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Lexikon der Biochemie: Wasserstoffmetabolismus

Wasserstoffmetabolismus, 1) biochemische Redoxreaktionen des Stoffwechsels, an denen die Pyridinnucleotide und Flavincoenzyme teilnehmen, 2) der Umsatz und die Verwendung von Wasserstoff, einschließlich der Wasserstoffaktivierung, der Transhydrogenierung und der Bildung von molekularem Wasserstoff.

Bei den Vorgängen der alkoholischen Gärung und der Atmung werden Substrate durch Wasserstoffentzug (Dehydrierung) oxidiert, wobei Dehydrogenasen (Pyridinnucleotidenzyme, NAD+ und NADP+ als Coenzyme) und Oxidasen (FAD, seltener FMN als redoxaktive Komponente von Flavinenzymen) beteiligt sind. Der den Substraten entzogene Wasserstoff (H = H+ + e-) wird auf die aktive Gruppe einer Dehydrogenase oder Oxidase übertragen. Die Wasserstoffübertragung auf NAD+ und NADP+ ist ein Hydridtransfer, d.h., vom Substratwasserstoff 2[H] wird ein Proton H+ zusammen mit einem Elektronenpaar 2e- übertragen. Im anaeroben Kohlenhydratabbau wird das reduzierte Pyridinnucleotidcoenzym (NADH) über die Glycolyse durch die Reduktion eines Folgeprodukts (Metabolit) zurückoxidiert, so dass eine innere Oxidoreduktion abläuft, bei der Sauerstoff keine Rolle spielt. Bei der vollständigen Glucoseoxidation über Glycolyse, Tricarbonsäure-Zyklus und Atmungskette wird der an NADH gebundene Wasserstoff über die Atmungskette unter Aufnahme von molekularem Sauerstoff oxidiert.

NAD und NADP haben unterschiedliche Stoffwechselfunktionen. NADH wird in stärkerem Maße über die Atmungskette oxidiert, so dass NAD den Substratwasserstoff transportiert, der in atmenden Zellen zu Wasser unter ATP-Gewinn oxidiert wird (oxidative Phosphorylierung). Da NAD+ in den meisten Fällen als Akzeptor für Wasserstoff dient, der im Verlauf von katabolischen Reaktionen gebildet wird, wird das Verhältnis [NADH]/([NADH] + [NAD+]) als katabolische Reduktionskraft (engl. catabolic reduction charge, CRC) bezeichnet. Dagegen transferiert NADPH keinen Wasserstoff auf die Atmungskette, sondern fungiert vielmehr als Reduktionsmittel bei reduktiven Biosyntheseschritten. Deshalb stellt das Verhältnis [NADPH]/([NADPH] + [NADP+]) die anabolische Reduktionskraft (engl. anabolic reduction charge, ARC) dar. CRC und ARC sind wichtige Größen für die Regulation des Zellstoffwechsels. [K.B. Anderson u. K. von Meyenburg J. Biol. Chem. 252 (1977) 4.151]

Im Cytoplasma ist der Wert für die CRC normalerweise kleiner als eins, d.h. es ist mehr NAD+ als NADH vorhanden. In den Mitochondrien muss dagegen die reduzierte Form überwiegen, trotz der Tatsache, dass dies der Ort ist, an dem NADH zu NAD+ oxidiert wird. Dies bedeutet, dass NADH, das im Cytoplasma entsteht, durch die Mitochondrien oxidiert wird. Dies kann aber nicht direkt geschehen, da die innere Mitochondrienmembran für NAD+ und NADH in beiden Richtungen impermeabel ist. Aus diesem Grund werden zwischen dem Cytoplasma und den Mitochondrien mit Hilfe folgender Shuttle-Systeme Reduktionsäquivalente übertragen:

1) β-Hydroxybutyrat/Acetoacetat-Shuttle. Cytoplasmatisches Acetoacetat wird mit Hilfe einer NADH-abhängigen Reduktase (EC 1.1.1.30) zu β-Hydroxybutyrat reduziert. Dieses permeiert in die Mitochondrien, wo es durch eine NAD-abhängige Dehydrogenase zu Acetoacetat oxidiert wird. Das dabei gebildete NADH wird in der Atmungskette oxidiert, das Acetoacetat verlässt das Mitochondrium und wird im Cytoplasma durch NADH reduziert. Die Existenz dieses Systems ist nicht gesichert. Es kann sicherlich nicht in Mitochondrien vorliegen, denen die β-Hydroxybutyrat-Dehydrogenase fehlt, wie z.B. den Lebermitochondrien der Wiederkäuer. Die Mitochondrien in roten Vertebratenmuskeln enthalten dagegen hohe β-Hydroxybutyrat-Dehydrogenase-Konzentrationen, so dass das Shuttle in diesem Gewebe vermutlich funktioniert.

2) Dihydroxyacetonphosphat/α-Glycerinphosphat-Shuttle. Dihydroxyacetonphosphat wird im Cytoplasma mit Hilfe der Glycerin-3-phosphat-Dehydrogenase (EC 1.1.1.8) und NADH reduziert. Das gebildete α-Glycerinphosphat wird in den Mitochondrien durch eine Glycerin-3-phosphat-Dehydrogenase (ein FAD-Flavoprotein, EC 1.1.99.5) oxidiert und das Dihydroxyacetonphosphat kehrt zum Cytoplasma zurück. Glycerinphosphat-Shuttle.

3) Malat/Oxalacetat-Shuttle. Durch die Wirkung einer cytoplasmatischen Malat-Dehydrogenase (EC 1.1.1.37) wird Oxalacetat auf Kosten von NADH reduziert. Malat dringt in die Mitochondrien ein, wo es mit Hilfe der mitochondrialen Malat-Dehydrogenase oxidiert wird. Das gebildete Oxalacetat verlässt die Mitochondrien nicht, sondern wird mit Hilfe von Glutamat zu Aspartat transaminiert (Transaminasen). Aspartat tritt durch die Mitochondrienmembran und wird im Cytoplasma zu Oxalacetat transaminiert. Malat-Aspartat-Shuttle.

Vermutlich werden die Leberzellen mit mehreren Shuttle-Systemen versorgt.

Die ARC ist im Cytoplasma im Gegensatz zur CRC niedrig. Die im Vergleich zur NADP+- hohe NADPH-Konzentration treibt Biosynthesen durch die Massenwirkung an. Beispiele sind die Reduktion von Glycerat-3-phosphgi zu Glycerinaldehyd-3-phosphat bei der Kohlendioxidassimilation in der Photosynthese (Calvin-Zyklus), die reduktive Synthese von L-Glutamat durch die Glutamat-Synthase (Ammoniakassimilation) und die Fettsäurebiosynthese.

Bei heterotrophen Organismen wird NADPH in der oxidativen Phase des Pentosephosphat-Zyklus und in Photosyntheseorganismen (mit Ausnahme der Photosynthesebakterien) in den Lichtreaktionen der Photosynthese gebildet. Eine weitere wichtige Quelle ist die cytoplasmatische oxidative Decarboxylierung von Malat durch die NADP+-abhängige Malat-Dehydrogenase (EC 1.1.1.40). Pyruvat tritt in die Mitochondrien ein und unterliegt der ATP-abhängigen Carboxylierung zu Oxalacetat, das durch die NADH-abhängige Malat-Dehydrogenase (EC 1.1.1.37) hydriert wird. Das gebildete Malat verlässt das Mitochondrium und wird im Cytoplasma durch die NADP+-abhängige Malat-Dehydrogenase (EC 1.1.1.40) zu Pyruvat decarboxyliert. Mit Hilfe dieses Zyklus werden Reduktionsäquivalente von den Mitochondrien in das Cytoplasma exportiert.

Im Gegensatz zu NADH, wird NADPH in der Regel nicht direkt über die Atmungskette oxidiert. NADH und NADPH können jedoch über Enzyme, die beide als Cofaktoren akzeptieren, miteinander im Gleichgewicht stehen. Solche Enzyme sind z.B. Glycerin-Dehydrogenase (Schweine- und Rattenleber, E. coli), Glutamat-Dehydrogenase (Muskel, Leber, Hefe) und 3β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (Leber). Leber- und Herzmitochondrien führen eine Transhydrogenierung durch, in der Wasserstoff von NADH auf NADP+ übertragen wird. Der Vorgang ist ATP-abhängig und wird von einem Enzym in der inneren Mitochondrienmembran katalysiert. Das Gleichgewicht dieser Reaktion liegt ganz auf der Seite von NADPH und stellt vermutlich die für die intramitochondrialen reduktiven Biosynthesen notwendigen Reduktionsäquivalente zur Verfügung. Sowohl der Donor (NADH) als auch der Akzeptor (NADP+) treten mit der Transhydrogenase auf der M-Seite der Mitochondrienmembran in Wechselwirkung. Während der Transhydrogenierung findet kein Wasserstoffaustauch mit Protonen des Wassers statt. Das Wasserstoffatom wird von der A-Seite des NADH auf die B-Seite des NADP+ übertragen, was darauf hinweist, dass die Ebenen der Nicotinamidringe der beiden Cofaktoren auf der Enzymoberfläche eng beieinander liegen. Es gibt auch cytoplasmatische Transhydrogenasen, die die Transhydrogenierung mit einer Gleichgewichtskonstanten von ungefähr eins katalysieren.

Molekularer Wasserstoff spielt im Stoffwechsel der meisten Organismen keine Rolle. Jedoch wurden bei einigen Bakterien, Pflanzen und Tieren Hydrogenasen gefunden.

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