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Lexikon der Biochemie: immobilisierte Enzyme

immobilisierte Enzyme, ursprünglich lösliche Enzyme, die durch Bindung an anorganische oder organische Träger unlöslich gemacht werden. Die Immobilisierungsmethoden entsprechen prinzipiell denen intakter Zellen (immobilisierte Mikroorganismen). Allgemein unterscheidet man:
1) trägerfixierte Enzyme: Die Fixierung geschieht durch: a) Adsorption an hydrophobe oder elektrisch geladene makromolekulare Trägermaterialien; b) kovalente Bindung an aktivierte makromolekulare, wasserunlösliche Trägermaterialien; c) kovalente Quervernetzung mittels bi- oder multifunktioneller Reagenzien.
2) eingeschlossene Enzyme (in polymere Netzwerke, semipermeable Membranen, hinter Ultrafiltrationsmembranen).
Bei den trägerfixierten Enzymen, die häufiger angewendet werden, werden makroporöse Träger bevorzugt, um eine möglichst große Oberfläche für die Adsorption oder kovalente Bindung zu erhalten. Voraussetzung für eine erfolgreiche kovalente Fixierung des Enzyms ist die Anwesenheit funktioneller Gruppen am Träger. Ein oft benutztes Aktivierungsverfahren (insbesondere bei Dextrangelen) ist die Umsetzung mit Bromcyan (Abb. 1). Entsprechend der chemischen Natur der funktionellen Gruppe können sich verschiedene Bindungstypen ausbilden (Ether, Thioether, Ester usw.). Es wurde noch über viele weitere Kopplungsverfahren zur kovalenten Anknüpfung von Enzymen an Agar-, Agarose- und Sephadexträger sowie an die silanisierte Oberfläche von porösem Glas berichtet. Einzelheiten dieser Verfahren und weitere Aspekte zu i. E. sind verständlich abgehandelt in: [Methods in Enzymology XLIV, 1976, Klaus Mosbach, Hrsg., Academic Press].
Die Menge an kovalent gebundenem Enzym ist im Allgemeinen gering (1-5%), in Ausnahmefällen, besonders wenn die Reaktionspartner entgegengesetzt geladen sind, 10 % oder mehr, z. B. 12% für Katalase, die an Cellulosederivate gebunden ist.
I. E. haben ähnliche Vorteile wie immobilisierte Zellen: kontinuierliche und wiederholte Verwendbarkeit, höhere Stabilität (insbesondere Erhöhung des Temperaturoptimums und der Lösungsmittelbeständigkeit) sowie bei trägergebundenen Enzymen der Wegfall der Diffusionsbarriere. Nachteile sind die erforderliche Enzymisolierung, Aktivitätsverluste bzw. -änderungen der Regenerierung von Coenzymen usw. Die Änderung der Aktivität i. E. wird zum einen durch die Eigenschaften des Trägers (Hydrophilie, Hydrophobie, Dielektrizitätskonstante u. a. m.) verursacht, zum anderen tragen die eingeschränkte Flexibilität und Mobilität des fixierten Enzyms, sowie sterische Faktoren, die sich in einem erschwerten Substratzutritt zum katalytischen Zentrum und einer verzögerten Wegdiffusion der Reaktionsprodukte äußern, dazu bei. Gemessen an der in den meisten Fällen erzielten Stabilitätserhöhung, sind jedoch diese Veränderungen geringfügig. Sie können umgangen oder reduziert werden durch Zwischenschalten einer Seitenkette (Spacer), die dem Enzym mehr Beweglichkeit und damit ungehinderten Kontakt mit den Substraten verleiht ("Enzyme an der Leine").
Speziell medizinisch von Bedeutung sind die in künstlich erzeugten Mikrokapseln aus Polyamid, Polyurethan, Polyphenylester, Phospholipiden (Liposomen) eingeschlossenen Enzyme (künstliche Zellen, Durchmesser 5-90 μm). Da diese mikroenkapsulierten Enzyme ebenso wie die hochmolekularen Proteine ihrer Umgebung die Kapselporen nicht passieren, umgekehrt aber ihre niedermolekularen Substrate jederzeit zu ihnen gelangen können, ermöglicht diese Form fixierter Enzyme ihren Einsatz als therapeutische Agenzien. Hinzu kommt ihre fehlende Antigenität und ihre Nichtangreifbarkeit durch die Proteasen des umgebenden Milieus.
Außer für Stoffumwandlungen werden i. E. als Enzymersatz bei angeborenen Enzymdefekten, wie Katalasemangel, bei der Behandlung asparaginabhängiger Lymphosarkome oder als künstliche Niere eingesetzt. Obwohl positive Resultate mit den künstlichen Zellen unter in-vivo-Bedingungen (intraperitonale Zufuhr) erhalten wurden, liegt ihr Hauptanwendungsgebiet z. Z. in der extrakorporalen Anwendung, z. B. Hämdiffusion in Form der künstlichen Niere (Abb. 2). Bedeutung haben i. E. auch für die biochemische Analytik, für die Medizin (u. a. Enzymsubstitution im Menschen bei Enzymdefekten), Abwasserreinigung, Energiegewinnung usw. Durch Coimmobilisierung mit Zellen kann das Applikationsspektrum beträchtlich erweitert werden.
Beispiele für eine industrielle Verwendung von i. E. sind: 1) Proteasen (in Detergenzien, zur Herstellung von Käse und anderen Nahrungsmitteln), 2) Carbohydrasen (zum Hydrolysieren von Stärke, Umwandlung von Glucose in Fructose: Glucose-Isomerase, usw.) und 3) Lipasen (in der Nahrungsmittelverarbeitung). Verschiedene andere immobilisierte Enzyme werden in der Analyse, Produktion und Entwicklung von Pharmazeutika eingesetzt [Industrial Enzymology, Nature Press, New York, 1983]



Abb. 1. Immobilisierte Enzyme. Kovalente Bindung von Enzymen an unsubstituierte Polysaccharide (z. B. Sepharose) mit der Bromcyanmethode.



Abb. 2. Immobilisierte Enzyme. Schema einer künstlichen Zelle mit eingeschlossener Urease und albuminumhüllter Aktivkohle als Adsorbens für Harnsäure, Ammoniak und Kreatinin. 10 ml einer Suspension dieser 20 μm großen Ureasekapseln entsprechen einer Oberfläche von 20.000 cm2 und ist damit größer als diejenige konventioneller künstlicher Nieren.

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