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Lexikon der Biochemie: Erythrocytenmembran

Erythrocytenmembran, eine typische Plasmamembran. Sie wurde oft als Prototyp für Untersuchungen an Membranen (Biomembran, Abb. 1) ausgewählt, da sie leicht präpariert werden kann, leicht verfügbar und relativ einfach aufgebaut ist. Die E. besitzt jedoch die ungewöhnliche Eigenschaft, dass sie besonders fest am Cytoskelett verankert ist. Membranen von reifen Säugetiererythrocyten werden durch osmotische Lyse präpariert und gewaschen. Wenn die leeren E. ("Ghosts") in physiologisches Medium zurückkehren, werden sie wieder versiegelt und nehmen ihre ursprüngliche Form an. Die E. besteht zu 49% aus Protein, zu 44% aus Lipid und zu 7% aus Kohlenhydrat.
Die Solubilisierung der leeren E. in 1%igem Natriumdodecylsulfat und daran anschließende SDS-Polyacrylamid-Gelelektrophorese und Färbung mit Coomassieblau zeigt mehr als zehn gut definierte Proteinbanden. Die Färbung mit Periodsäure-Schiff-Reagens (engl. periodic acid-Schiff reagant, PAS), das Kohlenhydrate anfärbt, lässt vier Banden (PAS-Banden) erkennen.
Einige Proteine können durch Änderung der Ionenstärke oder des pH-Werts des Mediums aus der E. extrahiert werden. Dies deutet darauf hin, dass es sich um periphere Proteine handelt. Da diese Proteine angegriffen werden, wenn den Präparationen nichtversiegelter leerer E. Proteasen hinzugefügt werden, jedoch unberührt bleiben bei versiegelten leeren E. bzw. bei intakten Erythrocyten, müssen sie auf der cytoplasmatischen Seite der Membran lokalisiert sein.
Die peripheren Proteine wurden wie folgt charakterisiert (die Banden des SDS-Polyacrylamid-Gelmusters werden von oben nach unten durchnummeriert; die Bande 1 entspricht dem Protein, das am langsamsten wandert und das höchste Molekulargewicht besitzt). Bande 1 und 2: dimere und monomere Formen des Spectrins; dieses bildet ein Netzwerk und stabilisiert und reguliert die Form der Erythrocyten durch Wechselwirkung mit anderen Proteinen. Bande 4,1: ein Protein, das Spectrin mit der Membran verknüpft. Bande 5: Actin. Bande 6: Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase.
Die Banden 3 und 7 und alle vier PAS-Banden entsprechen integralen Membranproteinen, die nur mit Detergenzien oder organischen Lösungsmitteln von der E. dissoziiert werden können. Die Bande 3 repräsentiert das Anionentransportprotein (Ionenkanal). Dies unterstützt einerseits den Austausch von Bicarbonat und Chlorid, der notwendig ist, um den Erythrocyten-pH-Wert zu puffern, und andererseits den Import von Phosphat und Sulfat. Die PAS-Banden stehen für verschiedene Mitglieder der Glycophorin-Familie.
Glycophorin A ist das Hauptsialoglycoprotein der E., das zu 60 % aus Kohlenhydrat (16 Oligosaccharideinheiten, 15 O-verknüpft, 1 N-verknüpft) und zu 40 % aus Protein besteht (Glycophorine).
Ungefähr 75% des Proteinnetzwerks ("Skelett") der E. bildet Spectrin. Durch Vernetzung der Spectrinmoleküle bildet sich auf der cytosolischen Seite der E. ein dichtes Netzwerk aus, in dem Spectrin auch an Ankyringebunden ist, das seinerseits an das Anionentransportprotein (Bande 3) bindet.
Dieses dichte Netzwerk des quervernetzten Spectrins ist für die Ausbildung der konkaven Scheibenform der Erythrocyten verantwortlich und verleiht den Erythrocyten die extreme Flexibilität, die notwendig ist, um die Kapillaren zu passieren.
Die Ursache einiger hämolytischer Anämien liegt in der Ausbildung von Abnormalitäten des Proteinskeletts der E. Eine Form der hereditären Sphärocytose (Kugelzellenanämie, zerbrechliche, unflexible, sphärische Erythrocyten) wird durch eine verminderte Synthese von normalem Spectrin und der Gegenwart eines abnormalen Spectrins verursacht, das mit verminderter Affinität an das Protein der Bande 4,1 bindet. Eine andere Form geht auf die Abwesenheit des Proteins der Bande 4,1 zurück. Aufgrund ihrer Unflexibilität haben kugelförmige Erythrocyten Ähnlichkeit mit gealterten Erythrocyten und werden aus dem Kreislauf entfernt und in der Milz zerstört. Im Fall der hereditären Elliptocytose (elliptische Erythrocyten), die in Teilen Südostasiens und in Melanesien vorkommt, liegt ein defektes Anionentransportprotein vor. Die homozygote Form ist tödlich, die heterozygote Form verleiht Malariaresistenz. [R.T. Moon u. a.P. McMahon "General diversitiy in nonerythroid spectrins" J. Biol Chem. 265 (1990) 4.427-4.433; K.E. Sahr et al. "Complete cDNA and polypeptide sequence of human erythroid α-spectrin" J. Biol. Chem. 264 (1990) 4.434-4.443; J.A. Chasis u. N. Mohandas "Red blood cell glycophorins" Blood 80 (1992) 1.869-1.879; J.G. Conboy "Stucture, function and molecular genetics of erythroid membrane skeletal protein 4,1 in normal and abnormal blood cells" Semin. Hematol. 30 (1993) 58-73; V. Bennet u. D.M. Gilligan Annu. Rev. Cell Biol. 9 (1993) 27-66; P.O. Schischmannoff et al. "Spectrin and actin-binding domains of 4,1" J. Biol. Chem. 270 (1995) 21.243-21.250; J. Whelan "Selectin Synthesis and Inflammation" Trends Biochem. Sci. 21 (1996) 65-69]

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