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Lexikon der Chemie: Joule-Thomson-Effekt

Joule-Thomson-Effekt, isenthalpischer Drosseleffekt, Phänomen, daß reale Gase bei einer Expansion ohne äußere Arbeitsleistung ihre Temperatur verändern. Ursache für den J. ist das Vorhandensein anziehender und abstoßender Kräfte zwischen den Teilchen eines realen Gases. Damit sind die innere Energie U und die Enthalpie H realer Gase im Unterschied zu den idealen Gasen abhängig vom Volumen V und dem Druck p des Gases, d. h. (∂U/∂V)T ≠ 0 und (∂H/∂p)T ≠ 0 (Thermodynamik, 1. Hauptsatz; kalorische Zustandsgleichung realer Gase).

Für die Enthalpieänderung dH eines homogenen Stoffes gilt dH = ∂q + ∂w = (∂H/∂T)p dT + (∂H/∂p)T dp. (Thermodynamik, 1. Hauptsatz). Wird in einer gut wärmegedämmten Anordnung ein Gas über eine reibungsfrei funktionierende Drossel ohne äußere Arbeitsleistung expandiert, so ist ∂w = 0 und wegen der adiabatischen Prozeßführung ∂q = 0, d. h., es gilt dH = 0 (isenthalpischer Vorgang). Aus der obigen Beziehung folgt (∂T/∂p)H = (∂H/∂p)T/(∂H/∂T)p = [T(∂V/∂T)pV]/nCp. Der Quotient (∂T/∂p)H wird als differentieller Joule-Thomson-Koeffizient bezeichnet. Ist er positiv, führt die Expanison des Gases zur Abkühlung (∂T < 0), im anderen Fall zur Erwärmung. Da (∂H/∂T)p = nCp gilt, wobei n die Stoffmenge und Cp die molare Wärmekapazität bedeuten, hängt das Vorzeichen von (∂T/∂p)H nur vom partiellen Differentialquotienten (∂H/∂p)T ab. Überwiegen die Anziehungskräfte zwischen den Gasmolekülen, dann gilt (∂H/∂p) < 0 und (∂T/∂p)H ist positiv. Überwiegen die Abstoßungskräfte, so kehren sich die Vorzeichen um.

Für ideale Gase ist (∂H/∂p) = 0 (2. Gay-Lussacsches Gesetz) und damit (∂T/∂p)H = 0. Die isenthalpische Expansion erfolgt ohne Temperaturänderung. Für die meisten realen Gase ist der Quotient (∂T/∂p)H unter Normalbedingungen positiv (die Anziehungskräfte dominieren!). Er sinkt mit steigender Temperatur und steigendem Druck, erreicht Null bei der Inversionstemperatur T1 und darüber negative Werte. Die van-der-Waalssche Zustandsgleichung ergibt T1 = 2 TB = 2a/Rb, wobei TB die Boyle-Temperatur, R die Gaskonstante, a und b Van-der-Waals-Konstanten bedeuten.

Der J. bildet die Grundlage der Gasverflüssigung. Gase mit Inversionstemperaturen unterhalb der Zimmertemperatur müssen zunächst auf Temperaturen unterhalb der Boyle-Temperatur vorgekühlt werden, damit eine Expansion zu einer weiteren Abkühlung führt (z. B. Helium: T1 ≈ 40 K, Wasserstoff : T1 ≈ 220 K bei Normaldruck).

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