae und Agavaceae decarboxylieren Äpfelsäure mit Hilfe des NADP-Äpfelsäure-Enzyms (EC 1.1.1.40) unter Bildung von CO2 und Pyruvat (Pyr). CAM-Mitglieder der Liliaceae, Bromeliaceae und Asclepiadaceae setzen PEP-Carboxykinase (EC 4.1.1.49) ein, d.h. dass die Äpfelsäure zurück in Oxalacetat verwandelt werden muss, dem Substrat dieses Enzyms. Diese Umwandlung wird durch Malat-Dehydrogenase katalysiert. Das PEP, das mit Hilfe der PEP-Carboxykinase gebildet wurde, und das Pyruvat, das bei der Katalyse durch das NADP-Äpfelsäure-Enzym entsteht, werden zu 3-Phosphoglycerinsäure (3PGS) umgesetzt, das in den Calvin-Zyklus eingespeist wird. Die PEP → 3PGA-Umwandlung verläuft über 2-Phosphoglycerinsäure (2PGS) und benötigt die Enzyme Enolase (EC 4.2.1.11) und Phosphoglycero-Mutase (EC 5.4.2.1). Die Pyr → 3PGA-Umwandlung folgt zwar dem gleichen Weg, am Anfang steht jedoch die Überführung von Pyr in PEP mit Hilfe der Pyruvat-orthophosphat-Dikinase (EC 2.7.9.1).
Die CO2-Fixierung geschieht unter der katalytischen Wirkung von Ribulosediphosphat-Carboxylase. D-Fructose-6-phosphat (F-6-P) kann aus dem Calvin-Zyklus (als photosynthetisches Produkt) abgezweigt und für die Synthese von Reserveglucanen, z.B. Stärke, in den Chloroplasten verwendet werden. Außerdem kann Dihydroxyacetonphosphat aus dem Calvin-Zyklus entnommen und vom Chloroplasten in das Cytoplasma exportiert werden, wo es zur Synthese von Saccharose (Calvin-Zyklus, Abb.) eingesetzt werden kann. Die Saccharose wird dann von den Zellen zu dem Teil der Pflanze exportiert, der sich im Wachstum befindet.
Der CAM stellt eine Anpassung dar, die spät in der Evolution in Erscheinung tritt und die es den Pflanzen (z.B. Kakteen) erlaubt, in extrem trockener Umgebung zu überleben und zu wachsen. Während der Tageszeit, wenn es extrem heiß ist, schließen die Kakteen ihre Stomata. Dies, zusammen mit dem niedrigen Oberfläche-zu-Volumen-Verhältnis und der stark gewachsten Kutikula, verhindert beinahe den gesamten Gasaustausch mit der Atmosphäre und verringert dadurch den Wasserverlust auf fast Null. Auf diese Weise wird auch die CO2-Aufnahme verhindert. (Das spielt jedoch keine Rolle, da das CO2, das für den lichtgetriebenen Calvin-Zyklus benötigt wird, durch Decarboxylierung von Äpfelsäure erhalten wird, die im Verlauf der vorangegangenen Nacht gebildet wurde.) Während der Nacht, wenn es viel kühler und der Wasserverlust durch Verdunstung wesentlich geringer ist, können sich die Stomata in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit von Wasser öffnen. Wenn es genügend geregnet hat, öffnen sich die Stomata und es kann CO2 aufgenommen und dazu verwendet werden, Äpfelsäure zu produzieren, die in der folgenden Tageslichtperiode für die Unterhaltung des Calvin-Zyklus verwendet wird. Auf diese Weise ergibt sich eine Nettoproduktion an Kohlenhydraten und der Kaktus kann wachsen. Wenn es jedoch einige Zeit nicht geregnet hat, bleiben die Stomata geschlossen, da der Wasserverlust durch Verdunstung nicht durch Absorption der Wurzeln ausgeglichen werden kann. Deshalb wird in der Nacht kein CO2 aufgenommen und es erfolgt am Tag keine Nettoproduktion an Kohlenhydraten. Unter diesen Bedingungen kann der Kaktus nicht wachsen, im besten Fall kann er überleben. Dieser Zustand kann unter Anwendung eines "Leerlaufprozesses" Monate und Jahre fortdauern. Die Hauptfunktion dieses Prozesses besteht darin, die Lichtenergie, deren Absorption der Kaktus während der Tageszeit nicht vermeiden kann, weiterzuleiten. Der normale Weg, auf dem eine Pflanze absorbierte Lichtenergie weiterleitet, besteht darin, diese produktiv zur Synthese von Kohlenhydraten und zum Wachstum einzusetzen. Dieser Weg ist dem Kaktus jedoch in dieser Lage versagt. Er leitet die Lichtenergie daher nichtproduktiv weiter, indem er mit Hilfe des CAM einen Carboxylierungs- und Decarboxylierungszyklus in Form der Photoatmung und der Dunkelatmung durchläuft. Während des Tages wird Äpfelsäure decarboxyliert, um CO2 für den lichtgetriebenen Calvin-Zyklus zur Verfügung zu stellen, bis die Versorgung erschöpft ist. Wenn dies geschieht, dann stellt die Photoatmung das CO2 zur Verfügung. Während der Nacht wird das Reserveglucan, das am vorhergehenden Tag gebildet wurde, mit Hilfe des normalen Atmungsprozesses der Glycolyse und dem Tricarbonsäure-Zyklus in CO2 und PEP überführt. Diese werden dann in Äpfelsäure zurück umgewandelt. Dieser Leerlaufprozess besteht fort, bis die Trockenheit zu Ende geht, wenn der Kaktus Wasser aufnimmt, seine Gewebe rehydratisiert, seine Stomata wieder anfangen, sich nachts zu öffnen und aufgrund der Wiedereinführung des produktiven CAM wieder Wachstum stattfindet.
Einige CAM-Pflanzen wachsen in Regionen, in denen die Verfügbarkeit von Wasser ein geringeres Problem darstellt. Diese Pflanzen scheinen vom CAM zur normalen C3-Photosynthese zu wechseln, wenn Wasser vorhanden ist und zurück zu CAM, wenn Wasser knapp ist. Darüber hinaus gibt es Beweise dafür, dass der CAM bei einigen Pflanzen eine induzierbare Anpassung darstellt. Es scheint zwei Arten an CAM-Pflanzen zu geben, die obligaten oder konstitutiven CAM-Pflanzen (z.B. Kakteen) und die fakultativen oder induzierbaren CAM-Pflanzen (z.B. Mesembryanthemum crystallinium).

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