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Lexikon der Chemie: Chlor

Chlor, Symbol Cl, chem. Element aus der VII. Hauptgruppe des Periodensystems, der Gruppe der Halogene, Nichtmetall; Z 17, Massenzahlen der natürlichen Isotope 35 (75,529 %) und 37 (24,47 %), Atommasse 35,453, Wertigkeit -I, +I, +III bis +VII, D. (am Kp.) 1,565, g cm-3 F. -101,00 °C, Kp. -34,06 °C, krit. Temp. 143,5 °C, krit. Druck 7,61 MPa, krit. D. 0,57 g cm-3, Standardelektrodenpotential (Cl-/Cl2) + 1,3595 V.

Eigenschaften. C. ist ein erstickend riechendes, gelbgrünes, sehr reaktionsfähiges, Cl2-Moleküle bildendes, sehr giftiges Gas. Bei -34 °C, bei Druckerhöhung auch bei Raumtemperatur (0,66 MPa, 20°C), kondensiert es zu einer gelben Flüssigkeit. Verflüssigtes C. kommt in Stahlflaschen, in den Handel. Festes C. kristallisiert in einem orthorhombischen Molekülgitter. C. ist in Wasser gut löslich: 1 l Wasser löst bei 20 °C 2,3 l C. Unter dem Einfluß des Sonnenlichtes zersetzt sich Chlorwasser gemäß den Gleichungen Cl2 + H2O

HCl + HOCl und HOCl

HCl + 1/2 O2. C. verbindet sich direkt mit allen Elementen außer Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff und den Edelgasen. Unedle Metalle, vor allem Alkali- und Erdalkalimetalle, in feinverteiltem Zustand auch verhältnismäßig edle Metalle wie Bismut, Arsen oder Kupfer, vereinigen sich mit C., oft bereits bei normaler oder wenig erhöhter Temperatur, unter starker Wärmeentwicklung und meist auch unter Feuererscheinung. So verbrennt z. B. auf 100 °C erhitztes Natrium im Chlorstrom unter Ausstrahlung intensiv gelben Lichts zu Natriumchlorid. Die Edelmetalle und weitere, leicht passivierbare Metalle, z. B. Chrom, Tantal oder Wolfram, werden im allgemeinen, vor allem im kompakten Zustand, erst bei Rotglut chloriert. Mit Nichtmetallen, z. B. Phosphor, Schwefel, Iod und Wasserstoff, reagiert C. bei Zimmertemperatur kaum oder weit weniger lebhaft als mit den unedlen Metallen, bei erhöhter Temperatur jedoch oft recht heftig. So ist z. B. ein äquimolares Gemisch von C. und Wasserstoff im Dunkeln bei Raumtemperatur unverändert haltbar, während es im direkten Sonnenlicht oder bei örtlicher Erhitzung explodiert (Chlorknallgas). Feuchtes C. ist wesentlich reaktionsfähiger als trockenes. So greift trockenes C. Eisen erst oberhalb 270 °C an, so daß es gasförmig oder flüssig durch Eisenrohre geleitet oder in Stahlflaschen und Kesselwagen befördert werden kann. Auch die Entzinnung von Weißblech ist dadurch möglich, daß trockenes C. nur mit Zinn unter Bildung von flüssigem Zinn(IV)-chlorid reagiert, Eisen jedoch unangegriffen läßt. Infolge seiner großen Affinität zu Wasserstoff reagiert C. mit vielen Kohlenwasserstoffverbindungen, Wasser, Schwefel-, Brom- oder Iodwasserstoff unter HCl-Bildung. Auf kompliziertere organische Verbindungen wirkt C. vor allem durch Oxidations- und Substitutionsreaktionen zerstörend.

Chlor ist ein Lungengift, das auf die Schleimhäute der Atemorgane ätzend und entzündungserregend wirkt. Stärkere Vergiftungen führen zu Krampfhusten und Erstickungsgefühl, später zu Atemnot, Lungenentzündung und Lungenbluten. Eine Konzentration von 2,5 mg/l wirkt sofort, eine Menge von 0,15 mg/l nach längerem Einatmen tödlich.

Als Gegenmaßnahme bei Chlorvergiftungen dient das Inhalieren von Wasserdampf. Bei Atemnot ist Sauerstoffatmung oder – jedoch nur im äußersten Notfall – künstliche Beatmung anzuwenden. Arzt konsultieren.

Analytisches. Freies C. ist an seinem Geruch und in großen Konzentrationen an seiner gelbgrünen Farbe erkennbar. C. färbt Kaliumiodstärkepapier blau. Zum qualitativen und quantitativen Nachweis von Chlorid-Ionen dient die Reaktion mit Silbernitrat.

Vorkommen. C. ist am Aufbau der Erdkruste mit 0,19 % beteiligt, zählt damit zu den relativ häufigen Elementen und nimmt den Platz 12 der Häufigkeitsskala der Elemente ein. Es kommt in der Natur stets gebunden, vor allem in Form der Alkali- und Erdalkalichloride, in den Salzlagerstätten und im Meerwasser vor. Die wichtigsten Chlorminerale sind Steinsalz NaCl, Sylvin KCl, Carnallit KCl·MgCl2 · 6 H2O, Kainit KCl·MgSO4·3 H2O und Bischofit MgCl2·6 H2O.

Gewinnung. Im Laboratorium wird meist Mangan(IV)-oxid mit konz. Salzsäure oder mit einem Gemisch von Natriumchlorid und mäßig konz. Schwefelsäure erhitzt. Dabei bildet sich intermediär Mangan(IV)-chlorid: MnO2 + 4 HCl → MnCl4 + 2 H2O; dieses zerfällt schnell zu Mangan(II)-chlorid und C.: MnCl4 → MnCl2 + Cl2. Technisch gewinnt man C. heute im größten Umfang, die Weltproduktion lag 1994 bei über 37 Mio t/Jahr, ganz überwiegend durch Chloralkalielektrolyse. Das noch feuchte und daher aggressive C. wird mit Wasser gekühlt, in geschützten Türmen mit Schwefelsäure getrocknet und in Abscheidern oder Filtern gereinigt. Vor dem Transport zu entfernten Verbrauchern muß C. verflüssigt werden. Dabei darf der Wasserstoffanteil im Chlorgas 8 % nicht überschreiten, da das Gasgemisch oberhalb dieser Grenze explosiv ist.

Vor dem Aufkommen der Chloralkalielektrolyse wurde C. in der Technik nach dem Deacon-Verfahren gewonnen, das auch heute noch in modifizierter Form (Shell-Deacon-Verfahren) in geringem Umfang angewendet wird. Beim Deacon-Verfahren wird Chlorwasserstoff mit Luft in Gegenwart von Kupfer(II)-chlorid zu Chlor oxidiert:



Verwendung. Wichtige anorganische, im technischen Maßstab hergestellte Chlorverbindungen sind Hypochlorit und Chlorat, Chlordioxid, Dischwefeldichlorid, Phosphorchloride, Silicium- und Germaniumtetrachlorid. Unter den organischen Chlorierungsprodukten sind chlorhaltige Lösungsmittel, wie Tetrachlormethan, Chloroform oder Methylenchlorid, ferner chlorierte Kunststoffe, wie Polyvinylchlorid und Chlorkautschuk, an erster Stelle zu nennen, spielen aber auch chlorhaltige Pflanzenschutzmittel und Zwischenprodukte für die Farbstoffindustrie eine große Rolle.

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