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Kompaktlexikon der Biologie: Temperaturregulation

Temperaturregulation, Thermoregulation, Wärmeregulation, bei lebenden Organismen unterschiedlich gut ausgebildete Fähigkeit, eine ausgeglichene Bilanz zwischen Wärmeaufnahme, -abgabe und -produktion, zu erreichen. Auf der „Einnahmeseite“ stehen dabei von außen herangeführte Wärmestrahlung (Sonnenstrahlung, Energiefluss), deren Absorption durch entsprechend gefärbte Pigmente an der Körperoberfläche gefördert oder abgeschwächt werden kann; ferner die im Zellstoffwechsel produzierte Wärme, die je nach Art der Energie liefernden Prozesse zwischen 40 % und 80 % der gesamten freien Energie (Enthalpie, Entropie) der metabolisierten Stoffe betragen kann. Durch besondere Mechanismen (Entkopplung der Atmungskette) gelingt es sogar, die gesamte Stoffwechselenergie als Wärme freizusetzen, was zu einer raschen Erwärmung des Organismus führt (Winterschlaf). Auf der „Ausgabenseite“ sind Wärmeverluste durch Transpiration oder allg. entlang eines Temperaturgradienten zu berücksichtigen. Zwischen beiden Seiten vermitteln Wärmetransportprozesse wie Konduktion (Wärmeübertragung durch Molekülbewegung) und Konvektion (Wärmetransport durch Strömung eines Mediums). Bei den meisten Organismen ist die Fähigkeit zur T. gar nicht oder nur partiell ausgebildet (Pflanzen, alle Tiere mit Ausnahme der Vögel und Säuger; poikilotherm); nur die letzteren beiden Tiergruppen verfügen über ein Temperaturregulationszentrum im Gehirn, das die Körpertemperatur auf einen bestimmten Sollwert einregelt und konstant hält (homoiotherm). Auch ohne das Vorhandensein eines Temperaturregulationszentrums gibt es durch spezielles Verhalten oder morphologische Anpassungen Möglichkeiten zur T.: die so genannten Kompasspflanzen vermögen den Strahlungseinfall durch Profilstellung ihrer Blätter zu vermindern; Wüsteneidechsen besitzen eine Art „zentralnervösen Temperatur-Fühler“, der das Verhalten dahingehend steuert, dass durch Aufsuchen kälterer oder wärmerer Plätze die Körpertemperatur auf etwa 35 °C konstant gehalten wird; eine Pythonschlange (Boidae) kann durch Aktivierung ihres Stoffwechsels ihre Körpertemperatur beim Ausbrüten der Eier um bis zu 7 °C über die Umgebungstemperatur ansteigen lassen. Viele (insbesondere große) Insekten, wie z.B. Hummeln, Schwärmer, Libellen oder Käfer erzeugen durch schnelle Kontraktionen der Thoraxmuskulatur („Pumpen“) und Flügelschwirren Stoffwechselwärme und heizen so den Flugapparat auf. Sie können damit auch bei niedrigen Umgebungstemperaturen fliegen und erreichen Thoraxtemperaturen von bis zu 42 °C, die nur wenige Grad unter der Letaltemperatur (46 – 47 °C liegen). Da es sich bei dieser Wärmeproduktion um einen Vorgang mit positiver Rückkopplung handelt, der leicht zu einer Überhitzung führen kann, muss auch für eine Abfuhr der überschüssigen Wärme gesorgt werden. Dies geschieht durch eine Steigerung des Hämolymphstroms vom gut isolierten Thorax zu dem nur mit einer dünnen Cuticula bedeckten Abdomen, über das die Wärme abgegeben werden kann. Für die Wärmeabgabe bzw. -aufnahme ist generell das Oberflächen-Volumen-Verhältnis des Körpers eine bestimmende Größe (Bergmann-Regel). Bei poikilothermen Tieren wird daher die Aktivität bei kleinen Formen (mit relativ großer Oberfläche) hauptsächlich von der eingestrahlten Wärme bestimmt, bei größeren Formen geht die Stoffwechselwärme als wichtiger Aktivitätsfaktor ein, insbesondere dann, wenn sie durch morphologische Strukturen konserviert werden kann. Solche Strukturen sind neben den erwähnten Isolationsschichten Vorrichtungen zum Gegenstromaustausch, die in ihrer perfektesten Ausgestaltung als Rete mirabile arbeiten. Gegenstromaustauscher und Rete sind auch bei homoiothermen Organismen weit verbreitet (Rete des Tunfischs, Gegenstromaustauscher in den Beinen von Stelzvögeln, Rete im Gehirn verschiedener Säuger).

Homoiotherme Tiere besitzen zwei Zentren der Temperaturregulation im Hypothalamus, ein wärmeaktivierbares im vorderen Teil und ein kälteaktivierbares im hinteren Teil. Beide sind reziprok über hemmende Interneurone verschaltet. Periphere Wärme- und Kälterezeptoren (Wärmepunkte und Kältepunkte, Temperatursinn) in der Haut melden über afferente Bahnen Temperaturveränderungen an die entsprechenden Zentren, die ihrerseits über efferente Bahnen eine Reihe von thermoregulatorischen Reaktionen veranlassen. Neben den Hautrezeptoren sind Kerntemperaturrezeptoren im Bereich des Hypothalamus selbst gefunden worden, die auf Erwärmung ansprechen und dabei synergistisch mit den Hautrezeptoren wirken. Bei Ansteigen der Körper-Kerntemperatur, wie sie z.B. unmittelbar nach Beginn schwerer körperlicher Arbeit eintritt, können sofort Abkühlungsmechanismen in Gang gesetzt werden, noch bevor die Körperschale erwärmt wird. Bei den peripheren thermoregulatorischen Mechanismen selbst kann zwischen Wärmeproduktion und Steuerung der Wärmeabgabe unterschieden werden. Wärme wird entweder über aktive Muskelarbeit (so genanntes Kältezittern, bei starkem Frieren) produziert – ausgelöst durch vom hinteren Hypothalamus caudalwärts ziehende somatomotorische Nerven (so genannte zentrale Zitterbahnen) –

oder durch Aktivierung des Fettabbaues im braunen Fett (zitterfreie Thermogenese) über die Ausschüttung von Noradrenalin aus sympathischen Endigungen autonomer Nerven. Diese Art der Wärmeerzeugung spielt insbesondere bei neugeborenen Tieren (einschließlich des menschlichen Säuglings) sowie beim Aufwachen aus dem Winterschlaf eine Rolle. Schließlich wird über das Thyreotropin-Releasing-Hormon aus dem Hypothalamus die Hypophyse zur Ausschüttung des Thyreotropins und damit zur Stimulation der Schilddrüse veranlasst, was eine generelle Stoffwechselaktivierung zur Folge hat. Zur Steuerung der Wärmeabgabe wird die Durchblutung insbesondere der „Akren“ (Finger, Hand, Ohren, Lippen, Nase), des Kopfes und der Extremitäten über noradrenerge sympathische Nerven variiert, wobei Kältebelastung zur Gefäßverengung (Vasokonstriktion) und Wärmebelastung zur Gefäßerweiterung (Vasodilatation) und damit zur Durchblutungssteigerung führt. Speziell über arteriovenöse Anastomosen kann Wärme abgegeben werden (konvektiver Wärmetransport). Über cholinerge sympathische Nerven wird ferner die Schweißsekretion reguliert (schwitzen); das mit dem Schweiß ausgeschiedene Gewebshormon Bradykinin fördert ebenfalls die Vasodilatation. Tiere ohne oder mit nur wenigen, auf bestimmte Areale verteilten Schweißdrüsen erzeugen zur Wärmeabgabe einen Luftstrom über die Mundschleimhaut und den oberen respiratorischen Trakt (Hecheln), wobei meist auch die Speichelabsonderung erhöht wird. Bei verschiedenen Vögeln (Tauben) wird die Hechel-Wärmeabgabe durch Anpressen der Trachea an ein oesophageales Rete noch verbessert. In manchen Fällen (Känguru) wird der Speichel über den ganzen Körper verteilt und so die Erzeugung von Verdunstungskälte gefördert. Schließlich kann, ebenfalls über sympathische Nerven, die Stellung von Federn oder Fellhaaren (aufgerichtet oder angelegt, „Aufplustern“) und damit die Größe des isolierenden eingeschlossenen Luftpolsters kontrolliert werden (Gänsehaut).

Bei neugeborenen Säugern ist die Fähigkeit zur T. noch unvollständig ausgeprägt, z.T. (junge Mäuse) verhalten sie sich Änderungen der Umgebungs-Temperatur gegenüber wie poikilotherme Organismen. Der menschliche Säugling hat nach der Geburt ein Oberflächen-Volumen-Verhältnis, das etwa dreimal so groß wie das des Erwachsenen ist. Zusammen mit einem nur dünnen Fettpolster zwingt dies zu einem hohen Energieumsatz. Die Temperatur-Neutralzone liegt beim Neugeborenen bei 32 – 34 °C; schon bei 23 °C ist die untere Grenze des Regelbereichs erreicht (beim Erwachsenen erst bei 0 – 5 °C). Das Neugeborene zeigt zwar ansteigende Aktivität, wenn es Kälte- oder Wärmebelastung ausgesetzt wird, kann aber nur über zitterfreie Thermogenese im braunen Fettgewebe Wärme produzieren. Die so erzeugte Stoffwechselwärme beträgt nur etwa die Hälfte der von Erwachsenen erzeugten Wärme. Die Gefahr einer Unterkühlung (Hypothermie) ist daher für das Neugeborene besonders groß. Auch das Vermögen, zu schwitzen, ist erst unzureichend vorhanden und bei Frühgeburten noch gar nicht ausgebildet. Babies besitzen mit etwa 415 Schweißdrüsen/cm2 etwa 6,5 mal soviel wie Erwachsene, produzieren aber nur ein Drittel der Schweißmenge eines Erwachsenen. Beim älteren Menschen vermindert sich die Fähigkeit zur T. wieder, sodass auch bei Körper-Kerntemperaturen von 35 °C oder weniger noch kein Kältezittern einsetzt (obwohl subjektiv die niedrigere Temperatur wahrgenommen wird).

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Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
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