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Lexikon der Biochemie: protein engineering

protein engineering, die Veränderung eines Proteins durch genetische oder chemische Mittel bzw. die direkte chemische Synthese eines Proteins mit neuen Eigenschaften. P. e. wird aus folgenden Gründen durchgeführt: erstens um die Wirkungen von Veränderungen auf die Proteinfunktion zu untersuchen, wobei die Rolle bestimmt wird, die unterschiedliche Aminosäurereste und -sequenzen für die katalytische Aktivität, die Bindungseigenschaften und die dreidimensionale Proteinstruktur spielen, und zweitens um neue Proteine mit veränderten oder optimierten Eigenschaften zu gewinnen.

Ein alternatives Ziel des p. e. ist es, Proteine für spezifische Rollen in Technik und Medizin zuzuschneiden. Hierzu gehört die Herstellung von Enzymen mit: 1) erhöhter Stabilität gegenüber Hitze, extremen pH-Werten, oxidierenden Atmosphären und organischen Lösungsmitteln (im Waschpulver wird eine bakterielle Protease verwendet, die durch p. e. gewonnen wurde und stabil bei alkalischem pH und bis 70 °C sowie widerstandsfähig gegen Denaturierung durch Detergens und gegen Oxidation durch Chlor in Bleichmitteln ist); 2) verbesserter oder neuer Substratspezifität; 3) veränderten Eigenschaften, die die Rückgewinnung bei Folgeverfahren erleichtert. Da Konformation und Eigenschaften der Proteine durch ihre Primärsequenz bestimmt werden, besteht das p. e. im wesentlichen in der geplanten Veränderung von Aminosäuresequenzen existierender Proteine. Alternativ können kleine Proteine chemisch synthetisiert werden (Peptidsynthese). Die chemische Synthese ermöglicht eine weitere Regulierung der Sekundärstruktur des Proteins, da unnatürliche Aminosäuren eingeführt werden können, wie z.B. 2,2-Dimethylglycin, dessen Konformation eingeschränkt ist und deshalb eine stabile Sekundärstruktur ermöglicht. Es kann auch eine chemische Modifizierung nativer Enzyme durchgeführt werden, mit dem Ziel, die normalen Eigenschaften zu erhalten (z.B. Enzymaktivität), während eine größere Stabilität erreicht wird. So wurde dem Gewebsplasminogenaktivator, der für die Behandlung von Thrombose eingesetzt wird, Resistenz gegen proteolytischen Abbau im Körper verliehen, indem die Oberflächenlysinreste durch Reaktion mit einem Säureanhydrid modifiziert wurden.

Eine allgemein angewandte Methode besteht darin, Gene zu synthetisieren (rekombinante DNA-Technik, DNA-Synthese), die für eine gesuchte Polypeptidsequenz codieren. Es ist möglich, synthetische Gene aus bis zu 100 Nucleotiden chemisch zu synthetisieren. Hybridgene können chemisch synthetisiert werden, indem Segmente von natürlichen Genen chemisch synthetisierten DNA-Sequenzen hinzugefügt werden. Alternativ können neue Primärsequenzen gebildet werden, indem synthetische DNA-Sequenzen dazu verwendet werden, natürliche Gene zu erweitern oder Segmente natürlicher Gene zu ersetzen. Die entstandene synthetische oder Hybrid-DNA wird dann in ein Plasmid inseriert, um das geplante Protein zu synthetisieren (rekombinante DNA-Technik).

Gentechnisch hergestellte Enzyme werden bei der Trennung von Stereoisomeren eingesetzt, insbesondere in der pharmazeutischen Industrie zur Gewinnung reiner Isomere von synthetisch hergestellten Wirkstoffen. Beispielsweise wurde die Lactat-Dehydrogenase aus Bacillus stearothermophilus gentechnisch so verändert, dass sie Substrate mit langen verzweigten Seitenketten akzeptiert, ohne ihre Stereospezifität zu verlieren (das natürliche Enzym reduziert Pyruvat zu L-Lactat).

Klinische Anwendungen des p. e. schließen auch die Herstellung gentechnisch veränderter Antikörper ein. DNA, die für die spezifische Antigenbindungsstelle eines monoklonalen Antikörpers von Mäusen codiert, wird in die DNA aus einem menschlichen Antikörpergen inseriert, welche dann in kultivierten Zellen unter Bildung von Maus-Human-Hybridantikörpern exprimiert werden. Dies hat den Vorteil, dass das Human-Immunsystem den Antikörper nicht als fremd erkennt und deshalb nicht neutralisiert, weil der größte Teil der Aminosäuresequenzen auf der Oberfläche dem Human-Antikörper angehören. Es ist auch möglich, synthetische Antikörpergene in Bakterien zu exprimieren, und es wird erwartet, dass alle gentechnischen Veränderungen von spezifischen Antikörpern unabhängig von der Immunisierung von Tieren durchgeführt werden können. In diesem Zusammenhang ist auch die Leistungsfähigkeit der Antikörperproduktion durch p. e. wichtig, weil Antikörper auch in Biosensoren und diagnostischen Verfahren eingesetzt werden sowie als Biokatalysatoren (katalytische Antikörper) Anwendung finden.

[D.A. Oxender u. C.F. Fox (Hrsg.) Protein Engineering. Tutorials in Molecular and Cell Biology, Alan R. Liss, Inc., New York, 1987; H.M. Wilks et al. Biochemistry 29 (1990) 8.587-8.691; G. Winter u. C. Milstein Nature 349 (1991) 293; D.M.F. van Aalten et al. Protein Engineering 8 (1995) 1.129-1.135; J.L. Cleland u. C.S. Craik (Hrsg.) Protein Engineering, Principles and Practice, Wiley-Liss (A. John-Wiley u. Sons, Inc., Publication) New York, Chichester, Brisbane, Toronto, Singapore, 1996 (ISBN 0-471-10354-3)]

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