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Lexikon der Chemie: Farbstoffe

Farbstoffe, Farbmittel, die Textilien, Leder, Pelze, Papier u. a. anfärben oder sich in ihnen lösen. Im Gegensatz zu den stets unlöslichen Pigmenten sind die F. meist in Lösungs- oder Bindemitteln löslich. Lichtechtheit und Waschechtheit sind die wichtigsten Qualitätskriterien von F.

Die F. können nach verschiedenen Kriterien eingeteilt werden:

1) Nach den Färbemethoden und den Anwendungsgebieten können die F. in Farbstoffklassen eingeteilt werden (koloristische Einteilung). a) Die basischen F. enthalten Amino- oder Alkylaminogruppen bzw. ihre Salze mit Säuren. Sie dienen zum Färben von Wolle, Seide, gebeizter Baumwolle und PAN-Fasern. b) Die sauren F. (Säurefarbstoffe) enthalten vorwiegend Sulfo-, seltener Carboxygruppen, sie werden zum Färben von Wolle, Seide, Polyamid- und modifizierten Polyacrylnitril-
fasern verwendet. c) Die Entwicklungsfarbstoffe werden auf der Faser durch chem. Reaktion erzeugt. Dazu werden die Textilien mit der alkalischen Lösung einer Kupplungskomponente getränkt und danach in die eiskalte Lösung eines Diazoniumsalzes gegeben (Eisfarben). Die Entwicklungsfarbstoffe werden vorzugsweise zum Färben von Baumwolle eingesetzt. d) Substantive Farbstoffe oder Direktfarbstoffe lassen sich aus der Lösung absorbieren und direkt auf die unbehandelte Cellulosefaser aufziehen, wo sie an der Oberfläche der intermizellaren Räume zu größeren Molekülaggregaten reagieren. e) Beizenfarbstoffe: Durch Beizen der Faser mit Chrom(III)-, Eisen(III)- oder Aluminiumsalzen und anschließende Hydrolyse durch Dämpfen entstehen auf der Faser feinverteilte Metallhydroxide und Metalloxidhydrate. Der Farbstoff, der zur Metallkomplexbildung befähigte Gruppen, z. B. OH-, COOH- u. a., trägt, bildet dann auf derart behandelter Wolle, Seide oder Baumwolle unlösliche, gefärbte Metallkomplexe, die Farblacke. f) Küpenfarbstoffe: Durch Einwirkung von Reduktionsmitteln wird der unlösliche F. in eine lösliche, farblose Leukoverbindung übergeführt (verküpt). Mit so hergestellter Küpe wird die Faser getränkt und die Leukoverbindung durch ein Oxidationsmittel (meist Luft) in den unlöslichen Farbstoff zurückgeführt. g) Reaktivfarbstoffe reagieren mit bestimmten funktionellen Gruppen der Fasern, z. B. der Hydroxygruppen der Cellulosemoleküle unter Etherbildung sowie mit den primären und sekundären Aminogruppen von Wolle und Seide, bei den Polyamiden mit den zahlreichen NH-Gruppen.

2) Nach ihrem chem. Aufbau können die F. eingeteilt werden in Nitro-, Nitroso-, Azo-, Di- und Triarylmethan-, Acridin-, Xanthen-, Chinonimin-, Azin-, Oxazin-, Methin-, Aza[18]annulen-, Carbonylfarbstoffe (Anthrachinonfarbstoffe, ingidoide F., Küpenfarbstoffe), Stilben- und Schwefelfarbstoffe (s. Tab.).

3) Nach ihrer Bildung unterscheidet man zwischen Naturfarbstoffen und synthetischen F.

a) Naturfarbstoffe können tierischer oder pflanzlicher Herkunft sein. Tierfarbstoffe werden aus den Körpersäften oder Körperteilen verschiedener Tiere gewonnen. Zu den tierischen F. gehören unter anderem Carmin, antiker Purpur, Indischgelb und Sepia. Pflanzenfarbstoffe werden aus verschiedenen Pflanzenteilen gewonnen, z. B. aus Hölzern (Farbhölzer) Rotholzextrakt (Rotholz), Blauholzextrakt (Blauholz), Gelbholzextrakt (Gelbholz); aus Rinden Quercitron (von einigen Eichenarten, wie Quercus tinctoria); aus Früchten Kreuzbeerenextrakt (aus Beeren verschiedener Rhamnusarten); aus Blättern Wau-Extrakt (aus der Färberdistel Reseda luteola), Catechu (aus Uncaria gambier), Henna (vom Strauch Lawsonia alba und inermis). Chlorophyll oder Blattgrün (aus verschiedenen grünen Blättern, z. B. Brennesseln, Spinat); aus Wurzeln Berberin (vom Sauerdorn Berberis vulgaris, auch aus Rinde und Stamm), Curcumin (aus Wurzelknollen von Curcuma tinctoria), Krappfarbstoffe, besonders Alizarin und Purpurin (aus den Wurzeln einiger Rubiazeen), Alkannin (unter anderem aus Lawsonia alba und inermis sowie Alkanna tinctoria); aus Flechten Orseille, Lackmus (aus verschiedenen Gattungen von Roccella lecanora); aus Samen Orlean (aus dem Orleanbaum Bixa orellana); aus Blütennarben Safran (aus Crocus sativus); aus Blüten Saflor (aus der Färberdistel Carthamus tinctorius); Anthocyane, Pelargonidin, Cyanidin, Delphinidin, Päonidin, Önidin, Malvidin u. a.

Die Naturfarbstoffe haben als F. an Bedeutung verloren. Einige werden heute noch in kleineren Mengen zum Färben von Lebensmitteln verwendet, auch für kosmetische Erzeugnisse, z. B. Carmin, Kreuzbeerenextrakt, Alkanna, Orlean, Safran, Saflor, Chlorophyll, Blauholzextrakt wird in größeren Mengen noch zum Färben von Rauchwaren (Fellen), Seide und Leder verwendet. Chlorophyll verwendet man zum Färben von ätherischen Ölen, Wachsen, Salben und Kosmetika.

Farbstoffe. Tab.: Wichtige natürliche und synthetische Farbstoffe.

Farbstoffklasse/-
gruppe
Vertreter Verwendung bzw. Vorkommen
Nitro- und Nitrosofarbstoffe Pikrinsäure

Naphtholgelb S
Amidogelb E
Litholechtgelb 2Gex
Soliddruckgrün
Naphtholgrün B
Pigmentgrün B
Herstellung von Pikraminsäure
Wolle, Seide
Wolle, Seide
Pigmentfarbstoff

Wolle
Azofarbstoffe Echtrot E
Sudanrot BB
Permanentrot
Pararot

Chrysoidin
Tartrazin
Kongorot

Diamantschwarz PV
Eriochromblau-
schwarz T
Säurefarbstoff
Fettfarbstoff
Druckfarben
Entwicklungs-farbstoff
basischer Farbstoff
Wollfarbstoff
Direktfarbstoff, Indikator
Chromierfarbstoff
komplexometrischeTitration
Di- und Triaryl-methanfarbstoffe

Diphenylmethan-
farbstoffe
Triphenylmethan-
farbstoffe

Acridinfarbstoffe



Auramin 0

Malachitgrün
Kristallviolett
Phenolphthalein
Acridinorgane
Acriflavin

Atebrin


basischer Farbstoff

basischer Farbstoff

Indikatorfarbstoff
basischer Farbstoff
gegen Tryptano-somen
Therapie und Propylaxe der Malaria
Xanthenfarbstoffe Chromoxan-brillantrot
Fluorescein
Eosin
Rhodamin B
Chromierfarbstoff
Chinonimine Indophenole
Indaniline
Indamine
Zwischenstufen für Azin- und
Schwefelfarbstoffe

Farbstoffe. Tab. (Fortsetzung).

Azinfarbstoffe Mauvein

Safranin T
Wollechtblau
Anilinschwarz
erster synthetischer Farbstoff
basischer Farbstoff
saurer Farbstoff
Pigmentfarbstoff
Oxazinfarbstoff Capriblau
Gallocyanin
Siriuslichtblau
FF2GL
basischer Farbstoff
Chromierfarbstoff
substantiver
Farbstoff
Methinfarbstoffe




Carotinoide
Astraphloxin FF
Astrazongelb
Astrazonorange
Pinaverdol
Pinycyanol
β-Carotin

Lycopin
basischer Farbstoff
Farbstoffe für
PAN-Fasern
Grünsensibilisator
Rotsensibilisator
Lebensmittel-farbstoff
in roten Tomaten, Hagebutten
Aza[18] annulenfarbstoffe
Phthalocyanine



Chlorophyll
Hämin
Heliogenblau B


Phthalocyanin-Entwickler

Chlorophyll a und b
Pigmentfarbstoffe,
Reaktiv- und Küpenfarbstoffe
Bildung der Kom-plexe auf der Faser in wäßriger Lösung
Pflanzenfarbstoff, Blutfarbstoff
Carbonylfarbstoffe
Indigofarbstoffe




Anthrachinon-farbstoffe




höher annulierte Carbonyl-farbstoffe

Stilbenfarbstoffe

Indigo
6,6-Dibromindigo
Thioindigo
Indanthrenbrillant-rosa R
Alizarin
Alizarinsaphirol A
Alizarindirektblau
Indanthron
Flavanthron
Pyranthron
Anthrapyrimidine
Anthanthrone
Violanthrone
Anthrimide
4,4-Diaminostilben-2,2'-disulfonsäure

Küpenfarbstoff
Küpenfarbstoff
Küpenfarbstoff
Küpenfarbstoff

Beizenfarbstoff
Wollfarbstoff
Wollfarbstoff
Küpenfarbstoff
Küpenfarbstoff
Küpenfarbstoff
Küpenfarbstoff
Küpenfarbstoff
Küpenfarbstoff
Küpenfarbstoff
optische Aufheller
Schwefelfarbstoffe
Backfarbstoffe
Kochfarbstoffe

Immedialorange
Immedialschwarz
Pyrogenindigo

Küpenfarbstoffe

b) Synthetische F. (Teerfarbstoffe, früher als Anilinfarben bezeichnet) bestehen aus kompliziert aufgebauten organischen Verbindungen. Die Anwendung synthetischer F. begann mit der Entdeckung des Mauveins durch W. H. Perkin im Jahre 1856. In den folgenden Jahren wurden zahlreiche F. synthetisiert, wobei man meist von den aromatischen Verbindungen des Steinkohlenteers ausging. Die Bezeichnung Teerfarbstoffe geht auf F. F. Runge (1795-1867) zurück, dem es als erstem gelang, aus dem damals noch wertlosen Steinkohlenteer auf dem Wege über Anilin (daher die Bezeichnung Anilinfarbstoffe) und Phenol synthetische F. herzustellen. (Näheres zu den einzelnen Farbstoffklassen unter den entsprechenden Stichworten).

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