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Lexikon der Biochemie: Ultrazentrifugation

Ultrazentrifugation, die Sedimentation höhermolekularer Teilchen unter der Wirkung der Zentrifugalbeschleunigung einer Ultrazentrifuge. Die Sedimentationsgeschwindigkeit sphärischer Partikel in einer viskosen Flüssigkeit wird durch die Svedberg-Gleichung beschrieben:



,

wobei v die Sedimentationsgeschwindigkeit, g die relative Zentrifugalbeschleunigung, d der Durchmesser des Teilchens, ρP und ρM die Dichte des Teilchens und des Mediums und η die Viskosität des Mediums bezeichnen. Aus der Svedberg-Gleichung können folgende Schlüsse gezogen werden: 1) Die Sedimentationsgeschwindigkeit eines Teilchens ist um so höher, je größer die Masse ist; 2) ein dichteres Teilchen bewegt sich schneller als ein weniger dichtes; 3) Die Form des Teilchens spielt eine Rolle, weil sie den Reibungswiderstand beeinflusst und 4) die Sedimentationsgeschwindigkeit hängt von der Dichte des Mediums ab. Die Maßeinheit für die Sedimentationsgeschwindigkeit je Zeiteinheit ist die Svedberg-Einheit S (Sedimentationskoeffizient). Für Proteine beispielsweise liegen die Werte von S bei 1-25, für Ribosomen bei 70-80, für Mitochondrien bei 104, für Zellkerne bei 106-107 und für Zellen bei 107-108. Beim Vorliegen eines Proteingemisches kommt es zur groben Auftrennung in die wichtigsten Komponenten. Serum wird z.B. in die Fraktionen der am schnellsten wandernden Makroglobuline (Mr ~106Da), der Globuline (Mr etwa 160 kDa) und des Albumins bzw. Prä-Albumins (Mr 67,5kDa bzw. 61kDa) aufgetrennt (Abb.). Man beachte, dass zu Beginn der Ultrazentrifugation die Ultrazentrifugenzelle eine homogene Proteinlösung enthält. Die in der Abb. gezeigten Peaks sind keine Konzentrationspeaks. Sie stellen Proteinkonzentrationsbanden dar, die sich bilden, wenn die Proteine in Richtung des Bodens der Ultrazentrifugenzelle mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten konzentriert werden.

Es stehen unterschiedliche Zentrifugationsmethoden zur Verfügung. Bei der differenziellen Zentrifugation werden stufenweise steigende Umdrehungszahlen und dementsprechend stufenweise steigende Zentrifugationskräfte (ausgedrückt in g-Werten; 1g = Erd- oder Fallbeschleunigung = 9,81m/s2) angewendet. Die differenzielle Zentrifugation nutzt also die unterschiedlichen Sedimentationsgeschwindigkeiten verschiedener Teilchen und ist eine wichtige Methode zur analytischen und präparativen Trennung von Zellen, Zellbestandteilen und Makromolekülen. So werden z.B. Zellextrakte durch wiederholte Zentrifugationen bei jeweils höheren Geschwindigkeiten in ihre Komponenten fraktioniert. Im ersten Zentrifugationsschritt bei 1.000 g sedimentieren ganze Zellen, Zellkerne und Cytoskelett, bei 20.000 g im zweiten Schritt Mitochondrien, Lysosomen und Peroxisomen, bei 80.000 g im dritten Schritt Mikrosomen und kleine Vesikel und bei 150.000 g im vierten Schritt Ribosomen, Viren und große Makromoleküle.

Bei der Zonenzentrifugation wird ein vorgeformter Dichtegradient (Dichtegradientenzentrifugation) benutzt. Die Probe wird über den Gradienten geschichtet und die Teilchen aufgrund unterschiedlicher Sedimentationsgeschwindigkeiten getrennt. In einem CsCl-Gradienten ist z.B. die Trennung von DNA-Molekülen (Desoxyribonucleinsäure) möglich, die bei identischer Molekülmasse unterschiedliche Dichten besitzen. Durch Zugabe von Ethidiumbromid ist auch die Trennung unterschiedlicher DNA-Formen möglich. Ethidiumbromid interkaliert z.B. stärker in lineare Plasmid-DNA als in zirkuläre, woraus eine unterschiedliche Dichte der verschiedenen DNA-Formen resultiert, die im Dichtegradienten getrennt werden können. Die Schwebedichte von RNA ist größer als die maximale Dichte eines CsCl-Gradienten, weshalb RNA unter diesen Bedingungen pelletiert. Deshalb werden zur Separation von RNA Cs2SO4-Gradienten verwendet. In einem Saccharosegradienten können z.B. Polysomen nach Größe aufgetrennt werden und somit die mRNA-Verteilung in den Polysomenfraktionen analysiert werden.

Mit Hilfe der Sedimentations-Gleichgewichtszentrifugation (isopyknische Zentrifugation) werden die Teilchen in einem Dichtegradienten bis zur Gleichgewichtseinstellung nach ihrer unterschiedlichen Schwebedichte, unabhängig von ihrer Größe und Form, getrennt. Diese Methode wird beispielsweise zur Bestimmung der relativen Molekülmasse Mr von Makromolekülen verwendet. Die Sedimentationsgeschwindigkeit ist der Mr direkt proportional, d.h., die Makromoleküle wandern entsprechend ihrer Größe je Zeiteinheit unterschiedlich schnell zum Boden der Zentrifugenzelle. Hierbei bilden sich Konzentrationsänderungen aus, die während der Zentrifugation mit optischen Methoden, z.B. der Schlieren-, der Raleigh-Interferenzoptik und der UV-Absorptionsoptik, verfolgt werden können. Das Schlierenoptiksystem, das zylindrische Linsen einsetzt, zeigt die Geschwindigkeit der Konzentrationsänderung für jede Bande. Die Mr errechnet man nach der Svedberg-Gleichung Mr = RTs/D(1 – Vρ). Hierbei ist R die Gaskonstante, T die absolute Temperatur, D die Diffusionskonstante und V das partielle spezifische Volumen des Makromoleküls (der reziproke Wert der Dichte des Moleküls; er liegt z.B. für die meisten Proteine zwischen 0,71 und 0,74). D wird in einem zweiten Zentrifugenlauf bei niedriger Tourenzahl gesondert ermittelt, indem die durch Diffusion verursachte Peakverbreiterung ausgemessen wird. Bei Gleichgewichtsläufen wird die Proteinlösung nur einer etwa 5.000-10.000-fachen Erdbeschleunigung (g) ausgesetzt. Dabei kommt es zu einer Überlagerung der Sedimentation und Rückdiffusion, die nach längerer Zeit (Stunden bis Tage) zu einem stationären Zustand (Teilchenfluss gleich Null) führt. Aus dem Konzentrationsgradienten, der dabei vom Meniskus zum Zellboden ausgebildet wird, lässt sich die Mr ohne Kenntnis des Diffusionskoeffizienten berechnen. Zur Verkürzung der bei niedrigen Rotorgeschwindigkeiten langen Zentrifugenzeiten (low-speed-Methode) wird nach dem Verfahren des angenäherten Gleichgewichts von Archibald (1947) der sich vor Ablösung der Proteinzone vom Meniskus der Zentrifugenzelle her ausbildende Konzentrationsgradient zur Mr-Bestimmung herangezogen. Eine weitere Verkürzung der Zentrifugendauer auf 2-4 Stunden ermöglicht das von Yphantis (1964) entwickelte zero-meniscus-concentration-Verfahren unter high speed-Bedingungen in Messzellen geringer Füllhöhe (3mm = 0,1ml einer 0,5%igen Proteinlösung). Das Sedimentationsgleichgewicht kann danach bei hohen Rotorgeschwindigkeiten (bis 40.000 U/min) bestimmt werden, wenn die Proteinzone sich bereits vom Meniskus abgelöst hat. Für Proteingemische sind die Sedimentationsgleichgewichtsmethoden wegen der sich überlagernden Konzentrationsgradienten nicht gut geeignet. Das Yphantis-Verfahren hat sich besonders bei der Untersuchung der Dissoziations- und Assoziationsvorgänge oligomerer Proteine bewährt.

[F. Lottspeich u. H. Zorbas (Hrsg.), Bioanalytik, Spektrum Akademischer Verlag 1998]



Ultrazentrifugation. Sedimentationsmuster von normalem Menschenserum in der Ultrazentrifuge. Wiedergabe der Konzentrationsverteilung der Proteine mittels der Schlierenoptikmethode. Aufnahme links nach 51min, rechts nach 135min. Zentrifugation bei 59.800 U/min. A = Albumin, 4,5S; G = Globulin, 7S; M = Makroglobulin, 19S.

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