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Kompaktlexikon der Biologie: Fließgewässer

Fließgewässer, Gewässer mit unterschiedlich starker Strömung. Abweichend von allen anderen Lebensräumen zeichnen sich F. durch eine extrem lang gestreckte Form aus. Sie können mehrere tausend Kilometer Länge erreichen. Im Verlauf des Flusses verändern sich die abiotischen Gegebenheiten wie Strömung, Wasserfracht, Breite des Gewässers, Bodenbeschaffenheit, Temperatur und Nährstoffgehalt kontinuierlich und beeinflussen den Organismenbestand. Von der Quelle bis zur Mündung unterscheidet man die Hauptregionen Krenal, Rhithral und Potamal.

Das Krenal oder die Quellregion umfasst den eigentlichen Quellbereich, der als sprudelnde Sturzquelle, moorige Sickerquelle oder Tümpelquelle ausgebildet ist, und den anschließenden Quellbach. Zur charakteristischen Organismengemeinschaft dieser Region (Krenon) gehören in Mitteleuropa neben seltenen grundwasserbewohnenden Krebsen u.a. Strudelwürmer (Crenobia alpina), Larven des Sumpfkäfers (Helodes spec.), krenophile Köcherfliegenlarven (Crunoecia irrorata) sowie die Larven des Feuersalamanders.

Der als Rhithral (Bergbach, Gebirgsbach) bezeichnete Oberlauf entspricht der Salmonidenregion (aus oberer und unterer Forellenregion und der Äschenregion bestehend). Die meist turbulente Strömung des Bergbachs sowie Fels, grobes Geröll oder Kies (teilweise mit Sand und Schlamm am Gewässergrund durchsetzt) sorgen für einen hohen Sauerstoffgehalt bei Temperaturen, die im Jahresverlauf in relativ engen Grenzen schwanken und selten 20 °C erreichen. Zu den wichtigsten Primärproduzenten des Rhithrals gehören Aufwuchsalgen (Aufwuchs) auf Steinen und anderen Substraten und Moose. Die Tiere des Rhithrals sind meist stenotherm und stark sauerstoffbedürftig; viele Arten besitzen besondere Anpassungen an die starke Strömung. Die Larven der Lidmücken (Blephariceridae, z.B. Liponeura) können sich mit Hilfe von Bauchsaugnäpfen am Substrat festhalten, die Flussmützenschnecke, Ancylus fluviatilis, hat eine saugnapfartige Körpergestalt. Eintagsfliegenlarven der Gatt. Rhithrogena, Ecdyonurus und Epeorus (Ephemeroptera, Heptageniidae) können sich aufgrund ihrer stark abgeplatteten Körperform eng an Steine anschmiegen (Lebensformtyp). Viele Insektenlarven besiedeln die Areale des strömungsarmen Totwassers zwischen Geröll oder in Moospolstern. Ihre Nahrung erwerben die Wasserinsekten je nach Anpassung als Filtrierer, Strudler, Weidegänger oder als Räuber. Zum Fischbestand des Rhithrals gehören Forelle, Groppe, Bachsaibling und Äsche.

Der Unterlauf, das Potamal (Tieflandfluss), entspricht nach der Definition der Fischregionen der Cyprinidenregion und reicht über die Barbenregion und Brachsenregion bis zur Mündung im Meer. Die Wassertemperaturen unterliegen im Jahresverlauf starken Schwankungen und erreichen Werte über 20 °C. Die langsamere Strömung (mit Sand und Schlamm am Gewässergrund), die erhöhte Temperatur und der gestiegene Stoffumsatz bewirken einen zeitweise unter dem Sättigungswert liegenden Sauerstoffgehalt. Der Pflanzenwuchs des Potamals ist artenreicher als im nährstoffarmen Rhithral. Wasserpflanzen bilden ein wichtiges Besiedelungs- und Nahrungssubstrat für wirbellose Tiere. Auch ein Plankton (Potamoplankton) kann sich hier ausbilden. Unter den Tieren dominieren eurytherme Arten. Zu den typischen Fischarten des Potamals gehören in Mitteleuropa Döbel, Barbe, Brachse, Gründling und Groppe.(Wasserkreislauf, Drift, Wasserinsekten)

Literatur: Brehm, J. und Meijering P.P.D.: Fließgewässerkunde. Einführung in die Limnologie der Quellen, Bäche und Flüsse, Heidelberg 1996. – Fey, M.: Biologie am Bach, Heidelberg 1966. –

Schönborn, W.: Fließgewässerbiologie, Jena 1992.

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Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
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Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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