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Kompaktlexikon der Biologie: Fortbewegung

Fortbewegung, Lokomotion, die Fähigkeit tierischer Organismen zur aktiven Ortsveränderung. Sie ist fast allen nicht festsitzenden tierischen Lebewesen eigen (sowie einigen niederen Pflanzen, Pilzen, Einzellern und manchen Keimzellen). Bei der F. wird chemische Energie in mechanische umgesetzt. Entsprechend der Vielfalt der Lebewesen und ihrer Lebensräume sind die Variationen der F. sehr mannigfaltig.

Tiere ohne Extremitäten bewegen sich häufig durch Schlängeln fort. Dabei erzeugt die wechselseitige Kontraktion von Längsmuskeln eine Beugung des Körpers nach einer Seite oder nach oben bzw. nach unten, die wellenförmig von vorne nach hinten läuft. Durch die Beugung wird jeweils eine seitwärts und eine nach hinten gerichtete Kraft erzeugt, wobei sich die seitwärts gerichteten Kräfte gegenseitig aufheben und die nach hinten gerichtete Kraft summiert wird. Typische Beispiele sind Schlangen, Schleichen, Aale sowie die Bewegung der Seitenflossen der Rochen und auch manche im Wasser lebenden Säugetiere wie Otter, Robben, Delphine. Bei der peristaltischen Bewegung des Regenwurms wird die Kraft durch die den Körper mantelartig umgebende Ring- und Längsmuskulatur erzeugt. Die Kontraktion der Ringmuskulatur erzeugt einen Druck auf die Leibeshöhlenflüssigkeit, die nicht komprimiert werden kann; die Folge ist eine Längsstreckung des Tieres entsprechend der nicht kontrahierten Längsmuskulatur, die gleichzeitig gedehnt wird. Umgekehrt bewirkt die Kontraktion der Längsmuskulatur über eine Verkürzung und Verbreiterung des Tieres eine Dehnung der Ringmuskulatur. Von hinten nach vorne verlaufen nun abwechselnd Kontraktionswellen der Ring- und Längsmuskulatur, wobei der Vortrieb durch die Kontraktion der Ringmuskulatur erzeugt wird. Auch der Fortbewegung der Schnecken liegt ein hydraulischer Mechanismus zugrunde. Außerlich sichtbares Merkmal sind von hinten nach vorne verlaufende Fußwellen, die durch aufeinander folgende Kontraktions- und Erschlaffungsphasen der dorsoventralen Fußmuskulatur bewerkstelligt werden. Ihre Kontraktion bewirkt Abheben vom Boden und Dehnung der Sohle. In der folgenden Erschlaffungsphase wird durch den Flüssigkeitsdruck im benachbarten Gewebe die Muskulatur wieder gedehnt, die elastische Sohle senkt sich und bildet, ein kleines Stück nach vorne versetzt, einen neuen Verankerungspunkt mit dem Boden.

Tiere mit einem Hartteilskelett besitzen Hebel (die Extremitäten) als Fortbewegungsorgane. Diese werden durch Hebemuskeln angehoben und nach vorne geführt; dabei werden gegensinnig angreifende Beugemuskeln gedehnt. Durch Aufsetzen der Extremität wird ein fester Verankerungspunkt mit dem Boden geschaffen. Die Aktivität der Beuger zieht den Rumpf des Tieres nach vorne. Große Bedeutung kommt der Stellung der Gliedmaßen und der Gangart zu. Seitlich am Körper ansetzende Extremitäten (z.B. bei Amphibien) erfordern einen Teil der Muskelkraft, um den Körper vom Boden abzustemmen. Das Vorsetzen des gehobenen Beins muss bogenförmig um das ruhende erfolgen. Schneller Lauf ist ausgeschlossen. Bei Säugetieren hingegen setzen die Beine unter dem Rumpf an. Der Körper wird fast ohne Energieaufwand getragen. Gleichzeitig ist ein pendelartiges Ausschwingen der Extremitäten möglich, was auch einen schnellen Lauf gestattet. Mit dem Wechsel der Gangarten ändert sich vor allem die rhythmische und energetische Seite der F. Es gibt zahlreiche Spezialisierungen der F. mit Hilfe von Hebeln (Hüpfen, Springen, Klettern, Graben).

Der Fortbewegung im Substrat, dem Graben z.B. von Muscheln im Meeresboden, liegen ähnlich wie beim Regenwurm Kontraktionswellen der Muskulatur zugrunde, die in der Leibeshöhle einen Druck erzeugen, der nicht kontrahierte Abschnitte fest gegen das Substrat presst. Zugleich erfahren diese eine Verlängerung. Bei Muscheln wirkt die durch Ligamentzug automatisch aufklappende Schale als Befestigungspunkt, während der Fuß durch Flüssigkeitsdruck in das Sediment getrieben wird. Das Bohren in festem Substrat kann entweder durch Auflösen desselben erfolgen (z.B. bei Kalkfels) oder wie z.B. bei Teredo (Schiffsbohrwurm) durch Abraspeln des Holzes. (Bipedie, Gangarten, Gehen, Insektenflug, Schwimmen, Vogelflug)

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Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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