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Lexikon der Biochemie: Genbank

Genbank, die Bezeichnung für eine Sammlung von klonierten DNA-Fragmenten, die insgesamt das vollständige Genom eines spezifischen Organismus repräsentieren. Die einzelnen DNA-Fragmente sind dabei in Klonierungsvektoren (z. B. Plasmide) eingebaut.
Prinzipiell wird zwischen zwei Arten von G. unterschieden:
1) Genomische G., Genombibliotheken werden aus der zellulären DNA eines Organismus angelegt und enthalten Klonierungsvektoren mit eingebauten genomischen DNA-Fragmenten. Die zelluläre DNA wird durch Spaltung mit Restriktionsendonucleasen oder durch mechanisches Abscheren fragmentiert. Die langen, dünnen DNA-Moleküle können durch Scherkräfte leicht zerlegt werden. Eine intensive Bestrahlung mit Ultraschall erzeugt DNA-Fragmente aus ungefähr 300 Nucleotidpaaren, während bei der Behandlung mit einem Schnellrührer (1.500 Umdrehungen/min für 30 min) Fragmente aus ungefähr 8kbp entstehen. Um eine Genombibliothek aufzubauen, wird das gesamte Komplement der DNA-Fragmente in geeigneten Vektoren kloniert, gewöhnlich in Phagen oder Cosmiden. Dieses Verfahren wird gelegentlich als "Schrotflinten"-Methode bezeichnet, weil es nicht selektiv ist und auf die statistische Wahrscheinlichkeit baut, dass jedes Gen in mindestens einem der DNA-Fragmente enthalten ist. Die Anzahl der Klone, die notwendig sind, um sicherzugehen, dass eine Genombibliothek alle Gene des zellulären Genoms enthält, kann mit Hilfe folgender Gleichung berechnet werden: N = [ln(1 – P)]/[ln(1 – a/b)], wobei N die Anzahl der erforderlichen Klone ist, P die Wahrscheinlichkeit, dass jedes Gen vorhanden ist (d. h. dieser Wert kann verschieden festgesetzt werden, z. B. 95%, 80 %, usw.), a die durchschnittliche DNA-Fragmentgröße, die in den Vektor inseriert wird, und b die Größe des Gesamtgenoms.
Wenn ein Bacteriophage als Klonierungsvektor dienen soll, wird dieser zuerst gereinigt und dann mit einer Restriktionsendonuclease behandelt. Das fragmentierte zelluläre Genom und die Phagen-DNA-Restriktionsfragmente werden gemischt, hybridisiert und ligiert, wodurch eine Population rekombinanter DNA-Phagen-Moleküle entsteht, in der alle Restriktionsfragmente des zellulären Genoms zufällig verteilt sind. Diese Phagen-Hybrid-DNA wird in ein Wirtsbakterium (die meisten Versuche wurden mit dem Bacteriophagen λ und E. coli durchgeführt) übertragen, wodurch schließlich eine Phagenpopulation erzeugt wird, die die Genombibliothek trägt. Besonders geeignet für den Aufbau von Genombibliotheken eukaryontischer Organismen, die sehr große Genome besitzen, sind Cosmide, die eine Aufnahmegrenze von 52kbp Fremd-DNA haben.
Wenn nur ein Teil aller im Genom eines Organismus vorkommenden DNA-Bereiche in der G. enthalten ist, spricht man entsprechend von einer subgenomischen G.
2) Im Gegensatz zu den genomischen G. enthalten die cDNA-G. die mittels der reversen Transcriptase in DNA umgeschriebenen Sequenzen aller in einer Zelle vorkommenden mRNA-Moleküle (rekombinante DNA-Technik). Um eine cDNA-Klondatenbank zu erzeugen, wird mRNA aus einem Organ, Gewebe oder Organismus isoliert und dann als Matrize zur Synthese von cDNA verwendet. In multizellulären Eukaryonten exprimieren die spezialisierten Zellen nicht das gesamte Genom. Es werden relativ wenige Proteine hergestellt und die entsprechende mRNA ist deshalb zu einem hohen Anteil vorhanden. Beispielsweise besteht die mRNA aus dem Pankreas zum großen Teil aus mRNA für Prä-Pro-Insulin, Leguminosenwurzelknöllchen besitzen einen hohen Spiegel an Leghämoglobin-mRNA, und die mRNA von Seidenfibroin herrscht in den seidesynthetisierenden Drüsen der Seidenraupe vor. Ein Vorteil der mRNA liegt darin, dass sie das Endprodukt der Prozessierung darstellt, in dem die Introntranscripte (Intron) bereits entfernt sind. Die cDNA-Nucleotidsequenz entspricht deshalb der Aminosäuresequenz des Genprodukts. Eukaryontische rekombinante Gene, die Introns enthalten, können nach der gentechnischen Herstellung in einer prokaryontischen Umgebung nicht prozessiert werden. Da die meisten eukaryontischen mRNAs einen 3'-PolyA-Schwanz tragen (messenger-RNA), kann sie mit Hilfe von Affinitätschromatographie auf Oligo-dT-Cellulose isoliert werden.
mRNA, die zur cDNA-Synthese bestimmt ist, kann mit Hilfe von Saccharosedichtegradientenzentrifugation oder von HPLC angereichert werden. Jede mRNA-Fraktion wird in einem in-vitro-Translationssystem (für eukaryontische mRNA werden Reticulocytenlysat oder Weizenkeimsysteme verwendet) getestet, unter Verwendung von radioaktiven Aminosäurevorstufen. Gewöhnlich wird das Translationsprodukt durch Präzipitation mit einem spezifischen Antikörper analysiert, gefolgt von SDS-Gelelektrophorese sowie Fluorographie.
Die erste Stufe der cDNA-Synthese wird mit reverser Transcriptase (RNA-abhängige DNA-Polymerase) durchgeführt, wobei ein mRNA-cDNA-Hybrid entsteht (Abb. 1). Solche Hybride wurden zwar erfolgreich in Bakterienplasmide inseriert, jedoch wird gewöhnlich die mRNA-Matrize durch alkalische Hydrolyse abgespalten und die Einzelstrang-cDNA in die Doppelstrangform überführt. Eine Region mit Selbstkomplementarität am 3'-Ende der cDNA führt zur Bildung einer kurzen Haarnadelstruktur. Durch weiteres Wirken der reversen Transcriptase bzw. DNA-Polymerase I in Gegenwart von Desoxyribonucleotidtriphosphaten wird die 3'→ 5'-Elongation weitergeführt und eine Doppelstrangstruktur mit einem geschlossenen Ende gebildet. Die Abspaltung der Haarnadelschleife mit Hilfe von S1-Nuclease führt zur Bildung einer doppelsträngigen cDNA, die für die Klonierung geeignet ist. Die DNA-Polymerase I besitzt auch Nucleaseaktivität, die zur teilweisen Zerstörung der synthetisierten DNA führen kann. Aus diesem Grund wird gewöhnlich das Klenow-Fragment der Polymerase I oder eine andere Polymerase, wie die Bacteriophagen-T4-DNA-Polymerase eingesetzt.
Bei der Abspaltung der Haarnadelschleife durch die S1-Nuclease wird zwangsläufig auch ein Teil der DNA-Sequenz, die dem 5'-Ende der mRNA entspricht, entfernt. Dieses Problem wird durch eine verbesserte Methode zur Synthese von cDNA mit vollständiger Länge überwunden. Dem ersten cDNA-Strang wird ein Oligo-dC-Schwanz angehängt, so dass die Synthese des zweiten Strangs mit Oligo-dG als Startermolekül durchgeführt werden kann (Abb. 2).



Abb. 1. Genbank. In-vitro-Synthese einzel- und doppelsträngiger cDNA. Die kurze Haarnadelstruktur am 3'-Ende des anfänglich synthetisierten Einzelstrangs dient als Primer für die Synthese des zweiten DNA-Strangs.



Abb. 2. Genbank. In-vitro-Synthese einzel- und doppelsträngiger cDNA. Bei der Synthese des zweiten DNA-Strangs dient Oligo-dG als Primer, welches an den 3'-Oligo-dC-Schwanz anhybridisiert ist. Der Oligo-dC-Schwanz wurde in einer früheren Stufe durch die Wirkung der terminalen Transferase in Gegenwart von dCTP angehängt.

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