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Lexikon der Chemie: photographischer Prozeß

photographischer Prozeß, die Gesamtheit aller Stufen der Erzeugung beständiger Abbildungen von Objekten durch Strahlungsenergie auf lichtempfindlichen Schichten. Der p. P. auf der Grundlage der lichtempfindlichen Silberhalogenide AgX (Silberhalogenidphotographie) ist am verbreitetsten und hat größere Bedeutung gegenüber silberfreien Bildaufzeichnungssystemen. Den Nachteilen einer relativ langen Zeitdauer zwischen der Bildung des latenten Bildes (Belichtung) und des fertigen Bildes, eines aufwendigen Naßprozesses für die Herstellung des fertigen Bildes sowie der Verwendung des Edelmetalls Silber und der damit verbundenen hohen Kosten stehen folgende Vorteile gegenüber: 1) durch andere Materialien nicht erreichte Lichtempfindlichkeit über ein großes Spektralgebiet bis ins Infrarot (Grenze der spektralen Sensibilisierung etwa bei 1300 nm) mit einem Verstärkungsfaktor bis 109, 2) gute Bildqualität hinsichtlich Farb- und Detailwiedergabe, 3) Anwendung als Negativ- und Positivverfahren.

Für den p. P. verwendet man photographische Schichten, bei denen auf einer Unterlage (Papier, Glas, Folien aus Acetylcellulose oder Polyester) die lichtempfindliche Emulsion – in ein Bindemittel (Gelatine) eingelagerte Silberhalogenidmikrokristalle – aufgebracht ist. Die Gelatine wirkt als Schutzkolloid, indem sie die gebildeten kolloidalen AgX-Mikrokristalle umhüllt und so ein Ausflocken verhindert. Bei Negativemulsionen und Röntgenfilmen verwendet man Silberbromid, dem zur Empfindlichkeitssteigerung und zur Verhinderung von Schleierbildung 1 bis 10 % Silberiodid zugesetzt wird. Positivemulsionen, Mikrofilme und Photopapiere enthalten ein Gemisch von Silberchlorid und Silberbromid unterschiedlicher Zusammensetzung. An den Fällungsprozeß schließt sich die Reifung an, die in zwei Stufen abläuft: a) Physikalische Reifung durch Wärmebehandlung, wobei es zu einem Wachstum mittlerer und größerer Körner auf Kosten der kleineren Körner kommt (Abnahme der Kornzahl). b) Nachreife (chem. Reifung, chem. Sensibilisierung): Dabei werden Schwefelverbindungen, Goldsalze und/oder geeignete Reduktionsmittel in Spuren zugesetzt, die Reifkeime oder Empfindlichkeitszentren erzeugen (z. B. Ag2S, Ag0-Spuren). Die AgX-Mikrokristalle haben einen mittleren Durchmesser von 1 μm, der Silberverbrauch liegt zwischen 1 und 10 g Silber je m2 Film. Nach dem Reifungsprozeß werden Emulsionsstabilisatoren (Triazaindolizinderivate), Klarhalter (heterocyclische Mercaptoverbindungen) zur Vermeidung des Schleiers, spektrale Sensibilisatoren (Polymethinfarbstoffe), Emulsionshärtungsmittel (polyfunktionelle organische Verbindungen) und bei Colormaterialien die Farbkuppler zugesetzt. Die fertige Emulsion wird auf die Unterlage in dünnen Schichten aufgegossen. Schwarz-Weiß-Filme bestehen aus 1 bis 3, Colorfilme aus 4 bis 14, Röntgenfilme aus 2 bis 4 und Farbsofortbildfilme aus 15 bis 18 Emulsions- und Hilfsschichten.

Grundlage des p. P. der Silberhalogenidphotographie ist die photochemische Spaltung von Silberhalogeniden in elementares Silber und Halogen: AgX → Ag + 1/2 X (X = Cl, Br, I; Quantenausbeute < 1). Da Silberhalogenide nur gegenüber Licht mit Wellenlängen < 500 nm empfindlich sind, muß der Empfindlichkeitsbereich photographischer Emulsionen durch spektrale Sensibilisierung auf die langwelligen Gebiete des sichtbaren Bereiches und den kurzwelligen Teil des nahen infraroten Gebietes ausgedehnt werden. Durch kurzzeitige Belichtung der Emulsion wird das Latentbild erzeugt. Wenn ein AgX-Mikrokristall 5 bis 10 Lichtquanten absorbiert hat, bildet sich ein Latentbildkeim, das ist ein Silbercluster mit 4 bis 10 Silberatomen.

Durch den nachfolgenden Entwicklungsprozeß wird die primäre Lichtreaktion um einen Faktor von bis zu 109 verstärkt; dies ist die Ursache der außerordentlich hohen Empfindlichkeit der AgX-Materialien. Durch milde Reduktionsmittel (Hydrochinon, Aminophenole, aromatische Diamine) in schwach alkalischer Lösung werden nur die belichteten AgX-Kristalle zu Silber reduziert, wobei die Latentbildkeime katalytisch wirken.

Um das Bild gegen weiteren Lichteinfluß zu stabilisieren, müssen die noch lichtempfindlichen, unbelichteten AgX-Partikel entfernt werden. Dieses Herauslösen mit geeigneten Komplexbildnern (Thiosulfat, Cyanid, Rhodanid) nennt man Fixieren. Nach Wässern und Trocknen wird ein stabiles Negativbild erhalten (Schwärzung an den belichteten Stellen). Um daraus ein Positivbild zu erhalten, wird ein photographisches Material (z. B. Photopapier) durch das Negativ hindurch belichtet und anschließend wie das Negativ photographisch verarbeitet (Entwicklung und Fixierung). Mit Umkehrphotomaterial wird ohne Umweg über ein Negativ ein Positivbild erhalten.

Die Besonderheit von Röntgenfilmen besteht darin, daß die Filmunterlage auf beiden Seiten mit einer Emulsionsschicht versehen ist, um zu gewährleisten, daß die energiereichen Lichtquanten absorbiert werden.

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