Lexikon der Biologie: Chamäleons
Chamäleons [von latein. chamaeleon = Chamäleon], Wurmzüngler, Chamaeleonidae, den Agamen verwandtschaftlich nahestehende Familie altweltlicher Echsen mit 2 Gattungen (Chamaeleo und Brookesia) und ca. 120 Arten. Meist 20–30 cm lange, vor allem in Afrika ( ä vgl. Abb. ) und Madagaskar beheimatete, vorwiegend tagaktive Schuppenkriechtiere; nur 4 Arten kommen im Mittelmeerraum und in Südwestasien bis Sri Lanka vor. Die eigenartigen, dem Leben auf Bäumen und Sträuchern ausgezeichnet angepaßten Chamäleons haben einen kantigen Kopf und einen seitlich abgeflachten Rumpf. Zahlreiche Arten besitzen hohe Rückenkämme bzw. horn- oder helmartige Auswüchse auf dem Kopf, z. B. die beiden westafrikanischen Arten Kammchamäleon (Chamaeleo cristatus) und Dreihornchamäleon (Chamaeleo oweni). Die großen Augen, die von kegelförmig verwachsenen, mit kleinen Körnerschuppen bedeckten, nur die kleinen Pupillen freilassenden Lidern umschlossen sind, können sich unabhängig voneinander in jede Richtung bewegen (Blickfeld). Die bisweilen körperlange Zunge ist an der Spitze keulenförmig verdickt und klebrig; in der Ruhe zurückgezogen, wird sie beim Beutefang blitzschnell (in 1/25 s) und weit vorgeschnellt ( ä vgl. Abb. ), was vor allem durch die plötzliche Kontraktion der Ringmuskulatur im Vorderteil der im Ruhezustand röhrenförmig über die nach vorn ragende Verlängerung des Zungenbeins gestülpten Zunge bewirkt wird. Vor dem Zungenschlag wird die Beute mit beiden Augen fixiert, so daß die Entfernung genau abzuschätzen ist ( ä vgl. Abb. und Kleindruck). Zahlreiche Hautzellen mit verschiedenen Farbpigmenten, die innerhalb der Zelle konzentriert oder ausgebreitet werden können (Chromatophoren) – im Zusammenspiel mit lichtbrechenden, guaninhaltigen Iridocyten (Flitterzellen) und Zellen mit Fettkügelchen – ermöglichen einen ständigen, sehr variablen Farbwechsel, der teils von äußeren (Wärme, Licht), teils von inneren Ursachen (Erregung, Hunger usw.) beeinflußt wird. Dagegen können sich Chamäleons nicht aktiv eine Tarnfärbung passend zur jeweiligen Umgebung zulegen. Obwohl die Gliedmaßen gut entwickelt sind, trägt auch die langsame Fortbewegung dazu bei, sie in ihrer Umgebung unauffällig zu machen. Hände (Greifhand) und Füße sind zu Greifzangen mit zu zweien oder dreien verwachsenen Fingern und Zehen (an den Händen weisen 3 miteinander verwachsene nach außen und 2 nach innen; an den Füßen umgekehrt) umgebildet; zusammen mit dem runden, einrollbaren Greifschwanz, der nicht abwerfbar (Autotomie) ist, eignen sie sich hervorragend zum Klettern oder Festhalten selbst an dünnen Ästen. Feinden können sie kaum entfliehen, doch erschrecken sie diese oft durch plötzliches Dickerwerden, indem sie zahlreiche, von der Lunge zwischen andere Eingeweide ausstrahlende Luftsäcke aufblasen. – Chamäleons ernähren sich hauptsächlich von Insekten, aber auch von anderen Wirbellosen (Asseln, Würmer, Schnecken usw.); größere Arten verzehren gelegentlich kleinere Wirbeltiere. Oft wird die Beute nicht beschlichen, sondern aus einer Lauerstellung heraus gefangen. Flüssigkeit wird vorwiegend in Form von Tau aufgenommen. Sie leben gewöhnlich ortstreu in bestimmten Revieren, die sie gegenüber Artgenossen intensiv durch Rammstöße und kräftige Bisse verteidigen. Die meisten Arten sind ovipar, wobei die pergamentschaligen Eier (bei großen Arten bis zu 40 Stück) in einem selbstgegrabenen Erdloch verscharrt werden; nur bei einigen, in kühleren Klimaten lebenden Arten schlüpfen die Jungen sofort nach der Eiablage. Solche ovoviviparen Arten sind das bis 16 cm lange Zweistreifenchamäleon (Chamaeleo bitaeniatus) aus ostafrikanischen Gebirgsgegenden und das um 14 cm lange, in südafrikanischen Bergregionen heimische Zwergchamäleon (Chamaeleo pumilus). Größte Art ist das bis ca. 65 cm lange, ziemlich schnelle, madagassische Riesenchamäleon (Chamaeleo oustaleti), das neben Insekten (vor allem Heuschrecken) auch kleine Wirbeltiere jagt. Einzige auch in Europa (im äußersten Süden des Kontinents und auf mehreren Inseln im östlichen Mittelmeerraum) lebende Art ist das 25–30 cm lange Gewöhnliche Chamäleon (Chamaeleo chamaeleon; ä vgl. Abb. und Mediterranregion II). Die gelegentlich auch am Boden lebende, sehr unverträgliche Echse hat außer dem vom Kinn zum After verlaufenden Bauchkamm einen kürzeren, leicht gezähnten Rückenkamm, einen stumpf pyramidenförmigen Helm auf dem Hinterkopf und gleichartige, ziemlich kleine Schuppen. – Im Terrarium benötigen die möglichst einzeln zu haltenden Chamäleons verhältnismäßig viel Raum, abwechslungsreiches Futter und regelmäßige Trinkwassergaben; eine längere Haltung ist aber schwierig. – Die zweite Gattung mit ca. 20 Arten bilden die meist unscheinbar gefärbten Stummelschwanzchamäleons (Brookesia). Sie sind oft klein und haben einen wesentlich kürzeren, nicht mehr als Greiforgan genutzten Schwanz; sie leben überwiegend am Boden in den Waldgebieten auf Madagaskar (Madagassische Subregion) sowie in West-, Zentral- und Ostafrika und besitzen keinen Rücken- oder Bauchkamm. Zu ihnen gehört das winzige Madagaskar-Zwergchamäleon (Brookesia tuberculata), das mit dem 1,2 cm langen Schwanz nur eine Gesamtlänge von 3,2 cm erreicht. Echsen , Einsicht .
H.S./T.J.
Chamäleons Chamäleon (Chamaeleo spec.) beim Fang eines Insekts Entfernungsmessung im Chamäleonauge: Für den Beutefang mit der Zunge müssen Chamäleons sehr genau die Entfernung zum anvisierten Objekt berechnen können. Anders als der Mensch erreichen sie dies nicht über Auswertung der binokularen Disparitäten (binokulares Sehen), sondern allein durch Fokussieren (Akkommodation) eines Auges auf die Beute. In Anbetracht der sehr variablen Beuteentfernung beim Fang (von wenigen Zentimetern bis zu 1,5-facher Körperlänge vom Tier entfernt) verfügen Chamäleons über erstaunliche Akkommodationsspielräume (Akkommodationsbreite) von bis zu 45 Dioptrien. Zur Optimierung dieses Vorgangs entwickelten sich im Laufe der Evolution der Chamäleons Linsenaugen mit einer Streulinse (eine Einmaligkeit im Tierreich), die bei Verformung einen breiteren Fokusbereich als die bei anderen Wirbeltieren sonst üblichen Sammellinsen zulassen. Außerdem bewirken sie eine Vergrößerung des Abbildes der Umwelt auf der Retina (Netzhaut) und ermöglichen somit eine höhere Auflösung (Auflösungsvermögen). |
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