Direkt zum Inhalt

Lexikon der Chemie: Polyvinylchlorid

Polyvinylchlorid, Abk. PVC, -[CH2-CHCl-]n, ein wichtiger Thermoplast, der geschmack- und geruchlos sowie schwer entflammbar ist, eine geringe Wasseraufnahme und gute elektrische Eigenschaften zeigt. P. mit niedrigem Polymerisationsgrad (Mr bis 30000) ist in organischen Lösungsmitteln löslich. Produkte mit höheren Polymerisationsgraden (Mr ≥ 100000) sind gegen Lösungsmittel weitaus beständiger. Konz. und verd. Alkalien, Öle, aliphatische Kohlenwasserstoffe greifen P. nicht an, während oxidierende Mineralsäuren, wie konz. Schwefelsäure und konz. Salpetersäure, zersetzend wirken. Nachteilig bei Produkten aus P. ist die mäßige Lichtstabilität, die geringe Wärmebeständigkeit (Erweichungstemperatur 75 bis 80 °C) und die schlechte Wärmeleitfähigkeit. PVC-hart wird ohne Zusatz von Weichmachern und Füllstoffen hergestellt und ist, wenn es keinerlei Zusätze enthält, physiologisch unbedenklich. Die Dehnung beträgt 10 bis 20 %, die Dichte 1,38 g cm-3. Durch Zusatz geeigneter Stabilisatoren weist P. eine hohe Alterungs- und Witterungsbeständigkeit auf. Zur Erhöhung der geringen Schlagzähigkeit von PVC-hart in der Kälte wird es mit chloriertem Polyethylen oder Ethylen-Vinylacetat-Copolymeren modifiziert. PVC-weich erlangt durch Zusatz von Weichmachern, insbesondere Phthalsäureestern, andere mechanische Eigenschaften. Seine Dichte liegt bei etwa 1,30 g cm-3, und die Dehnung kann bis auf 180 % gesteigert werden.

Herstellung. Gasförmiges Vinylchlorid wird unter Druck hauptsächlich im Suspensions-, jedoch auch im Masse- und Emulsionsverfahren polymerisiert. Bei den technischen Verfahren der Suspensionspolymerisation (Abb.) wird dabei bei Temperaturen von 45 bis 75 °C und Drücken zwischen 0,5 bis 1,2 MPa, gewöhnlich diskontinuierlich, gearbeitet. Als Suspensionsmedium dient Wasser, dem als Stabilisator z. B. Talkum, Calciumcarbonat, Polyvinylalkohol und Gelatine zugesetzt wird. Als Initiatoren der Polymerisation werden Peroxide, insbesondere Dilaurylperoxid und Diisopropylperoxid sowie Azobisverbindungen, verwendet. Bei der Emulsionspolymerisation arbeitet man in Wasser unter Zusatz von Emulgatoren, peroxidischen Beschleunigern (z. B. Ammoniumpersulfat) und geringen Mengen Elektrolyten (z. B. Phosphate). Besonders reines, für elektrische Zwecke geeignetes P. erhält man bei Einsatz von reinem Wasser (ohne Zusätze) unter Verwendung von Wasserstoffperoxid als Katalysator. Ähnliche Produkte erhält man nach dem Prinzip der Fällungspolymerisation, indem flüssiges, reines Monomeres in Gegenwart von H2O2 polymerisiert wird (Massepolymerisation).



Polyvinylchlorid. Abb.: Herstellung durch die Suspensionspolymerisation.

Verarbeitung und Verwendung. Um während der thermischen Verarbeitung des rohen PVC-Pulvers bei 160 °C die Abspaltung von Salzsäure zu vermeiden, werden dem Rohstoff Stabilisatoren, z. B. Soda, Alkaliphosphate, Bleisilicat, Calciumstearat, 1-Naphthylamin, hinzugefügt. Klare und durchsichtige Produkte erhält man durch Zugabe von zinn-, blei- oder anderen schwermetallorganischen Verbindungen, z. B. von Dibutylzinnlaurat. Bereits vorgewalztes PVC-hart wird in Strangpressen zu Halberzeugnissen (wie Rohre und Profilstäbe) extrudiert oder auf Kalandern bei hohen Drücken zu Folien und Bändern ausgewalzt. Besondere, kompliziertere fertige Formteile aus PVC-hart, wie Griffe, Deckel, Zellengefäße für Batterien, werden nach dem Spritzgußverfahren direkt aus dem PVC-Pulver hergestellt. Die Halberzeugnisse können durch mechanische oder thermische Methoden weiterverarbeitet werden.

Da nur niedrigmolekulare P. in Aceton-Kohlendisulfid-Mischungen löslich sind und versponnen werden können, wird höhermolekulares P. in einer Tetrachlorethansuspension bis zu einem Chlorgehalt von 64 % nachchloriert. Das nachchlorierte PVC ist in Aceton löslich und kann in Wasser zu einer chemikalien-, licht- und wetterbeständigen, fäulnis- und insektenfesten, nicht entflammbaren Faser versponnen werden, die zu Gurten, Seilen, Fischereinetzen u. a. weiterverarbeitet werden kann. Lösungen von nachchloriertem P. in Aceton u. ä. dienen als Kleber. P. mit niedrigem Polymerisationsgrad gelangt als Lackrohstoff in den Handel.

PVC-hart dient in der chem. Industrie vor allem als Rohrmaterial, ferner zum Auskleiden von Gefäßen und Apparaturen, die mit aggressiven Flüssigkeiten beschickt werden. Weiterhin wird es in der Verpackungsmittel-, Bau- und Konsumgüterindustrie eingesetzt.

PVC-weich wird z. B. zur Herstellung von Transportbändern, Schläuchen, Stopfen, Besohlmaterial, Planen, Treibriemen, Draht- und Kabelisolierungen, Dichtungsmaterial, Gürteln, Folien und Hohlkörpern, wie Tuben und Handschuhe, verwendet. Durch Beschichten von Gewebebahnen mit P. und nachfolgendes Gelieren bei 170 bis 190 °C läßt sich Kunstleder für Handtaschen und Raumauskleidung produzieren. Für Fußbodenbeläge mit hoher Abriebfestigkeit werden Füllstoffe, z. B. Kreide, Schiefermehl, Kaolin und Baryt, eingearbeitet.

Zell-PVC-hart ist ein durch die Zersetzung von eingemischten Treibmitteln hergestelltes poröses Material, das wegen seiner schweren Entflammbarkeit und seiner wasserabstoßenden Eigenschaften im Möbel- und Fahrzeugbau, als Dämmstoff und zur Herstellung von Rettungsringen und Schwimmwesten dient. Das durch Zusatz von Weichmachern erhältliche Zell-PVC-weich ist elastisch und wird z. B. für Sitzflächen verwendet.

Copolymerisate von P. werden für Spezialzwecke hergestellt. Ein Copolymerisat von P. mit etwa 10 % Vinylacetat eignet sich zum Verspinnen (aus Aceton). Ebenso läßt es sich für Klebemittel und auf dem Lacksektor verwenden; hierbei werden oftmals noch Maleinsäure und Fumarsäure zusätzlich mit einpolymerisiert. Copolymerisate, die außer P. bis zu 45 % Acrylnitril enthalten, haben Bedeutung auf dem Fasergebiet. Durchsichtige Copolymerisate aus Vinylchlorid und Acrylsäureester verarbeitet man zu Rohren und preßbaren Platten. Copolymerisate von Vinylchlorid und Vinylidenchlorid werden für Verpackungsfolien, Filtertücher, Raumauskleidungen u. a. verwendet. Im Zusammenhang mit der Diskussion über die ökologischen Auswirkungen der Chlorchemie wird das P. kritisch betrachtet, insbesondere der Einsatz von P. in der Verpackungsindustrie.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
Dr. Ulrich H. Engelhardt, Braunschweig
Dr. Andreas Fath, Heidelberg
Dr. Lutz-Karsten Finze, Großenhain-Weßnitz
Dr. Rudolf Friedemann, Halle
Dr. Sandra Grande, Heidelberg
Prof. Dr. Carola Griehl, Halle
Prof. Dr. Gerhard Gritzner, Linz
Prof. Dr. Helmut Hartung, Halle
Prof. Dr. Peter Hellmold, Halle
Prof. Dr. Günter Hoffmann, Eberswalde
Prof. Dr. Hans-Dieter Jakubke, Leipzig
Prof. Dr. Thomas M. Klapötke, München
Prof. Dr. Hans-Peter Kleber, Leipzig
Prof. Dr. Reinhard Kramolowsky, Hamburg
Dr. Wolf Eberhard Kraus, Dresden
Dr. Günter Kraus, Halle
Prof. Dr. Ulrich Liebscher, Dresden
Dr. Wolfgang Liebscher, Berlin
Dr. Frank Meyberg, Hamburg
Prof. Dr. Peter Nuhn, Halle
Dr. Hartmut Ploss, Hamburg
Dr. Dr. Manfred Pulst, Leipzig
Dr. Anna Schleitzer, Marktschwaben
Prof. Dr. Harald Schmidt, Linz
Dr. Helmut Schmiers, Freiberg
Prof. Dr. Klaus Schulze, Leipzig
Prof. Dr. Rüdiger Stolz, Jena
Prof. Dr. Rudolf Taube, Merseburg
Dr. Ralf Trapp, Wassenaar, NL
Dr. Martina Venschott, Hannover
Prof. Dr. Rainer Vulpius, Freiberg
Prof. Dr. Günther Wagner, Leipzig
Prof. Dr. Manfred Weißenfels, Dresden
Dr. Klaus-Peter Wendlandt, Merseburg
Prof. Dr. Otto Wienhaus, Tharandt

Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.