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Kompaktlexikon der Biologie: Leben

Leben, nach der klassischen, auf die Antike zurückgehenden Definition, die Seinsweise der Lebewesen. Es gibt eine Reihe von Eigenschaften, die kennzeichnend für L. sind. Doch nur das gemeinsame Vorhandensein aller dieser Eigenschaften ermöglicht die Abgrenzung lebender von leblosen Systemen. Dabei gelten für das L. die Gesetze von Physik und Chemie, auch wenn es in der Vielfalt seiner Erscheinungen nicht einfach auf sie zurückgeführt werden kann. Ein Lebewesen besitzt folgende Eigenschaften: 1) Lebewesen sind zur Selbstvermehrung in der Lage. 2) Sie sind aus Makromolekülen wie Proteinen, Nucleinsäuren, Kohlenhydraten, Lipiden sowie weiteren organischen Molekülen aufgebaut. Diese Moleküle werden ausschließlich von Lebewesen synthetisiert. 3) Ein lebendes System besitzt einen hohen Ordnungsgrad, wobei sich biologische Ordnung auf eine Hierarchie von Strukturebenen gründet, von denen jede auf der darunter liegenden aufbaut. So sind Atome zu komplexen biologischen Molekülen organisiert, diese ordnen sich zu winzigen funktionellen Strukturen, den Organellen, die ihrerseits Bestandteil der Zelle sind usw. Mit jeder Stufe der Hierarchie biologischer Ordnung treten neue Eigenschaften auf, die auf den einfacheren Organisationsebenen noch nicht vorhanden waren. Diese so genannten emergenten Eigenschaften resultieren aus Wechselwirkungen zwischen den Komponenten (Synergien) und entspringen einer speziellen Hierarchie von Organisationsebenen, die unter den unbelebten Gegenständen kein Gegenstück besitzt. 4) Lebewesen sind offene Systeme, die zur Erhaltung des Lebenszustandes einen mit einem Energiewechsel gekoppelten Stoffwechsel haben. 5) Lebewesen zeigen Wachstum und Entwicklung. Bei Mehrzellern führt die Entwicklung über einen Alterungsprozess schließlich zum Tod. 6) Lebewesen können über Rezeptoren Umweltreize aufnehmen und auf sie reagieren. 7) Lebewesen zeigen die Fähigkeit zur Bewegung (Motilität), die z.B. bereits in der Zelle in Form der Plasmabewegung auftritt. 8) Lebewesen besitzen mit ihrem Genom abrufbare Information in Form der Nucleinsäuren. Diese tragen die Information für ihre eigene Synthese und für die der Proteine, die als Funktionsträger fungieren. Im Genom sind alle Informationen gespeichert, welche die Kontinuität des L. sichern. Diese Information wird an die nächste Generation weitergegeben. Durch Mutation und Rekombination der Informationsträger entsteht eine genetische Variabilität, die für die Vielfalt der Lebewesen verantwortlich ist. 9) L. existiert in Form abgegrenzter Einheiten. Die Zelle ist der Elementarorganismus der Lebewesen. Sie besitzt alle Kennzeichen des Lebendigen. Viren und Viroide erfüllen nicht alle Kriterien des L. Sie enthalten Nucleinsäuren, sind aber für ihre Vermehrung auf echte Zellen angewiesen. Sie haben keine zelluläre Organisation, besitzen keinen eigenen Stoffwechsel und zeigen keine Reaktionen auf Reize. Deshalb werden sie nicht zu den eigentlichen Lebewesen gezählt, sondern als Zellparasiten betrachtet.

Es ist nicht bekannt, wann genau L. entstand (vor etwa 4 bis 3,8 Mrd. Jahren), doch gibt es recht genaue Vorstellungen über die Minimalausstattung der ersten Zelle. Sie muss ein Genom mit mehreren hundert Genen gehabt haben, die für die DNS-Replikation, für Transkription und Translation sowie die Ausstattung der Ribosomen benötigt werden. Außerdem wurden Enzyme für einen einfachen Energiestoffwechsel und für die Synthese von Membranlipiden benötigt. Die kleinsten bekannten heute lebenden Zellen gehören zu den wandlosen Mykoplasmen, die in höheren Organismen extrazellulär parasitisch leben. Bei ihnen kam es aufgrund der parasitischen Lebensweise zu einer Reduktion der nicht benötigten Gene, sodass das Genom der Mykoplasmen Information für etwa 500 Proteine enthält. (Evolution, Hyperzyklus, Zelle)

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Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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