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Lexikon der Chemie: Ameisensäure

Ameisensäure, Methansäure, H-COOH, die einfachste Monocarbonsäure. A. ist eine farblose, leicht bewegliche, stechend riechende, flüchtige Flüssigkeit; F. 8,4 °C, Kp. 100,7 °C, nD20 1,3714. Sie wirkt stark ätzend und ruft Reizungen der Haut und Schleimhäute hervor, bei Kontakt mit konz. A. können sehr schmerzhafte und schwer heilende Wunden entstehen. A. ist in Wasser, Alkohol, Ether, Aceton und Benzol sehr gut löslich. A. ist die stärkste Säure in der Reihe der aliphatischen Monocarbonsäuren. Ihr pKS-Wert (≈ 3,8) liegt beachtlich unter dem der Essigsäure (≈ 4,8). A. kann bei Normaldruck unzersetzt destilliert werden, bei hohen Temperaturen zerfällt sie in Gegenwart von Katalysatoren in Kohlenmonoxid und Wasser oder auch in Kohlendioxid und Wasserstoff: H-COOH → CO2 + H2. Die Dämpfe der A. können an der Luft entzündet werden und brennen mit blauer Flamme; Ameisensäuredämpfe bilden mit Luft im Bereich von etwa 14 bis 33 Vol.-% explosible Gemische. Mit Wasser entsteht ein azeotropes Gemisch, das bei 107,3 °C siedet und 77,5 % A. enthält. A. zeigt neben den typischen Reaktionen der Carbonsäuren aufgrund der Anwesenheit einer Formylgruppe eine Reihe charakteristischer Aldehydreaktionen, wobei diese dominieren können. A. wirkt z. B. im Gegensatz zu anderen Carbonsäuren stark reduzierend. Mit ammoniakalischen Silbernitratlösungen bzw. Quecksilber(II)-nitratlösungen reagiert sie unter Abscheidung von metallischem Silber bzw. Quecksilber. Diese Umsetzungen werden häufig zur Identifizierung der A. herangezogen. Die Salze und Ester der A. werden als Formiate bezeichnet. A. kommt sowohl in freier Form als auch gebunden, z. B. als Ester, im Pflanzen- und Tierreich vor. Man findet sie in den Giftdrüsen der Laufkäfer, Ameisen und Bienen, in Raupenhaaren, in Tannennadeln, Brennesseln und zahlreichen Früchten sowie als Salze im menschlichen Harn. Technisch wird A. aus Natriumhydroxid und Kohlenmonoxid bei 210 °C und Drücken von 6·105 bis 8·105 Pa hergestellt:



A. wird außerdem in größeren Mengen aus Ameisensäuremethylester und Ammoniak über die Zwischenstufe Formamid synthetisiert, wobei letzteres mit Schwefelsäure in A. und Ammoniumsulfat umgewandelt wird. A. entsteht ferner als Nebenprodukt bei der Herstellung von Essigsäure durch Kohlenwasserstoffoxidation. Kleinere Mengen A. können durch Erhitzen von Oxalsäure mit Glycerin sowie direkt aus Kohlenmonoxid und Wasser in Gegenwart von Katalysatoren bei hohen Drücken hergestellt werden. Die Konzentrierung verd. A. erfolgt in Abhängigkeit vom Wassergehalt durch Behandeln mit kristallwasserbindenden Salzen, durch azeotrope Destillation mit Toluol bzw. Butyl- oder Amylformiaten oder durch fraktionierte Destillation. Man verwendet A. in erheblichen Mengen zum Koagulieren von Latex, zum Imprägnieren und Beizen in der Textil- und Lederindustrie, als Lösungsmittel, als Entkalkungsmittel, zum Ansäuern von Farbbädern, als Konservierungsmittel für Früchte und Fruchtsäfte, zum Desinfizieren von Bier- und Weinfässern und zur Herstellung von Formiaten.

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