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Lexikon der Biochemie: Monosaccharide

Monosaccharide, einfache Kohlenhydrate, die sich nicht mehr hydrolytisch in einfachere Kohlenhydratarten spalten lassen. Sie stellen die primären Oxidationsprodukte mehrwertiger aliphatischer Alkohole mit meist unverzweigter Kohlenstoffkette dar. Erfolgt die Oxidation in der terminalen primären Alkoholgruppe, so entstehen die als Aldosen bezeichneten Polyhydroxyaldehyde (Abb. 1). Bei Oxidation einer sekundären Alkoholgruppe, meist am C-Atom 2, entstehen als Ketosen bezeichnete Polyhydroxyketone.

Struktur. Fast alle natürlich vorkommenden M. haben eine unverzweigte Kohlenstoffkette; Ausnahmen sind Hamamelose, Apiose, Streptose u.a. Die Konfigurationsangabe erfolgt durch die Präfixe D und L (Abb. 2), wobei diese Bezeichnungen nichts mit dem optischen Drehvermögen zu tun haben. Dieses wird nach Wohl und Freudenberg durch (+) und (-) ausgedrückt, z.B. (+)-D-Glucose. Nach Rosanow-Wohl-Freudenberg leitet sich ein D-Zucker von der ursprüngIich willkürlich gewählten Bezugssubstanz D-Glycerinaldehyd ab, wobei in der Fischerschen Projektionsformel das am weitesten von der Carbonylgruppe entfernte asymmetrische Kohlenstoffatom die Hydroxylgruppe rechts trägt; bei einem L-Zucker befindet sich die entsprechende Hydroxylgruppe links. Im Allgemeinen trägt jedes Kohlenstoffatom der Kohlenhydrate eine Hydroxylgruppe bzw. eine von ihr abgeleitete Funktion. Bei Ersatz einer Hydroxylgruppe durch Wasserstoff oder eine Aminogruppe entstehen die Desoxyzucker bzw. die Aminozucker. Kohlenhydrate sind durch eine Vielzahl von Asymmetriezentren ausgezeichnet. Die Anzahl der stereoisomeren Formen eines M. ist durch die Formel 2n gegeben, wobei n die Anzahl der asymmetrischen Kohlenstoffatome bedeutet.

In den Projektionsformeln nach Fischer (Abb. 3a) werden die Kohlenhydrate senkrecht und kettenförmig geschrieben, wobei die Aldehydgruppe am Kopfende und die Hydroxymethylgruppe am Fußende der Kette steht. Diese Darstellung ist zwar übersichtlich, jedoch wird der räumliche Bau der Moleküle nicht wiedergegeben. Außerdem entsprechen dieser offenkettigen Formel nicht alle Eigenschaften der M.; so lagern sich z.B. Natriumhydrogensulfit oder Ammoniak nicht an die Aldehydgruppe einer Aldose an.

Nach Tollens liegt dieses Verhalten darin begründet, dass die M. nicht oder nur zum geringen Teil in offenkettiger Form vorliegen. Stattdessen bildet die Carbonylgruppe eine Halbacetalbindung mit einer der Hydroxylgruppen, so dass ein sauerstoffhaltiger Ring entsteht. Je nach Ringgröße unterscheidet man die fünfgliedrigen Furanosen (Halbacetalbindung vom C1 zum C4) und die sechsgliedrigen Pyranosen (Halbacetalbindung vom C1 zum C5). Die meisten M. liegen als Pyranosen vor. Die furanoide Form tritt in manchen Oligosacchariden, z.B. in der Saccharose, und in einigen Polysacchariden, z.B. in Arabanen, auf. Die formelmäßige Darstellung dieser zyklischen Halbacetalform erfolgt nach der älteren Schreibweise nach Tollens (Abb. 3b), besser und übersichtlicher aber nach Haworth (Abb. 3c). Unter Weglassung der Ringkohlenstoffatome wird der Ring perspektivisch dargestellt, indem die stark gezeichneten Bindungsstriche der Ringatome im Vordergrund der Papierebene zu denken sind. Die jeweiligen Substituenten stehen senkrecht zur Ringebene. Der Furanosering ist nahezu eben gebaut, der Pyranosering gewinkelt, da im Pyranring der C-O-C-Winkel mit 111° etwa gleich groß ist wie der Tetraederwinkel mit 109° 28'.

Es liegen somit räumlich ähnliche Verhältnisse wie beim Cyclohexan vor. Die durch den Heterosauerstoff bedingte Asymmetrie ermöglicht zwei Sessel- und sechs Wannenformen. Die Pyranosen liegen jedoch meist in der energetisch günstigsten Sesselform vor, z.B. D-Glucose, D-Galactose und D-Mannose.

Von den 10 Substituenten an den 5 Ringatomen sind 5 axial und 5 äquatorial angeordnet. In der β-D-Glucose sind z.B. alle Hydroxylgruppen und die Hydroxymethylgruppe äquatorial. Die in Abb. 3d gezeigten Konformationsformeln kommen der Wirklichkeit am nächsten, da sie die räumliche Anordnung der Substituenten am besten zum Ausdruck bringen und ein besseres Verständnis für die chemischen und biochemischen Reaktionen und das physikalische Verhalten der Kohlenhydrate ermöglichen.

Durch die Ringbildung entsteht am ursprünglichen Carbonylkohlenstoffatom (bei Aldosen am C-Atom 1, bei Ketosen am C-Atom 2) ein neues Asymmetriezentrum. Dadurch treten zwei zusätzliche Isomere auf, die als α- und β-Form bezeichnet werden. Sie unterscheiden sich im Löslichkeitsverhalten, im Schmelzpunkt, im optischen Drehvermögen u.a. In der D-Reihe wird nach Hudson das Diastereoisomere mit dem höheren positiven Drehwert als α-Form, das stärker nach links drehende als β-Form bezeichnet; in der L-Reihe umgekehrt. In den Konfigurationsformeln nach Tollens wird die am C-Atom 1 haftende Hydroxylgruppe der α-Form in der D-Reihe auf die rechte Seite und die der β-Form auf die linke Seite geschrieben. Bei der Haworthschen Schreibweise steht die betreffende Hydroxylgruppe der α-Form nach unten, die der β-Form nach oben. In der L-Reihe werden die Hydroxylgruppen entgegengesetzt angeordnet. Entsprechendes gilt für die KonformationsformeI. Man erkennt, dass in der α-Form die Hydroxylgruppen an den C-Atomen 1 und 2 cis-, in der β-Form trans-ständig sind.

In Lösungen stehen α- und β-Isomere über die offenkettige Form im Gleichgewicht (Oxo-cyclo-Tautomerie). Auf der Gleichgewichtseinstellung zwischen α- und β-Form beruht die als Mutarotation bezeichnete Erscheinung, dass sich der Drehwert einer frisch bereiteten wässrigen Lösung bis zu einem konstanten Endwert verändert.

Unterscheiden sich zwei Diastereomere nur durch die Konfiguration am C1, so werden sie als Anomere bezeichnet, z.B. α- und β-Glucose. Epimere sind diastereomere M., die sich nur durch die entgegengesetzte konfigurative Anordnung einer Hydroxylgruppe unterscheiden. z.B. D-Glucose und D-Mannose am C2 sowie D-Galactose und D-Glucose am C4.

Reaktionen. Die chemischen Eigenschaften der M. beruhen unter anderem auf dem Vorhandensein reaktionsfähiger Keto- bzw. Aldehydgruppen und den alkoholischen Hydroxylgruppen. Aldosen und Ketosen ergeben mit einem Überschuss Phenylhydrazin bzw. Hydroxylamin die zur Charakterisierung gut geeigneten Osazone bzw. Oxime. Milde Oxidation führt zu den Aldonsäuren, stärkere Oxidationsmittel ergeben die Aldarsäuren. Geeignete Oxidation von Glycosiden, in denen jeweils das empfindliche Carbonyl-C-Atom geschützt ist, ergibt die Uronsäuren. Bei Reduktion entstehen unter Aufnahme von zwei Molekülen Wasserstoff die Zuckeralkohole (Abb. 4). Die bei der Halbacetalbildung entstehende glycosidische Hydroxylgruppe ist besonders reaktionsfähig und reagiert mit OH-, NH- oder SH-haltigen Verbindungen zu Glycosiden. Die alkoholischen Hydroxylgruppen lassen sich verethern und verestern. Bei intramolekularer Wasserabspaltung werden Zuckeranhydride gebildet.

Nachweis und Bestimmung. Isolierung und ldentifizierung der M. erfolgen vor allem mit geeigneten chromatographischen Verfahren, wie Papier-, Dünnschicht-, Säulen- und Gaschromatographie, sowie Elektrophorese. In den meisten modernen Verfahren wird die Gaschromatographie oder die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie in Kombination mit der Massenspektroskopie eingesetzt. Viele ältere Nachweisreaktionen beruhen auf Farbreaktionen mit Phenolen, wie α-Naphthol (violett) oder Resorcin (grün). Beim Erhitzen mit Salzsäure entsteht aus Pentosen unter Wasserabspaltung Furfural, während Hexosen 5-Hydroxymethylfurfural liefern. Letzteres zerfällt unter Wasseraufnahme in Lävulinsäure und Ameisensäure. Furfural und Lävulinsäure lassen sich leicht mit Phenolen zu Farbstoffen kondensieren und somit nachweisen bzw. zur quantitativen Bestimmung verwenden. Ein wichtiger biochemischer Test ist die Vergärbarkeit insbesondere durch Hefen. Da Pentosen im Allgemeinen nicht vergoren werden, ist eine Unterscheidung von den Hexosen möglich. Die Reduktion von Metallsalzlösungen stellte lange Zeit eine Labormethode zum Nachweis reduzierender Zucker dar.

Vorkommen. M. kommen in der Natur in freier Form vor, insbesondere D-Glucose und D-Fructose, und gebunden als Grundbausteine zahlreicher Oligo- und Polysaccharide. Es sind heute über 100 verschiedene natürlich vorkommende M. bekannt. Einige von ihnen spielen eine entscheidende Rolle bei zahlreichen Stoffwechselprozessen und treten, meist in Form ihrer Phosphorsäureester, als wichtige Intermediärprodukte auf.(Kohlenhydratstoffwechsel, Glycolyse).



Monosaccharide. Abb. 1. Schematische Darstellung der D-Aldosen.



Monosaccharide. Abb. 2. Die Fischerprojektion von D- und L-Kohlenhydraten.



Monosaccharide. Abb. 3. Formelschreibweisen der Kohlenhydrate nach Fischer (a), Tollens (b) und Haworth (c); bei (d) wird die Konformation durch die Sesselform dargestellt.



Monosaccharide. Abb. 4. Die verschiedenartigen, durch Oxidation bzw. Reduktion aus Aldosen hervorgehenden Kohlenhydrate.

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