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Lexikon der Chemie: Polymere

Polymere, Bezeichnung für alle Makromoleküle, deren relative Molekülmassen bei gleicher prozentualer atomarer Zusammensetzung in einem ganzzahligen Verhältnis zueinander stehen und wie z. B. beim Polyvinylchlorid oder beim Polystyrol gleichen inneren Aufbau aufweisen.

P. werden aus Monomeren durch Polymerisation, Polykondensation oder Polyaddition hergestellt und können durch Depolymerisation wieder gespalten werden. Im Verband des polymeren Moleküls wird die monomere Einheit als Grundmolekül bezeichnet. Die Anzahl der in einem polymeren Molekül vereinigten Monomeren nennt man Polymerisationsgrad. Aus zwei Monomeren bestehende P. bezeichnet man als Dimere, solche aus drei Monomeren als Trimere usw. P. mit einem niedrigen Polymerisationsgrad sind Oligopolymere (Oligomere), solche mit einem Polymerisationsgrad über 50 Hochpolymere. Weisen die einzelnen Moleküle eines P. unterschiedliche Größe auf, so bezeichnet man den Stoff als polymolekular. Zu den Biopolymeren gehören zahlreiche Naturstoffe.

Einteilung. Je nach Gestalt der P. unterscheidet man lineare, verzweigte und vernetzte P. Sind zwei lineare P. durch Brückenverbindungen, die wie Leitersprossen angeordnet sind, miteinander verbunden, so werden sie als Leiterpolymere bezeichnet.



Bei den Spiropolymeren erfolgt die Verknüpfung über quaternäre C-Atome. P., die aus einheitlichen Grundbausteinen bestehen, bezeichnet man als Homopolymere, wobei geringe strukturelle Abweichungen an den Endgruppen oder Verzweigungen vernachlässigt werden.

Sind die P. aus verschiedenen Grundbausteinen zusammengesetzt, spricht man von Copolymeren (Mischpolymere), wobei man noch zwischen Bi- (zwei), Ter- (drei), Quarter- (vier) oder Multipolymeren unterscheidet. Die rein physikalischen Mischungen verschiedener P. werden als Compounds oder Polyblends bezeichnet. Nach der Art der Anordnung der Grundbausteine im P. unterscheidet man bei den Copolymeren zwischen statistischen Copolymeren und alternierenden Copolymeren. Bei Blockcopolymeren sind die als Sequenz oder Blocklänge bezeichneten längeren Folgen gleicher Grundbausteine A mit denen des Grundbausteins B verknüpft, während Pfropfcopolymere verzweigte P. darstellen, bei denen die Hauptkette und Nebenkette jeweils aus einheitlichen Grundbausteinen bestehen. P., die wie Polypropylen ein pseudoasymmetrisches C-Atom je Grundbaustein in der Polymerkette enthalten, werden entsprechend der räumlichen Anordnung (Taktizität) der Atome und Substituenten zueinander in ataktische, isotaktische und syndiotaktische P. unterteilt. Isotaktische und syndiotaktische P. lassen sich durch stereospezifische Polymerisation unter Verwendung bestimmter Katalysatoren, z. B. Ziegler-Natta-Katalysatoren, herstellen. Sie zeigen vielfach günstigere Eigenschaften als die gewöhnlichen ataktischen P., z. B. höhere mechanische Festigkeit, höhere Kristallinität, höhere Dichte und bessere Thermostabilität. Hat der Grundbaustein der Polymerkette zwei Asymmetriezentren, so spricht man von ditaktischen P. und unterscheidet dabei nach der in der organischen Chemie üblichen Unterteilung in erythro- und threo-Form. Da von der konfigurativen Einheitlichkeit die Eigenschaften eines P. sehr stark abhängen, ist man bemüht, sterisch einheitliche P. herzustellen und die auftretenden Unregelmäßigkeiten zu erfassen. Für die Erfassung der Einheitlichkeit benutzt man die Taktizität in relativen Anteilen der im P. vorkommenden Triaden (drei benachbarten Isomeriezentren). Dabei sind wegen der zwei unterschiedlichen Formen jedes Isomeriezentrums (hier als a und b bezeichnet) folgende Triaden möglich: aaa = bbb = isotaktische Triade mit zwei isotaktischen Verknüpfungen (ii), aba = bab = syndiotaktische Triade mit zwei syndiotaktischen Verknüpfungen (ss) und abb = baa = heterotaktische Triade mit einer isotaktischen und einer syndiotaktischen Verknüpfung (is). Wechseln im P. längere Sequenzen der einen Triade mit denen einer anderen ab, so bezeichnet man sie als Stereoblockpolymere. Sind in der Molekülkette des P. noch Doppelbindungen enthalten (z. B. Polybutadien, Polyisopren), so kann die Kettenverknüpfung in cis- oder trans-Stellung erfolgen, und man unterscheidet daher cis- oder trans-taktische P.



Polymere. Abb.: Unterscheidung der Polymere.

Entwicklung und Einsatz. Durch programmierte Temperaturbehandlung von Formteilen aus geeigneten P. werden graphitisierte P. erhalten, die sich durch eine Dauertemperaturbeständigkeit bis zu 400 °C in Luft und bis zu 4000 °C in Stickstoff auszeichnen und zur Herstellung von Kohlenstoffasern, Kohlenstoffglas und von Kohlenstoffschaum dienen. Bei der Temperaturbehandlung wird eine Verkokungsstufe (bis 300 °C in Gegenwart von Sauerstoff), eine Carbonisierungsstufe (bis 1000 °C in Gegenwart von Stickstoff) und eine Graphitisierungsstufe (bis 2000 °C unter Stickstoff) durchlaufen.

Zur Erzielung besonderer Werkstoffeigenschaften werden Mischungen von P. verarbeitet, z. B. werden weiches und elastisches Polybutadien und hartes, wenig schlagfestes Polystyrol so vermischt, daß man einen schlagfesten Werkstoff erhält.

P., bei denen die möglichen Steifigkeiten weitgehend genutzt werden, bezeichnet man als Hochmodulpolymere. Man erhält sie durch Synthese von P., die hochorientierte flüssigkristalline Phasen ausbilden, oder durch nachträgliche physikalische Orientierung ungeordneter Kettensysteme in die Beanspruchungsrichtung. Wichtige Vertreter der Hochmodulpolymeren sind die Kohlenstoffasern und das Poly-p-phenylenterephthalamid. Außer den Kohlenstoffasern sind vor allem P. auf Basis unterschiedlich strukturierter carbocyclischer oder heterocyclischer Ringsysteme, wie Polychinoxaline, Polybenzimidazole und Polyimide, hochtemperaturbeständig. Realisierbar sind Dauertemperaturbeständigkeiten bis zu 150 °C und Beständigkeiten im Minutenbereich bis zu 600 °C.

P. in Form von Austauscherharzen oder von Membranen werden zur Stofftrennung eingesetzt, und zwar neben den klassischen Celluloseacetatmembranen Membranen auf Basis von Polyamiden und Polyimiden, die sich als chlor- und hydrolyseresistent erwiesen haben.

Durch den Einbau von chelatbildenden Gruppen, wie Iminodiessigsäure, Hydroxychinolin oder Kronenether, werden P. erhalten, die zur selektiven Bindung von Metall-Ionen in der Hydrometallurgie oder zur Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen eingesetzt werden.

Für die Nutzung der optischen Eigenschaften organischer P. sind die Polytrifluormethylstyrole mit niedrigem Brechungsindex und hoher Dispersion von Bedeutung. Von den P. mit hoher elektrischer Leitfähigkeit nehmen Polyine, Polythiophene und Polyphenylene eine Sonderstellung ein.

Photosensitive P. enthalten lichtempfindliche Gruppierungen im Polymermolekül. In Copolymerisation von o-Nitrobenzylacrylat und Methylmethacrylat z. B. findet eine lichtinduzierte Umlagerung des o-Nitroaromaten statt, bei der freie Carboxyfunktionen in die Polymerseitenkette eingeführt werden. Das P. wird an den belichteten Stellen alkalilöslich, worauf der Einsatz für silberfreie Bildaufzeichnungssysteme beruht.

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