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Lexikon der Biochemie: Interferone

Interferone, IFN, zu den Cytokinen gehörende Proteine, die die Vermehrung von Viren in Zellen hemmen. Sie werden auf äußere Reize, wie Antigene, Mitogene, Viren und einige chemische Verbindungen, von verschiedenen kernhaltigen Zellen, insbesondere Lymphocyten (IFN-γ), Fibroblasten (IFN-β) und Monocyten/Makrophagen (IFN-α) synthetisiert und bewirken virale Interferenz. Unter Virusinterferenz versteht man das schon seit 1935 bekannte Phänomen, dass bei bereits virusinfizierten Patienten eine gleichzeitige oder schnell folgende zweite Virusinfektion nicht mehr oder nur partiell wirksam wird. Neben der antiviralen Aktivität inhibieren I. die Zellvermehrung und führen zur Rückbildung von Tumoren. Außerdem können sie Immunreaktionen initiieren, hemmen oder verstärken. Die antitumoralen Eigenschaften der I. basieren auf verschiedenen Mechanismen, die aber noch nicht vollständig geklärt sind. Einerseits wirken I. antiproliferativ und hemmen dadurch die Vermehrung von Turmorzellen, auf der anderen Seite aktivieren sie bestimmte Immunzellen, wie Makrophagen und natürliche Killerzellen und steigern die Fähigkeit zur Phagocytose oder deren zellvermittelte Cytotoxizität. Neben diesen bedeutenden Funktionen bei der Abwehr von Tumorzellen, hemmen I. offenbar auch die Expression von Onkogenen, die für die unkontrollierte Vermehrung von Tumorzellen verantwortlich sind. Die Entdeckung der I. geht auf das Jahr 1957 zurück, als Isaacs und Lindenmann den ersten löslichen Faktor isolierten, der virale Interferenz bewirkte, diesen als Protein erkannten und den Namen I. prägten. Neben ihrer primären Funktion als zellulärer Abwehrstoff gegen die Ausbreitung von Virusinfektionen im Gewebe, stehen heute zusätzlich die antiproliferativen Anti-Tumor-Wirkungen und die Anti-Autoimmun-Wirkungen im Vordergrund des pharmazeutischen Interesses und klinischer Studien. Die I. sind in der Regel Glycoproteine mit Mr zwischen 10 und 60 kDa. In der Regel besitzt jede Tierart eigene Formen, davon mehrere mit verschiedenen antigenen Eigenschaften. Recht gut bekannt sind die I. aus Zellsystemen des Menschen und von Mäusen, die abgekürzt als HuIFN bzw. MuIFN bezeichnet werden. Aufgrund molekularbiologischer und immunologischer Erkenntnisse spricht man heute statt von I. des Typ I meist von IFN-α und IFN-β und statt von I. des Typ II von IFN-γ. Interferon-α (IFN-α), wegen der bevorzugten Bildung durch weiße Blutzellen auch Leucocyten-I. genannt, besteht aus einer Familie nahe verwandter Proteine mit einer Sequenzhomologie zwischen 80 und 95%. Alle IFN-α-Gene sind beim Menschen auf dem Chromosom 9 lokalisiert. Man kennt bisher 24 Gene, von denen neun Pseudogene sind, die aus einem gemeinsamen Vorläufer durch Genduplikation entstanden sind. Die 15 Gene codieren die verschiedenen Subtypen (16-23), die als Proteine, teilweise in glycosylierter Form, freigesetzt werden. Die IFN-α bestehen aus 165-166 Aminosäurebausteinen (Mr 20 kDa). Induktoren für die Synthese sind Viren und einige synthetische Substanzen. Hauptproduzenten sind Monocyten/Makrophagen. Geringe Mengen werden von manchen Zelltypen konstitutiv hergestellt. IFN-α wirkt antiviral und initiiert eine erhöhte MHC-Klasse-I-Expression (MHC-Moleküle).
Interferon-β (IFN-β) wegen der bevorzugten Bildung durch Fibroblasten, früher auch Fibroblasten-I. genannt, ist ein Glycoprotein (166 Aminosäurereste; Mr 20 kDa). Die Sequenzhomologie zum IFN-α beträgt 50 %. Das IFN-β-Gen ist ebenfalls auf Chromosom neun lokalisiert. Beide Typ I-I.-Gene besitzen keine Introns. Neben den Fibroblasten produzieren beim Menschen auch Monocyten/Makrophagen IFN-β, jedoch in viel geringeren Mengen als IFN-α. Es wirkt ähnlich wie IFN-α über den Rezeptor CD 118.
Interferon-γ (IFN-γ), auch als Immun-I. bezeichnet, ehemals Typ II-I., unterscheidet sich biochemisch deutlich von den Typ I-I. Es ist ein Glycoprotein mit 143 Aminosäurebausteinen (Mr 22kDa), das in vivo als Dimer vorliegt. Das Gen befindet sich auf Chromosom 12 und besitzt im Unterschied zu den Genen der Typ I-I. drei Introns. Es besteht keine Sequenzhomologie zu Typ I-I. Nach Antigenkontakt produzieren hauptsächlich T-Helferzellen und natürliche Killerzellen IFN-γ in größeren Mengen. IFN-γ wird auch zu den Lymphokinen gerechnet. Es ist abgesehen von einer schwachen antiviralen Aktivität ein Modulator des Immunsystems und bewirkt u. a. die Aktivierung von Makrophagen und die Synthese von Histokompatibilitäts-Antigenen der Klasse II. Es spielt weiterhin eine wichtige Rolle bei der Produktion und Funktion von Antikörpern.
I. werden technisch aus Gewebekulturen oder mittels gentechnischer Verfahren hergestellt. Als Arzneimittel kann am Menschen nur HuIFN angewandt werden, das in ausreichender Menge produziert werden kann. Die Applikation erfolgt parenteral. Die Wirkungsmechanismen der I. sind heute erst in groben Umrissen erkennbar. Die I. induzieren in anderen Zellen eine Kaskade von Prozessen, die unspezifisch mit der weiteren Virusvermehrung interferieren. Beispielsweise unterbinden sie die Bildung von Virushüllproteinen. Neben den antiviralen Effekten liegt ihre Bedeutung in der erhöhten HLA-1-Expression (MHC-Moleküle) und in der Aktivierung cytotoxischer Lymphocyten bei der HBV-Elimination. Leider sind die hochgesteckten Erwartungen bezüglich des therapeutischen Nutzens wegen unerwarteter Nebenwirkungen etwas gedrosselt worden. IFN-α wurde gegen einige Leukämieformen eingesetzt. [H. Kirchner et al. Cytokine und Interferone: Botenstoffe des Immunsystems, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1994]

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