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Lexikon der Chemie: Polyamide

Polyamide, Abk. PA, Thermoplaste, die durch die im Molekül periodisch wiederkehrende Amidbindung -CO-NH- gekennzeichnete sind. P. entstehen durch Polykondensation von Dicarbonsäuren mit Diaminen, durch Polykondensation von Aminocarbonsäuren oder durch Ringöffnungspolymerisation von Lactamen.



Die Kennzeichnung der P. erfolgt nach der Anzahl der C-Atome in den Ausgangsmonomeren, wobei zuerst die C-Atome des Diamins angegeben werden, z. B. PA 6,6 = Hexamethylendiamin + Adipinsäure, PA 6,10 = Hexamethylendiamin + Sebacinsäure. Das Verhältnis der Methylengruppen zu den Amidgruppen (CH2 : CONH) ist bestimmend für die physikalischen Eigenschaften der P. Die hohe mechanische Festigkeit der P. beruht auf der Ausbildung intermolekularer Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den CO- und NH-Gruppen.

Eigenschaften. P. sind weiß bis gelblich aussehende Substanzen, undurchsichtig oder glasklar. Sie weisen große Festigkeit gegen Zug, Biegung, Schlag und Abrieb auf, sind elastisch sowie – auch bei hohen Temperaturen – beständig gegen zahlreiche organische Lösungsmittel und haben gute Isoliereigenschaften. Verd. Säuren und Oxidationsmittel greifen P. in geringem Maße an. P. weisen kaum einen Erweichungsbereich auf, sondern bleiben bis dicht unter ihren Schmelzpunkt (215 bzw. 250 °C je nach Ausgangsprodukten) zäh und fest und gehen dann bei weiterer Wärmezufuhr in den dünnflüssigen Zustand über. Sie lassen sich verspinnen, gießen, pressen und spanabhebend verarbeiten. Die P. können im Temperaturbereich kurz unterhalb des Schmelzpunktes durch Recken verfestigt werden; diese Eigenschaft spielt besonders bei der Herstellung von Polyamidfasern eine große Rolle.

Herstellung. P. entstehen 1) durch Polykondensation von ω-Aminocarbonsäuren: n NH2-(CH2)x-COOH → NH2-(CH2)x-CO-[NH-(CH2)x-CO-]n-2NH-(CH2)x-COOH + (n – 1) H2O, wobei x größer als 4 ist.

2) durch Ringöffnungspolymerisation von Lactamen mit mehr als sechs Ringgliedern, insbesondere von ε-Caprolactam in Gegenwart von Katalysatoren. Je nach Katalysator erfolgt die Polyamidbildung über eine Stufen- oder ionische Kettenwachstumsreaktion. Der Zusatz von Wasser bewirkt eine Stufenwachstumsreaktion (hydrolytische Polymerisation), während ein Zusatz von Alkalien zum anionischen Kettenwachstum führt. Die anionische Polymerisation oder "Schnellpolymerisation", die in Gegenwart alkalischer Katalysatoren, z. B. von Natrium oder Natriumcarbonat, verläuft, führt in wenigen Minuten zu hochmolekularen Produkten. Daneben können Lactame auch kationisch zu P. polymerisiert werden.

In der Technik unterscheidet man ein diskontinuierlich und ein kontinuierlich verlaufendes Polymerisationsverfahren des Caprolactams. Beim diskontinuierlichen wird Caprolactam in 5 bis 10 % Wasser unter Zusatz eines Stabilisators, z. B. Essigsäure, und u. U. eines Mattierungsmittels, z. B. Titandioxid, gelöst. Im Autoklaven wird diese Mischung mehrere Stunden unter Luftabschluß auf 250 bis 260 °C erhitzt. Nach beendeter Reaktion wird die viskose Polyamidschmelze abgekühlt und granuliert. Beim kontinuierlichen Verfahren wird im VK-Rohr ohne Druck (VK = vereinfacht kontinuierlich) polymerisiert. Geschmolzenes Lactam wird mit dem Stabilisator und einem Katalysator einem auf 240 bis 280 °C beheizten Rohr von einigen Metern Länge kontinuierlich von oben zugeführt. Am unteren Ende wird die fertige Polymerisatschmelze kontinuierlich abgepumpt. Die Durchsatzzeiten liegen zwischen 15 und 40 Stunden. Da die Polymerisation stets nur bis zu einem temperaturabhängigen Gleichgewicht führt, müssen die niedermolekularen Anteile (Oligomere und Lactam) durch Extraktion mit Wasser entfernt werden.

3) durch Polykondensation von Dicarbonsäuren mit Diaminen: n HOOC-(CH2)x-COOH + n H2N-(CH2)y-NH2

HO-[OC-(CH2)x-CO-HN-(CH2)y-NH-]nH + 2n H2O; x und y müssen größer als 3 sein. Als Dicarbonsäuren werden hauptsächlich Adipinsäure HOOC-(CH2)4-COOH und Sebacinsäure HOOC-(CH2)8-COOH, als Diamin Hexamethylendiamin NH2-(CH2)6-NH2 eingesetzt. Da man auch von Mischungen verschiedener Dicarbonsäuren und Diamine ausgehen kann, sind die Variationsmöglichkeiten bei der Polyamidherstellung sehr groß. Bei der technischen Herstellung des Polykondensates aus Hexamethylendiamin und Adipinsäure stellt man zunächst das AH-Salz (Hexamethylendiamin) dar. Dieses wird unter Sauerstoffausschluß auf etwa 220 °C erhitzt, wobei eine Kondensation zu linearem P. erfolgt (Polyamid 6,6). Das abgespaltene Kondensationswasser wird kontinuierlich abdestilliert, während man das polymere Kondensationsprodukt als heiße, viskose Masse abzieht.

Durch Variation der Struktur der Dicarbonsäuren und der Diamine, insbesondere durch den Einsatz aromatischer Verbindungen wie Pyromelithsäureanhydrid und 1,4-Phenylendiamin, lassen sich eine Vielzahl hochwertiger P. herstellen, die durch weitere Kondensationsreaktionen in sehr temperaturbeständige Polymere übergeführt werden können, z. B. Polyimid und Polybenzimidazen.

Verwendung. P. werden vor allem zu Chemiefasern (Polyamidfasern) verarbeitet. Im Spritzgußverfahren und im Schmelzgießverfahren lassen sich auch Formteile, wie Lager, Zahnräder, Ventilplatten, Rohre, Dichtungen, Gehäuse, Armaturenbretter, Teile für die optische, feinmechanische und elektrotechnische Industrie, Folien sowie Niete und Schrauben herstellen. Für diese Formteile können auch glasfaserverstärkte P. eingesetzt werden. P. können weiterhin durch Extrusion, Wirbelsintern, spanabhebende Verfahren und Blaseverfahren verarbeitet werden. In der Medizin verwendet man P. zur Herstellung von Prothesen und als Knochenersatz. Werkstücke aus P. lassen sich mit Spezialleimen verkleben; außerdem kann man auch mit den üblichen Schweißverfahren Verbindungen herstellen.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
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Dr. Andreas Fath, Heidelberg
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Dr. Günter Kraus, Halle
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Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


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