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Lexikon der Chemie: Elektronenpaar-Abstoßungsmodell

Elektronenpaar-Abstoßungsmodell, VSEPR-Modell (Abk. von engl. valence shell electron pair repulsion model), eine Modellvorstellung zur qualitativen Deutung der Molekülstruktur, die davon ausgeht, daß die Gestalt eines AXmEn-m-Moleküls weitgehend durch die abstoßende Wechselwirkung von Elektronenpaaren der Valenzschale des Zentralatoms A bestimmt wird. Dabei symbolisieren m die Anzahl der Ligandenatome X, E einsame Elektronenpaare und n die Anzahl der Valenzelektronenpaare des Zentralatoms in diesen Molekülen. Ausgehend von den ersten Modellansätzen von Sidgewick und Powell (1940) wurde das E. im wesentlichen durch Gillespie und Nyholm (1967) zur Vorhersage von Molekülstrukturen hauptsächlich anorganischer Verbindungen der Hauptgruppenelemente ausgebaut. Die Grundannahme des E. besteht darin, daß sich entsprechend dem Pauli-Prinzip Elektronenpaare in einer Valenzschale in möglichst großem Abstand voneinander anordnen. Damit ergeben sich für n = 2, 3, ... 6 Valenzelektronenpaare des Zentralatoms A in Molekülen des Typs AXmEn-m die in der Abb. dargestellten energetisch günstigen Anordnungsmöglichkeiten sowie die daraus folgenden Molekülstrukturen. Bei den Molekülen AXmEn-m treten gegenüber den entsprechenden AXm-Molekülen (m = n) Abweichungen in den Bindungswinkeln auf. So nehmen z. B. die Bindungswinkel in den Molekülen CH4 (109,5°), NH3 (107,3°) und H2O (104,5°) in der angegebenen Weise ab. Die Verringerung des Bindungswinkels wird im E. darauf zurückgeführt, daß einsame Elektronenpaare im Vergleich zu Bindungselektronenpaaren mehr Raum beanspruchen. Daher nehmen auch einsame Elektronenpaare bei alternativen Anordnungsmöglichkeiten solche Positionen ein, wo die Wechselwirkung mit anderen Elektronenpaaren möglichst gering ist, z. B. die äquatorialen Positionen bei einer trigonalen Bipyramide (Abb.). Bei der Betrachtung von Molekülen mit Mehrfachbindungen, z. B. COCl2 und HCN, werden die zwei bzw. drei Elektronenpaare der Doppel- bzw. Dreifachbindung bezüglich des Aufenthaltsraumes wie ein Elektronenpaar behandelt. Der Raumbedarf dieser Mehrelektronenräume liegt zwischen dem eines Bindungselektronenpaares und dem eines einsamen Elektronenpaares. In der Tab. sind für einige Moleküle des Typs AXmEn-m die nach dem E. resultierenden Molekülgeometrien angegeben.

Elektronenpaar-Abstoßungsmodell. Tab.: Gestalt der Moleküle AXmEn-m.

n Typ Molekülgestalt Beispiel
2 AX2 linear BeH2, CO2
3 AX3 trigonal-eben BF3
AX2E V-förmig SO2, SnCl2
4 AX4 tetraedrisch CH4, BF4-
AX3E trigonal-pyramidal NH3, SO32-
AX2E2 V-förmig H2O, H2S
5 AX5 trigonal-bipyramidal PF5, PCl5
AX4E tetraedrisch verzerrt SF4
AX3E2 T-förmig ClF3, BrF3
AX2E3 linear ICl2-, I3-
AX6 oktaedrisch SF6
6 AX5E quadratisch-pyramidal BrF5, IF5
AX4E2 quadratisch-planar XeF4, ICl4-


Elektronenpaar-Abstoßungsmodell. Abb.: Energetisch bevorzugte Anordnungen von n Elektronenpaaren in Molekülen AXmEn-m.

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